Namibia: 100 Jahre Widerstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft PDF Drucken E-Mail

Schatten der Vergangenheit

Obwohl die deutsche koloniale Vergangenheit im Bewusstsein der meisten weniger präsent ist, gehört sie zu den blutigsten Kapiteln der ganzen europäischen Kolonialgeschichte. Die Rebellion der Hereros gegen die gewaltsame Enteignung ihres Landes in der damaligen deutschen Kolonie Südwestafrika hatte im Jänner 1904 begonnen. Die Niederschlagung des Aufstands wurde mit der eindeutigen Absicht des Völkermordes durchgeführt.

“Alle Hereros müssen das Land verlassen … Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh, erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen."


Mit dieser berüchtigten Proklamation des Kommandeurs der deutschen Kolonialarmee, General Lothar von Trotha wurde am 2. Oktober 1904 die Vernichtung der Hereros einge­leitet. Tausende wurden niedergeschossen, Frauen und Kinder in die Wüste gejagt, wo sie elend zugrunde gin­gen, die Brunnen vergiftet. Die wenigen Überleben­den wurden in Lagern eingesperrt, zur Sklavenarbeit für deutsche Siedler gezwungen und die Frauen als Sex­skla­vinnen miss­braucht. Den Hereros wurde jedes Recht abgesprochen, eigenes Land oder Vieh zu besitzen. Um 1907 hatten nur noch weniger als 15.000 der ursprünglich zwischen 80.000 und 100.000 geschätzten Herero-Bevöl­kerung überlebt, 80 Prozent waren vernichtet worden. Und noch heute ist das den Hereros geraubte Land im Besitz von deutschstämmigen Siedlern, die damit von den grau­samen Morden in der Vergangenheit profitieren.

Herero-Vertreter weisen außerdem auf den Zusammen­hang zwischen der Vernichtung der Hereros und dem Holocaust hin. Der Nazi-Genetiker Eugen Fischer entwi­ckelte seine Rassentheorien in Südwestafrika, wo er Herero Kinder, Männer und Frauen in den Konzentrati­onslagern für medizinische Versuche missbrauchte. Spä­ter war Fischer an der Berliner Universität der Professor von Josef Mengele, der seine perversen genetischen Experimente an jüdischen Kindern in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern durchführte.

Anwälte, die die Hereros repräsentieren, haben verschie­dene deutsche Firmen darunter die Deutsche Bank ange­klagt, dass sie Teil der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia waren und an der Vernichtung, der Zerstörung des sozialen Systems, an den Konzentrationslagern und der Zwangsarbeit sowie an den medizinischen Experi­menten beteiligt waren und davon profitiert haben. Doch die deutsche Regierung hat sich bislang geweigert, die Verbrechen der Vergangenheit einzugestehen und es ab­gelehnt, sich offiziell zu entschuldigen. Denn daraus könnte sich eine Verpflichtung zu Reparationszahlungen ergeben. Und das wird von der deutschen Regierung kategorisch abgelehnt mit dem Hinweis, dass Deutsch­land Namibia seit der Unabhängigkeit 1990 mit 500 Mil­lionen Euro bereits sehr großzügig unterstützt hätte – dem durchschnittlichen Budget eines Hollywood Films.

Bei der Veranstaltung zum 100. Jahrestag des Aufstands entschuldigte der deutsche Botschafter in Namibia, Wolfgang Massing, die Weigerung seiner Regierung zu Reparationen unter dem Vorwand: „Wenn wir einer be­stimmten ethnischen Gruppe Entschädigungszahlungen geben, könnte das Spannungen zwischen den verschiede­nen Gruppen verstärken und die nationale Vereinigung behindern.“ Doch viele sind überzeugt, dass gerade eine solche „Teile-und-Herrsche“-Politik das geschlossene Auftreten aller Namibier verhindert. Während seiner Af­rikareise Anfang des Jahres hat es Kanzler Schröder nicht nur vermieden, Namibia zu besuchen, er hat auch die Verbrechen seines Landes in der Vergangenheit nicht ein einziges Mal erwähnt. Die Weigerung der deutschen Re­gierung, sich zu entschuldigen, wird aber von vielen als schweigende Zustimmung zu den Verbrechen angesehen.

Quelle: Sola Jolaoso: „Colonial past haunts Germany“, in: African Courier, Feb/März 2004

erschienen in: Talktogether Nr. 10/2004