Die Kärntner Partisanen
im Widerstand gegen Hitler
Am frühen Morgen des 14. April 1942 drangen Polizeieinheiten bis zu den entlegensten Gehöften von kärntner-slowenischen Bauernfamilien vor und erfüllten den Einsatzbefehl, der die DeÂportation von ca. 1.000 Kärntner-Slowenen anordnete. Auf BusÂsen und Lastwägen wurden die Menschen zuerst in das ZwiÂschenlager Ebenthal gebracht und dann von dort in die vorgeseÂhenen Lager, wo sie Zwangarbeit für die deutsche RüstungsinÂdustrie leisten mussten. Dabei hatte man den überraschten BeÂtroffenen nicht einmal Zeit gelassen, ihre notwendigsten Sachen zusammenzupacken. Die Ãœbergabe ihres Vermögens mussten die Ausgesiedelten mit ihrer Unterschrift bestätigen. Ihre Höfe wurden an gleichzeitig umgesiedelte Deutsche oder einheimiÂsche Parteigenossen übergeben.
Der Konflikt der Volksgruppen in Kärnten, der bis heute nicht überwunden ist, begann nicht erst mit dem Einmarsch Hitlers. Obwohl die KärntÂner Slowenen bei der Volksabstimmung 1920 mehrÂheitlich für den Verbleib bei Österreich gestimmt hatten, setzte mit dem Vormarsch der „Deutschnationalen“ bald die Repression gegen die Slowenen ein. Sie wurden mit Berufsverboten belegt, der Slowenischunterricht in den Schulen wurde abgeschafft und die zweisprachigen Ortstafeln entfernt. Die Repressalien gegen die Kärntner Slowenen verÂschärften sich nach dem „Anschluss“ Österreichs an HitlerÂdeutschland, mit dem Angriff auf Jugoslawien am 6. April 1941 fielen dann alle Schranken. Es wurde ihnen verboten, untereinander ihre Muttersprache zu sprechen. Wer sich nicht fügte und gegen die Verbote verstieß, den erwarteten harte Strafen bis hin zur EinÂweisung ins KonÂzentrationslager. Erklärtes Ziel war es, die Zweisprachigkeit in Kärnten auszulöschen und durch Zwangsassimilierung alles Slowenische auszuradieren. Doch trotz aller einschüchternden Maßnahmen seitens der NS-Diktatur entwickelte sich bei der slowenischen Bevölkerung der Wille zum Widerstand. SloweniÂsche Burschen verweigerten den Wehrdienst oder desertierten aus der DeutÂschen Armee, verÂsteckten sich in den Wäldern und bildeÂten kleine WiÂderÂstandsgruppen.
1942 schlossen sich die Kärntner Widerstandskämpfer in der Osvobodilna Fronta (OF) zusammen, um gegen das nationalÂsozialistische Regime zu kämpfen. Anfangs waren die WiderÂstandskämpfer noch zu schwach für bewaffnete Aktionen und beschränkten sich auf Propagandatätigkeit.
„Das Hitlerreich geht der unvermeidlichen Niederlage entgegen, der Sieg der vereinigten freiheitsliebenden Völker ist nahe. Niemals wurden wir, unsere Kinder und Frauen so schamlos ausgebeutet und ausgesaugt, als heute durch die deutschfaschistischen Monopolherren im Hitlerreich. Niemals hat es ein reaktionäreres, betrügeriÂscheres und grausameres Regime gegeben als das, das der deutsche Faschismus über uns errichtet hat!“
hieß es in einem Flugblatt, das an die slowenische und die deutschsprachige Zivilbevölkerung, aber auch an deutsche SolÂdaten verteilt wurde. Bald schlossen sich immer mehr AnÂgehörige der Deutschen WehrÂmacht, die von ihÂrem HeimaturÂlaub nicht mehr an die Front zurückkehrÂten, der Bewegung an. Durch Ãœberfälle auf die Faschisten gelang es ihnen, NahrungsÂmittel, Kleidung und Waffen zu requirieren.
Da aufgrund der Ãœberlegenheit des Gegners Schlachten mit hohen Verlusten vermieden werden mussten, waren der Hinterhalt und der Nachtkampf eine häufige und notwendige Kampfform. Von den OrtÂsausschüssen wurden die praktische und theoÂretische AusbilÂdung und eine medizinische Versorgung organiÂsiert, man richÂtete sogar Partisanenkrankenhäuser ein. Die VerÂwundeten mussten oft auf beschwerlichen Bergwegen über FelÂsen dorthin gebracht werden. Um sich vor Spitzeln zu schütÂzen, wurde jeder FreiÂwillige einer strengen UnÂtersuchung unterÂzogen. Es gelang sogar, eine effektive DruckeÂrei zur Herstellung von FlugblätÂtern und Broschüren einzurichÂten. Auch junge Mädchen und Frauen schlossen sich der BeweÂgung an, sie orgaÂnisierten Munition, Nahrung, Medikamente, VerÂbandszeug und andere für die WiÂderstandskämpfer unentÂbehrliÂche Dinge und arÂbeiteten als Botinnen und SanitäteÂrinnen mit den PartiÂsanen in den Wäldern.
Die Unterstützung der BeÂvölkerung war den WiderstandskämpÂfern sicher. Das Risiko war groß. Nicht nur die Partisanen selbst, auch angebliche oder tatsächliche UnterÂstützer und Angehörige wurden von den Nazis verhaftet, missÂhandelt und ermordet. Um die Gefahr der Bestrafung von AngeÂhöÂrigen zu verringern, wurÂden vor Zeugen Zwangsrekrutierungen durchgeführt. Verletzte, die keine Chance hatten, ein Krankenhaus zu erreichen, erschosÂsen sich lieber selbst, als den Nazis in die Hände zu fallen. Doch trotz Folter, Exekutionen und Einweisungen ins KZ weitete sich der Widerstand aus und hielt bis zum Kriegsende an.
Nach dem Krieg
Als die KZ-Ãœberlebenden und Ausgesiedelten heimkehrÂten, war die Enttäuschung groß. Obwohl die slowenischen Partisanenkämpfer als größte Bewegung des österreichischen Widerstands einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Sieg gegen den NationalsoziaÂlismus geleistet haben, wurden sie nicht mit Respekt und offenen Armen aufgeÂnommen, sondern sogar von Vertretern der ReÂgierungsparteien als „Verräter“ gebrandmarkt. Die WiedergutÂmachungskommissionen sprachen den geschädigten Slowenen nur geringe Beträge zu, mit denen der tatsächliche SchaÂden kaum abgedeckt werden konnte. Noch unzureichender waÂren die Haftentschädigungen, die vielen sogar gänzlich verwehrt wurden. Die enteigneten Bauernhöfe wurden nur zögerlich zuÂrückgegeben oder befanden sich in einem desolaten Zustand. Dagegen wurde ein Großteil der natiÂonalsozialistischen VerbreÂcher amnestiert, ihre Bezüge nachgezahlt und ihre Dienstzeiten im NS-Staat voll angerechnet. Die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln - die erst 1972 von der SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky beschlossen werden konnte - und der SlowenischunterÂricht in den Schulen werden bis heute behindert. Dass noch heute Zweisprachigkeit und Volksgruppenkultur nicht als BereiÂcherung anstatt als Bedrohung gesehen werden, ist für Kärnten und für Österreich beschämend.
Quellen: Martin Bolkovac, Die slowenischen Partisanen in Kärnten; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands; Die Vertreibung der Kärntner Slowenen/ PreÂgon koroÅ¡kih Slovencev 1942/2002. Klagenfurt/Celovec 2002.
erschienen in: Talktogether Nr. 12/2005
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