G8-Hilfe für Afrika? PDF Drucken E-Mail

Wer ist wem etwas schuldig?

„Wir werden Afrika helfen! Die Menschen in Afrika werden ohne Schulden aufwachen“, posaunten Bush und Blair beim G8 Gipfel in Schottland in die Welt hinaus und kündigten an, den ärmsten Ländern Afrikas 40 Milliarden Dollar Schulden zu streichen. Was schulden denn die afrikanischen Menschen den herzlosen Imperialisten? Die Antwort lautet: Nichts. Die Wahrheit ist, dass die afrikanischen Menschen niemals irgendjemandem etwas geschuldet haben. Sie sind es, die Jahrhunderte lang ausgeraubt und versklavt wurden und dafür Anspruch auf Entschädigung hätten.

Oft wird davon gesprochen, wie viel Geld nach Afrika gepumpt wird, aber verschwiegen, dass ein vielfaches dieser Summen Afrika wieder verlässt und dorthin zurückkehrt, wo es hergekommen ist: in die Metropolen des Westens. Viele afrikanische Länder wurden durch großzügige Kreditangebote in die Schuldenfalle gelockt. In den späten 1980er Jahren wurde beispielsweise Mali dazu gedrängt, mehr Baumwolle zu exportieren, um mit dem erwirtschafteten Geld eine eigene Industrie aufzubauen. Doch der Baumwollhandel wurde von Frankreich kontrolliert und durch das Überangebot sank der Weltmarktpreis wiederholt. Mali war nicht nur nicht in der Lage, eine lokale Textilindustrie aufzubauen, sondern auch die Schulden vervielfachten sich. Für jeden Dollar, der damals in den Staat gepumpt worden war, hat Mali bereits sieben Dollar zurückgezahlt und blieb weitere vier schuldig.

Viele sind geneigt, den Vorschlag der Schuldentilgung zu begrüßen. Doch können die G8-Führer mit einer Schuldentilgung die Armut lindern, die sie selbst verursacht haben, oder handelt es sich dabei nur um eine politische Maskerade? Während Bush und Blair, die gerade im Irak einen Krieg um Öl führen, vorgeben, mit diesem Vertrag die Schlinge um den Hals der afrikanischen Länder lockern zu wollen, schmieden Spezialisten in Washington und den europäischen Hauptstädten Pläne, wie sie die Ausplünderung des afrikanischen Kontinents fortsetzen können. Man muss sich zudem klar machen, dass die Schulden, die von den G8 Staaten erlassen werden sollen, ohnehin niemals bezahlt werden könnten, und sie daher mit diesem Schuldenerlass gar nichts verlieren.

Schuldenerlass und Finanzspritzen werden nur dazu benützt, die Länder weiter in die Knie zu zwingen. Das Ziel ist, durch neue Kredite die Fesseln noch enger zu schnüren und die Regierungen zu zwingen, die Bedingungen der internationalen Finanzinstitutionen zu akzeptieren. Wenn die Bekämpfung der Armut auch vielleicht das Ziel mancher Leute ist, die in diesen internationalen Banken arbeiten, so ist es nicht das Ziel dieser Institutionen selbst. Ihre Aufgabe ist, die Vorherrschaft des US-amerikanischen und des europäischen Kapitals zu sichern. Armutsbekämpfung ist nur das neue Wort für die bereits bekannten Strukturanpassungsprogramme, die sich so katastrophal auf die Mehrheit der afrikanischen Länder ausgewirkt haben. Im Ausgleich für Kredite durch den Internationalen Währungsfonds mussten öffentliche Ausgaben für Ausbildung, Gesundheitsvorsorge und Sozialleistungen eingeschränkt und öffentliche Betriebe privatisiert werden.

Entwicklungshilfe – wer hilft wem?

Die Verstärkung der Entwicklungshilfe wird als die einzige Hoffnung auf Entwicklung für die armen Länder präsentiert. Hilfe für Afrika gibt es schon seit den Missionaren, trotzdem wurden die Menschen in Afrika immer ärmer. Um welche Art von Hilfe handelt es sich dabei? Wenn es auch sinnvolle Projekte gibt, mit denen die Menschen durch die Vermittlung von Know-how zur Selbsthilfe ermächtigt werden, so ist doch der allergrößte Teil aller Entwicklungshilfegelder verbunden mit Handelsabkommen, die die Empfängerländer zwingen, Produkte aus den Geberländern abzunehmen.

Entwicklungshilfe und Hilfsprogramme sind eine Industrie, die oft durch NGOs organisiert wird, aber nicht viel mit der Ausmerzung des Hungers und seiner Ursachen zu tun haben. In diesen Institutionen und Organisationen arbeiten Tausende, die alle ihren Job verlören, sollte es ihnen tatsächlich gelingen, den Hunger abzuschaffen. Das Geld landet dann oft in den Taschen korrupter Politiker, erlaubt Diktatoren, Waffen zu kaufen und schädigt zudem die fragilen einheimischen Märkte. Nachdem ein Getreideüberschuss der USA Anfang der 1980er Jahre nach Somalia gepumpt wurde, hat diese „Hungerhilfe“ fast die ganze lokale Landwirtschaft in den Ruin getrieben und den Grundstein für weitere Hungersnöte und Abhängigkeiten gelegt, während der Schwarzmarkt mit Waffen und Nahrungsmittel aufblühte.

Ausländische Investitionen und Monopole

Nur wenige afrikanische Länder südlich der Sahara sind wie Südafrika voll in den Weltmarkt integriert, die meisten sind vom Rohstoffexport abhängig. Die kolonialen Abhängigkeiten blieben bestehen und der Rohstoffhandel wird nach wie vor von den mächtigen Wirtschaftsmonopolen kontrolliert, die ihren Sitz in den reichen Ländern haben. Ausländische Investitionen, die in Afrika in Holz, Bergbau, Elektrizität und andere natürliche Ressourcen gesteckt wurden, haben die höchsten Rückflussraten der Welt.

„Der private Sektor ist der Antrieb für den Wachstum in Afrika“, verkündete Tony Blair. Arme Länder würden „Business Investment“ benötigen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Sollte „Business“ eine Lösung sein oder ist es die Ursache der Probleme? Wenn auch das Kapital, das in diese Länder fließt, eine Entwicklung in manchen Sektoren erlaubt, ist das jedoch meistens nicht die Art von Entwicklung, die von den Massen der Menschen am dringendsten benötigt wird. Was sollten hungernde Menschen mit Computerprogrammen anfangen? Tatsächlich wird durch diese Entwicklung oft die heimische Landwirtschaft und Industrie zerstört und die Erlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit verhindert. Außerdem sind diese Ökonomien verknüpft mit einer Kapitalakkumulation, die große Konzerne und Banken begünstigt, die ihren Sitz in den imperialistischen Ländern haben. Somit wird den unterdrückten Nationen nur erschwert, sich aus dem Würgegriff des internationalen Kapitals zu befreien.

„Wenn wir nicht so reich wären, wäre unser Leben besser“

Dieser Ausspruch, der für alle an Mineral und Erdöl reichen afrikanischen Ländern gilt, ist häufig bei der kongolesischen Bevölkerung zu hören. Die Geschichte des Kongo ist eines der grausamsten Beispiele für die Erbarmungslosigkeit von Kolonialismus und Imperialismus. Als die Europäer das erste Mal dieses sagenhaft reiche Land betraten, nahm der Sklavenhandel völlig andere Dimensionen an, wenn er auch schon vorher existiert hatte. Afrika wurde regelrecht in ein Jagdrevier für schwarze Menschen verwandelt. Der Sklavenhandel ging Hand in Hand mit dem Raub, der Ausplünderung und dem Genozid an der eingeborenen Bevölkerung in den amerikanischen Kolonien und ermöglichte einer handvoll Nationen reich zu werden auf Kosten der Völker der Welt.

Im 20. Jahrhundert wurden mit dem Abbau von Diamanten und Uran große Profite erzielt, die nach Belgien oder generell in den Westen flossen. Daran hat sich auch nach der formalen Unabhängigkeit nichts geändert. In den letzten Jahren hat vor allem der Abbau des Minerals Coltan riesige Gewinne für Sony Playstations, Motorola, Ericson und Nokia gebracht, ebenso für die Firmen, die Coltan in Tantal verarbeiten, das für die Erzeugung von Computern in Amerika, Europa und Japan benötigt wird. Internationale Minengesellschaften nützen die Instabilität und die schwache Position des kongolesischen Staates aus, um riesige Gewinne zu erzielen mit den Rohstoffen, die sie im Kongo erbeuten. Um die Kontrolle der ertragreichsten Abbaugebiete werden blutige Kriege geführt und die Zahl der Toten erreicht in diesen Gebieten fast die Todesrate der Tsunami-Opfer. Die Menschen im Kongo konsumieren das Gold, die Diamanten und das Coltan nicht selbst. Diese Produkte enden in den Banken, Fabriken und Börsen der imperialistischen Länder und machen die Milliardäre immer noch reicher. Die Konzerne haben kein Interesse an Frieden und an einer stabilen Regierung im Kongo.

Der Kongo produziert auch keine modernen Waffen, trotzdem ist das Land voll mit Waffen und Munition. Milliarden Dollars verlassen das Land und hinterlassen Tausende Tote jedes Jahr. Nur eine Bekämpfung des internationalen Waffenhandels könnte den durch Kriege und Diktaturen ausgebluteten Völkern Afrikas helfen. Weder Kredite noch Finanzhilfen, sondern nur Frieden und die Unabhängigkeit von den imperialistischen Monopolen ermöglichen den afrikanischen Nationen, ihre Länder aus eigener Kraft aufzubauen und zu entwickeln. Während das Töten ungehindert weiter geht, beraten die Mächtigen der Welt auf dem G8-Gipfel, wie ihrer Meinung nach die Hilfe für Afrika aussehen sollte. Sind diese Herren nicht in Wahrheit nur die Vertreter der Räuber, die sich an der Ausbeutung der Ressourcen und der Arbeitskraft der afrikanischen Völker bereichern? Auf ihre Hilfe zu warten, wird den Nationen Afrikas nicht helfen, sich aus diesem Netz der Vorherrschaft der reichen Länder zu befreien.

Quelle: A World to Win News Service

erschienen in: Talktogether Nr. 13/2005