Rosa Luxemburg: Krieg dem Kriege PDF Drucken E-Mail

 Krieg dem Kriege

1914: Es ist Krieg in Europa. Mit leidenschaftlichen Reden wandte sich Rosa Luxemburg gegen Nationalismus und Krieg: Welchen Grund habe denn ein deutscher Arbeiter einen französischen Arbeiter als Feind zu betrachten, der sich in derselben unterdrückten und ausgebeuteten Situation befindet? Warum sollten sie sich für die Interessen ihrer Unterdrücker gegenseitig abschlachten? fragte sie. Bei einer Kundgebung 1914 in Frankfurt/Main ruft Luxemburg zur Kriegsdienstverweigerung auf. Als „Vaterlandsverräterin“ bezeichnet wurde gegen sie Anklage wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit" erhoben. Sie wird zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und 1915 ins Frauengefängnis Berlin eingeliefert. Doch weder Gefängnis, Isolation noch Krankheit konnten ihren Geist brechen.

Rosa Luxemburg war eine der herausragendsten Persönlichkeiten der europäischen Arbeiterbewegung. Die 1871 als Tochter einer polnisch-jüdischen Kaufmannsfamilie geborene Rosa hatte früh begonnen, sich politisch zu betätigen. In Polen trat sie der neu gegründeten „Sozialistischen revolutionären Partei des Proletariats“ bei, die doch fast völlig von der zaristischen Polizei zerschlagen wurde. Rosa musste das Land verlassen und floh in die Schweiz, wo sie an der Universität Zürich Nationalökonomie studierte. Ihr Professor Julius Wolf erinnerte sich an sie, als eine seiner begabtesten Schülerinnen. Nach ihrer Promotion zog sie nach Berlin, wo sie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands beitrat. Ihr politisches Engagement brachte ihr mehrere Verurteilungen und Gefängnisaufenthalte ein.

Zunehmend kam sie in Konflikt mit der Sozialdemokra­tischen Partei, denn auch in den sozialistischen Parteien Europas war der Nationalismus stärker geworden als die internationale Solidarität. Verbündete fand sie in Clara Zetkin und Karl Liebknecht, dem einzigen Reichstags­abgeordneten, der 1914 gegen die Kriegskredite stimmte. Aber es war für sie keine Lösung, aus der Partei auszutreten, denn, laut ihren Worten könne man „aus kleinen Sekten und Konventikeln austreten, wenn sie einem nicht mehr passen“. Doch wer mit der Sache der Arbeiterklasse verbunden sei, „könne sich nicht durch einen einfachen Austritt befreien“.

Nach dem Krieg brach 1918 in Deutschland die Novemberrevolution aus. Wie überall in Europa wurden Arbeiter- und Soldatenräte gegründet. Als der Kaiser abdankte, übergab er die Regierung dem Sozialdemokraten Ebert, der wie er selbst sagte, „die soziale Revolution wie die Sünde hasste“. Da beschlossen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit anderen Mitgliedern des Spartakusbundes die Kommunistische Partei zu gründen. Die Massen kamen in Bewegung und Streikwellen erschütterten das Land. Doch die Arbeiter waren von ihren Feinden zum Losschlagen provoziert worden, bevor sie in der Lage gewesen waren, sich zu organisieren.

Rosa und Karl erkannten die Gefahr und waren gegen den Aufstand. Als dieser jedoch nicht mehr zu verhindern war, taten sie alles, um ihn zum Erfolg zu führen. Doch die sozialdemokratischen Führer schwankten und verhandelten mit der Regierung. So konnte der Aufstand niedergeschlagen werden. Rosa musste ständig ihre Wohnung wechseln um sich vor ihren Verfolgern zu verstecken. Am 15. Jänner 1919 wurde Rosa Luxemburg gemeinsam mit Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck entführt und verschleppt. Im Eden Hotel wurden sie verhört und misshandelt und später ermordet. Rosas Leiche  wurde erst Monate später im Landwehrkanal gefunden.

Den Mord an Rosa Luxemburg schildert E. Gumbel so: "Als Rosa Luxemburg durch den Haupteingang des Eden-Hotels fortgeführt wurde, stand derselbe Runge an der Tür. Hauptmann Petri hatte Befehl gegeben, man solle dafür sorgen, dass die Luxemburg nicht lebendig ins Gefängnis komme. Als Frau Luxemburg durch die Tür kam, schlug Runge ihr zweimal auf den Kopf, so dass sie umsank. Der den Transport führende Oberleutnant Vogel hatte nichts dagegen getan. Man schob Frau Luxemburg in den Wagen. Als der Wagen abfuhr, sprang ein Mann von hinten auf und schlug sie mit einem harten Gegenstand auf den Kopf. Unterwegs schoss Oberleutnant Vogel der Frau Luxemburg noch eine Kugel durch den Kopf. Man fuhr zwischen Landwehrkanal und Zoologischem Garten entlang. Am Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt, die Soldaten warfen die Leiche auf Befehl Vogels in den Kanal. Die am Mord Beteiligten ließen sich am Tage danach bei einem Saufgelage photographieren."

Die sozialistische Idee war ein Rosa eine alles beherr­schende Leidenschaft, für die sie nicht nur ihre Intelligenz, sondern auch ihr Herz, ihren Willen und schließlich ihr Leben gegeben hat. Kompromisslos wandte sie sich gegen den Reformismus ihrer Partei, der sich zunehmend mit dem Kapitalismus arrangierte. In einer Zeit, in der sich viele, die sich als Marxisten ausgaben, den Marxismus seines tiefen humanen Inhalts beraubten, ließ sie ihre Leidenschaft für die Wahrheit vor jedem dogmatischen Denken zurückschrecken.

Rosa Luxemburg und der Irak

Im Europa des Ersten Weltkrieges gab es wenige so entschiedene GegnerInnen des imperialistischen Krieges, wie es Rosa Luxemburg war. Leider wurde auf ihre Stimmen nicht gehört und Millionen von Menschen wurden in den Tod auf den Schlachtfeldern dieses grausamen und zerstörerischen Krieges geschickt. Dieses „Interview" ist fiktiv und hat natürlich nie stattgefunden. Es besteht aber aus Originalzitaten von Rosa Luxemburg aus den Kriegsjahren 1914-1918. Es ist erschreckend, dass ihre Worte heute noch genauso aktuell erscheinen, wie sie damals waren. Steuert Europa wieder in Richtung Krieg?

Nach dem 11. September wird davon geredet, dass der „Krieg gegen den Terror" Angriffskriege rechtfertige ...

Wann und wo hat es denn einen Krieg gegeben, seit die so genannte öffentliche Meinung bei den Rechnungen der Regierungen eine Rolle spielte, in dem nicht jede kriegführende Partei einzig und allein zur Verteidigung des Vaterlandes und der eigenen gerechten Sache vor dem schnöden Überfall des Gegners schweren Herzens das Schwert aus der Scheide zog? Die Legende gehört so gut zum Kriegführen wie Pulver und Blei. Das Spiel ist alt. Neu ist nur, dass eine sozialdemokratische Partei an diesem Spiel teilgenommen hat.

Es wird immer wieder argumentiert, wir müssten arme und unterdrückte Völker wie die Iraker oder die Afghanen unterstützen ...

Aus der Politik der imperialistischen Staaten und aus dem imperialistischen Kriege kann für keine unterdrückte Nation Freiheit und Unabhängigkeit hervorsprießen. Die kleinen Nati­onen sind nur Schachfiguren in dem imperialistischen Spiel der Großmächte und werden, ebenso wie die arbeitenden Volksmassen aller beteiligten Länder, während des Krieges als Werkzeug missbraucht, um nach dem Kriege auf dem Altar der kapitalistischen Interessen geopfert zu werden.

Außerdem wird behauptet, dass der Krieg nur dazu diene, den Weltfrieden zu sichern …

Der Weltfriede kann weder durch internationale Schiedsge­richte kapitalistischer Diplomaten noch durch diplomatische Abmachungen über „Abrüstung", über die sogenannte „Freiheit der Meere", noch durch „europäische Staatenbünde", „mitteleuropäische Zollvereine", „Nationale Pufferstaaten" und dergleichen utopische und in ihrem Grunde reaktionäre Projekte gesichert werden. Imperialismus, Militarismus und Kriege sind nicht zu beseitigen und nicht einzudämmen, solange die kapitalistischen Klassen unbestritten ihre Klassenherrschaft ausüben. Die einzige Sicherung und die einzige Stütze des Weltfriedens ist der revolutionäre Wille und die politische Aktionsfähigkeit des Internationalen Proletariats.

Die Menschen werden beschwichtigt: Nach dem Krieg wird alles besser, mit Entwicklunghilfe wird dann beim Wiederaufbau geholfen...

Es ist ein törichter Wahn, sich die Dinge so vorzustellen, dass wir den Krieg nur zu überdauern brauchen, wie der Hase unter dem Strauch das Ende des Gewitters abwartet, um nachher wieder in den alten Trott zu verfallen. Der Krieg hat die Bedingungen unseres Kampfes verändert und uns selbst am meisten. Schon jetzt, mitten im Kriege, fallen die Masken und es grinsen uns die alten bekannten Züge an. Aber das Tempo der Entwicklung hat durch den Ausbruch des imperialistischen Vulkans einen gewaltigen Ruck erhalten.

Was ist deine Botschaft an die Antikriegsbewegung? Wie soll eine Politik des Weltfriedens aussehen?

Nicht mit utopischen Ratschlägen und Projekten, wie der Imperialismus im Rahmen des bürgerlichen Staats durch partielle Reformen zu mildern, zu zähmen, zu dämpfen wäre, kann die proletarische Politik sich wieder den ihr gebührenden Platz erobern. Das eigentliche Problem (...) ist die Aktionsfähigkeit der proletarischen Massen im Kampfe gegen den Imperialismus. Nicht an Postulaten, Programmen, Losungen fehlt es dem internationalen Proletariat, sondern an Taten, an wirksamem Widerstand, an der Fähigkeit, den Imperialismus im entscheidenden Moment gerade im Kriege anzugreifen und die alte Losung "Krieg dem Kriege" in die Praxis umzusetzen.

erschienen in: Talktogether Nr. 9/2004

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