Ohne uns keine Sauberkeit! Emine steht jeden Tag um fünf Uhr in der Früh auf, um im Krankenhaus zu putzen. Obwohl sie meistens 6 oder sogar 7 Tage pro Woche arbeitet, reicht der Lohn, den sie dafür erhält, nicht aus, um die Miete zu bezahlen und ihre vier Kinder zu ernähren. Deshalb muss sie abends noch zusätzlich in privaten Haushalten putzen. Durch die anstrengende und einseitige Arbeit leidet sie unter starken Rückenschmerzen. In Krankenstand zu gehen, traut sie sich aber nicht, aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Durch die Privatisierung und die Sparprogramme sind die Reinigungsarbeiten von immer mehr öffentlichen Einrichtungen an private Reinigungsfirmen vergeben worden. Und hier bekommen nur jene Firmen den Auftrag, die die Leistung zum niedrigsten Preis anbieten. Deshalb stehen die Arbeiterinnen wie Emine unter immer noch größerem Druck, immer mehr Zimmer in immer kürzerer Zeit zu reinigen, natürlich ohne Lohnerhöhung. Auch wenn die Karrierechancen für Frauen gestiegen sind, hat sich die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen kaum verändert. Noch immer arbeiten hauptsächlich Frauen in schlecht bezahlten Jobs als Putzfrauen, Supermarktkassiererinnen oder Telefonistinnen. Vor allem Migrantinnen sind es, die unsere Büros, Krankenhäuser, Hotels und Privatwohnungen putzen, meist unter miserablen Arbeitsbedingungen. Noch schlimmer ist die Situation von Frauen ohne legale Aufenthaltsbewilligung. Da sie gezwungen sind, alles zu tun, um zu überleben, sind sie Ausbeutung und Willkür schutzlos ausgeliefert. Die Arbeit als Putzfrau ist für sie neben der Prostitution die einzige Einkommensmöglichkeit. Für Illegalisierung gibt es verschiedene Gründe wie die Ablehnung des Asylantrags oder die Trennung vom Ehemann. Das Leben ohne Papiere bedeutet nicht nur die ständige Angst vor Entdeckung durch die Polizei, sondern auch Angst vor Krankheit, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und die Angst vor Abschiebung.
Wir nehmen es als Selbstverständlichkeit an, dass in unserer Umgebung Sauberkeit herrscht. Wer wünscht sich, in einem Krankenhaus liegen zu müssen, in dem es an Hygiene mangelt? Doch die Frauen, die diese wichtige Arbeit für uns leisten, werden von der Gesellschaft missachtet und ausgebeutet, ihre Abhängigkeit wird ausgenützt. Die einzige Möglichkeit, diese Machtlosigkeit zu überwinden ist die gegenseitige Solidarität. Dass man etwas erreichen kann, wenn man sich organisiert und gemeinsam kämpft, haben die Mitarbeiterinnen einer Putzkolonie in Paris bewiesen. Wegen schlechter Arbeitsbedingungen traten im Jahr 2002 die Mitarbeiterinnen einer Reinigungsfirma, die in Paris die Hotels der Accor-Kette reinigen, in den Streik. Zu Accor gehören viele bekannte Hotels, darunter Ibis, Novotel, Mercure, Etap und viele andere.
Die Reinigungsarbeiterinnen, meist Frauen aus Nord- oder Westafrika, unterliegen einem Akkordsystem, indem sie nach geputzten Zimmern bezahlt werden. Wenn sie nicht in der vorgegebenen Zeit fertig werden, wird die zusätzlich nötige Arbeitszeit nicht bezahlt. Wenn die Frauen vollkommen erschöpft sind und Schäden an der Wirbelsäule haben, werden sie schließlich entlassen. Die Firma glaubte, die Frauen seien ungebildet und würden sich deshalb nicht wehren. Doch sie haben sich getäuscht. Die Frauen schlossen sich in der kleinen Gewerkschaft SUD zusammen und wehrten sich. Durch ihren Streik erfuhr die Öffentlichkeit von den unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Durch den entschlossenen Streik haben die Frauen einiges erricht: Die Geschäftsführung sah sich gezwungen, eine Vereinbarung zu unterschreiben, die eine der Hauptforderung der Streikenden erfüllt: Die Senkung des vorgeschriebenen Arbeitstempos. Ein Jahr später wurde die aus Senegal stammende Streiksprecherin Faty Mayant fristlos gekündigt. Als sie zur gewerkschaftlichen Vertreterin gewählt worden war, bekam sie von ihrem Arbeitgeber eine beträchtliche Lohnerhöhung. "Ich sollte den Mund halten“, erzählt sie, "doch das habe ich nicht getan“ Deshalb wurde sie gekündigt. Trotzdem sagt sie: „Ich bereue nichts! Die Kolleginnen verdienen heute besser." Auch wenn nicht alle Forderungen erfüllt wurden und die Firma wieder begann, zu alten Praktiken zurückzukehren, hat der Streik doch einiges bewirkt. Die Frauen haben erfahren, dass sie nur durch Solidarität und gemeinsamen Kampf stark sind und etwas erreichen können. Nicht nur die Pariser Putzfrauen sind ausgebeutet, ähnliche Verhältnisse herrschen in den meisten europäischen Ländern. Dieser Streik war erst der Anfang, denn nur ein europaweiter Kampf kann endgültig Schluss machen mit den sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen der Reinigungsarbeiterinnen. erschienen in: Talktogether Nr. 11/2005
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