Gedenktag an die Bücherverbrennung 1938
von Sophia Beck-Mannagetta
69 Jahre danach. Am Residenzplatz wird aufgebaut. Diesmal kein Scheiterhaufen für Bücher, sondern eine kleine Bühne. 30. April. Diesmal werden die Bücher nicht verbrannt, sondern vorgelesen. Bücherverbrennung wird verurteilt. 17.00 Uhr. Einige Autoren lesen verschiedene Ausschnitte aus unterschiedlichen Büchern vor und wir verteilen Flugblätter. Gott sei Dank, dass wir uns nicht verstecken mussten wie Sophie Scholl damals!
In Salzburg, als einzige der Universitätsstädte Österreichs, fand 1938 eine öffentliche Bücherverbrennung statt. Doch jetzt wurde eine kleine Veranstaltung in Erinnerung an die Bücherverbrennung abgehalten, die hier während der NS-Zeit stattgefunden hatte. Viele interessierte Zuhörer waren anwesend, mehr, als es Stühle für sie gab. Die Flugblätter, die wir verteilten, berichteten von den Autoren, deren Bücher verbrannt worden waren, weil sie zuvor auf eine so genannte „verbotene Liste“ gesetzt worden waren. Auf eben dieser Liste befanden sich sowohl jüdische Autoren, wie beispielsweise Stefan Zweig und Sigmund Freud, als auch Autoren, die als regimekritisch bekannt waren, wie beispielsweise Arthur Schnitzler oder Bert Brecht, und auch einzelne Werke, die mit der Ideologie des Nationalsozialismus einfach nicht vereinbar waren, z.B. Vicki Baum oder Bücher über den österreichischen Nationalismus (patriotische Bücher), da Deutschland Österreichs einziges und größtes Vorbild zu sein hatte. Aber was genau ist eigentlich so besonderes an einer Bücherverbrennung?
Es mag uns Normalsterblichen möglicherweise nicht so schlimm vorkommen, wenn jemand öffentlich Bücher verbrennt. Ist ja auch nix neues, sogar die Kirche verbrannte mal Bücher von „Ketzern“. Wir würden vielleicht vermuten, dass es jenen Menschen, die Bücher verbrannten - ohne unsere heutige Erderwärmung - möglicherweise ziemlich kalt gewesen sei. Würden wir aber so denken, dann täuschen wir uns. Eine öffentliche Bücherverbrennung bedeutet nämlich mehr als eine reine Umwandlung von Papier in Asche und Energie bzw. Wärme. Heinrich Heine hat das schon 100 Jahre vor Hitler (1821) sehr treffend erkannt: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“
Ja, genau, das ist es! Die symbolische Bedeutung solch einer Tat ist viel weitreichender, als man sich anfangs denkt. So war es in der Inquisition mit der Hexenverbrennung genauso wie in der Nazizeit mit den Vernichtungslagern, und das ist auch der Grund, warum öffentliche Bücherverbrennung heute noch verurteilt wird. Weil das eine Verachtung gegenüber dem Autor und seinem Werk bedeutet, weil das einem Verbot von Information und Meinungsfreiheit wie in der Nazizeit gleichkommt und weil’s ein Vorbote weiterer Gräueltaten ist. Daran haben wir bei der Gedenkveranstaltung gedacht und darüber haben wir Informationsblätter verteilt. Aber auch heute ist es noch nicht selbstverständlich, die Werke, Meinungen und überhaupt auch andere Menschen zu akzeptieren, zu tolerieren und sie leben zu lassen. Zensur, Diktatur und willkürliche Gewalt sind keine trockene Geschichte, sondern traurige Gegenwart. Und stets müssen wir unsere Augen offen halten, denn Ausländerhetze und Neonazis sind bittere Realität. Bei der Gedenkveranstaltung wurden Ausschnitte aus den verachteten, verbotenen und verbrannten Büchern vorgelesen und die Hoffnung gehegt, dass so etwas niemals wieder geschehen möge!
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Am 30. April 1938 inszenierte der Lehrer und Schriftsteller Karl Springenschmid auf dem Salzburger Residenzplatz eine Bücherverbrennung – die einzige in Österreich nach nationalsozialistischem Muster. Schon das Fanal am 10. Mai 1933 in Deutschland zielte auf Auslöschung der österreichischen Literatur von Weltruf, darunter Sigmund Freud, Franz Werfel und Stefan Zweig. Was von ihr in der österreichischen Diktatur von 1933 bis 1938 übrig blieb, wurde im nationalsozialistischen Salzburg, inmitten der Altstadt, angesichts der erzbischöflichen Residenz, des Domes und des Mozartdenkmals, verbrannt – Vorbote von dem, was noch kommen sollte…
1987 erinnerte erstmals eine Initiative der Salzburger Autorengruppe an dieses Vorkommnis. Erich Fried sagte damals bei strömendem Regen in seiner aufrüttelnde Rede:
„Und bloß die zu verdammen und nicht zu kämpfen, das genügt nicht einmal, um neue Bücherverbrennungen zu verhindern, und das genügt nicht, um die Verbrennung der ganzen Welt zu verhindern“
Nach zwanzig langen Jahren gab es nun am 30. April 2007 erneut eine Gedenkveranstaltung. Aufgerufen dazu hat das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Uni Salzburg, die Israelitische Kultusgemeinde, das Literaturhaus Salzburg, das Friedensbüro, die Katholische Aktion, www.erinnern.at un Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4
erschienen in: Talktogether Nr. 22/2007
d die Internationale Stefan Zweig Gesellschaft mit dem Ziel, die Erinnerung an den 30. April 1938 wach zu halten.
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