Hommage an Ernesto Che Guevara PDF Drucken E-Mail

Der Anti-Mythos

von Luis Alfredo Duarte Herrera 

Vor ein paar Monaten fragte eine österreichische Professorin ihre Schüler, ob sie wüssten, wer Ernesto "Che" Guevara sei. Der Großteil der Schüler wusste entweder nichts oder nahm an, dass es sich um einen "Gauner", einen Banditen, einen Mörder handelte; nur ein paar von ihnen meinten, dass er ein Mann war, der für die Armen und gegen die soziale Ungerechtigkeit, die in Lateinamerika herrscht, gekämpft hatte.

Man kann die Größe und Bedeutung der Denkweise Ernesto Che Guevaras, seine Rolle als Vorbild und Kämpfer für das 20. Jahrhundert nicht leugnen. Es genügt ein Streifzug durch die Geschichte Lateinamerikas der letzten sieben und dreißig Jahre, um die Zunahme der Guerillabewegung im ganzen Kontinent, das verstärkte Bewusstsein und den antiimperialistischen Widerstand zu bestätigen, der Salvador Allende in Chile an die Macht brachte und Jahre später die "Frente Sandinista de Liberación Nacional" ("Sandinistische Front der Nationalen Befreiung") in Nicaragua.

Dieser radikale Kampf gegen den Imperialismus rief seinerseits eine düstere Epoche der Unterdrückung hervor, in der Diktaturen die Oberhand gewannen - vor allem in den 70er und teilweise in den 80er Jahren - und als verheerende Spur die höchste Rate an Morden und politisch Verschollenen hinterließ, die es in der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gegeben hat.Es gibt wenige Persönlichkeiten der zeitgenössischen Geschichte, die eine derart große Anzahl an Verleumdungen, Vorurteilen und Verdrehungen hervorgerufen haben. Siebenunddreißig Jahre nach seinem letzten bewaffneten Kampf für die Armen und die Befreiung Lateinamerikas, kennen auch heute viele das Gesicht des Guerrillero Heróico (heldenhaften Guerillakämpfers), festgehalten auf dem weltbekannten Photo von Alberto Korda, aber nur sehr wenige wissen etwas über sein Leben und sein Denken. Die Medien und die kapitalistische Kulturindustrie machten aus dem Bild von Che ein populäres, oberflächliches und harmloses Konsumobjekt, eine leere Karikatur, die weder für den Träger noch für den Status quo eine Gefahr darstellt.

Das ist eine Hommage an Commandante Ernesto Che Guevara - 37 Jahre nach seiner Hinrichtung, die in Bolivien vom Militärkommando, das zu jener Zeit unter dem Befehl von Barrientos und Ovando stand, angeordnet wurde, womit die obersten, in der Verfassung verankerten Gesetze gebrochen wurden, die dort die Todesstrafe verbieten. Eine Hommage auch an alle jene, die gemeinsam mit ihm ihr Leben im Kampf für die Freiheit Lateinamerikas geopfert haben.

El Anti Mito

Comandante Guevara
no eres un mito ni una leyenda

ni un ídolo ni un dios

no estamos tan sedientos
para beber aguas tan turbias

esa imagen
que enemigos y vividores

obsequian por doquier

a perezosos y desertores

resignados o ignorantes

vencidos o incapaces

no nos pertenece comandante

Porque fuiste y sigues siendo
sólo un hombre

porque tu comprensión del mundo

la historia los problemas

y la práxis

es de lo más elemental

si proviene de una criatura

verdaderamente libre

porque tu reacción fue la más honesta
la más simple la más lógica

no dejarte encadenar

y liberarte liberando

Ni mito ni leyenda,
ni ídolo ni dios

no puedes convertirte de repente

en todo aquello

contra lo cual luchaste

además
no estamos tan locos

para regalarte en exclusiva

el deseo de libertad de justicia

el privilegio de la lucha

el ansia de ser cada día mejores

de transformarse transformando

o

para decirlo en tus palabras
de ser revolucionarios ...

Der Anti – Mythos

Comandante Guevara
du bist weder Mythos noch Legende

weder ein Idol noch ein Gott

wir sind nicht so durstig
um aus solch trübem
Wasser zu schöpfen

dieses Bild
das Feinde und Lebemänner

überall an

Faulenzer und Deserteure

Resignierte und Unwissende

Besiegte oder Unfähige verschenken

Gehört uns nicht Comandante

Weil du nur ein Mensch warst
und noch immer bist

weil dein Verständnis von der Welt
der Geschichte den Problemen

und der Praxis

eines der elementarsten ist

da es von einer wahrhaft
freien Kreatur stammt

weil deine Reaktion
dich nicht anketten zu lassen

und dich zu befreien
indem du befreist

die ehrlichste war

die einfachste und logischste

 

Weder Mythos noch Legende,

weder Idol noch Gott

du kannst dich nicht plötzlich
in all das verwandeln

wogegen du kämpftest

 

außerdem

sind wir nicht so verrückt

dir den Wunsch nach Freiheit

und Gerechtigkeit exklusiv zu überlassen

das Privileg des Kampfes

die Sehnsucht jeden Tag
ein besserer Mensch zu sein

sich zu verändern
indem man verändert

oder
um es mit deinen Worten zu sagen

Revolutionäre zu sein...

Luis Alfredo Duarte Herrera, übersetzt von Angelika Moser-Kroiss

erschienen in: Talktogether Nr. 10/2004