G8-Schuldenerlass PDF Drucken E-Mail

Gibt es einen Ausweg aus der Armut?

Was bringt der G8 Schuldenerlass?

„Diese Vorschläge sind genau das Gegenteil von dem, was die G8 den Millionen notleidenden Menschen und AktivistInnen der Schuldenerlass-Kampagne versprochen haben“, bemerkte Stephen Rand, der Führer der Jubilee South Antischulden-Kampagne, voll Bitterkeit. Die G8 Konferenz wurde mit einem Paket von Lügen und Heuchelei beendet. Die Staatschefs der reichsten Länder der Welt beschlossen, die „Dritte Welt“ mit 50 Milliarden Dollar pro Jahr zu unterstützen und die Schulden von 14 afrikanischen Staaten zu streichen. Doch was können 50 Milliarden Dollar schon bewirken, wenn eine Milliarde Menschen in extremer Armut leben mit weniger als einem Dollar pro Tag, und jeder dritte Erdenbürger an Krankheiten leidet, die durch Unterernährung ausgelöst worden sind? Aber selbst wenn sie es wirklich vorhätten, könnten diese Imperialisten nichts tun, um den Menschen in den armen Ländern des Südens zu helfen, solange sie ein globales System verteidigen, das vom kapitalistischen Interesse und seinen Geboten geleitet wird.

Zerstörung der Existenz von Kleinbauern

Ein Beispiel ist die Ruinierung von Millionen Kleinbauern. Schritt für Schritt wird die Landwirtschaft der ganzen Welt in den internationalen kapitalistischen Markt integriert. Kleinbauern werden gezwungen, für den Weltmarkt zu produzieren und sich mit einer voll mechanisierten industriellen Landwirtschaft zu messen. Hunderte Millionen haben durch diesen aussichtslosen Kampf all ihren Besitz verloren und wurden in die anschwellenden Megastädte getrieben – in Arbeitslosigkeit und verzweifelte Hoffnungslosigkeit. Die imperialistischen Mächte aber sehen diese Dynamik als wichtige Quelle für Wachstum und Profite an. China wird heute von 150 Millionen ruinierten Bauern überschwemmt, die in den Städten nach Arbeit suchen. In ihrer Verzweiflung werden sie als die billigsten Arbeitskräfte der Welt ausbeutet und sind somit der Motor des sog. „Wirtschaftswunders“ der kapitalistischen Entwicklung in China.

Wie können wir die Armut bekämpfen?

Stellen wir uns mal vor, transnationale Unternehmen würden von Leuten geleitet, die an „soziale Gerechtigkeit“ glauben. Was würde passieren? Die Unternehmen würden schnell ihren Marktanteil verlieren, weil Mitbewerber dieselben Produkte zu einem niedrigeren Preis produzieren. Sie würden von den „Finanzinstitutionen“ bestraft werden, weil sie ihre Profite nicht maximieren. Entweder würden sie aufgekauft oder umstrukturiert, andernfalls gehen sie unter.

Ein anderes Gedankenexperiment: Was würde passieren, wenn ein Staatschef eines Landes grundlegende Veränderungen in der Weltökonomie vorschlagen würde? Z.B. dass Unternehmen, die in einem Land gegründet wurden, verboten würde, die Produktion in andere Länder zu verlagern, wenn ihnen Steuern oder Löhne zu hoch werden. Solche Gesetze würden Chaos verursachen, die Unternehmen würden abziehen oder in Konkurs gehen, Banken untergehen. Politische Kräfte würden seinen Rücktritt fordern. Denn die Führer unser Welt haben zwar Macht über das Leben und das Schicksal von Millionen Menschen, nicht aber die Macht, um sich gegen die Regeln des kapitalistischen Systems zu stellen.

Nun stellen wir uns mal vor, dass die globale Armut und die Schulden über Nacht verschwunden wären, aber trotzdem die Strukturen, Regierungen und Institutionen des globalen Kapitalismus weiter bestehen. Die Leute würden aufwachen mit Vorratsräumen voll von Essen, ohne Schulden, mit ein paar Ersparnissen, gesicherten Löhnen usw. Unwahrscheinlich? Ja, aber es ist ja nur eine Vorstellung. Was würde passieren? All die kapitalistischen Mechanismen, die Armut und Abhängigkeit verursachen, würden zurückschlagen. Die Kleinbauern würden sich noch immer in Abhängigkeit befinden und Maschinen, Saatgut, und Dünger von ausländischen Konzernen wie Monsanto beziehen. Industrielle Agrarproduzenten würden wieder die Preise herunterdrücken und bald würden die Kinder der Bauern wieder auf den Feldern arbeiten. ArbeiterInnen in den Dritte-Welt-Ländern würden die Fabriken geschlossen vorfinden, weil ihre Löhne nicht mehr niedrig genug sind, um Kapital anzuziehen. Und die Fabrikstore würden erst wieder geöffnet, sobald eine neue Flut von ruinierten Bauern die Löhne wieder gedrückt hätte. Wenn das Kapital noch immer in den dominanten Ländern konzentriert ist, würden für eine weitere Entwicklung wieder Kredite und Investitionen von den reichen Ländern oder den globalen Banken benötigt werden.

Kurz gesagt: Die Mechanismen des kapitalistischen Systems würden die Armut sehr schnell wieder zurückbringen. Und das geschieht schneller, als man es sich vorstellen kann. In Indonesien hat 1997 eine Krise 20 Millionen Menschen in die Armut getrieben, Mexiko wurde 1994 von einer Krise erschüttert, Südostasien 1998, und wir erinnern uns noch gut an die Krise in Argentinien 2000, welche zu einer mörderischen Spirale von Schulden, Entbehrung und Verarmung geführt hat.

Die Welt verändern?

Wenn wir empört sind über die Ungerechtigkeit und handeln wollen, müssen wir einen Schritt weiter gehen, als um Schuldenerlass oder Finanzhilfen bitten. Wir müssen eine Strategie entwickeln, um die Ursachen von Ausbeutung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit auszurotten und eine ausgeglichene, ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung in Industrie und Landwirtschaft, die auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist, schaffen. Doch um das zu erreichen, müssen die kapitalistischen Rahmenbedingungen gebrochen werden. Nur dann werden die Unterdrückten die Möglichkeit haben, die Richtung der Gesellschaft so zu gestalten, dass Ausbeutung und Unterdrückung beendet werden können. Nur dann können Leistung, Kraft und Entschlossenheit der Menschen mobilisiert werden, um gemeinsam die Probleme zu lösen, unter denen so viele Menschen leiden.

Quelle: Aworldtowin Newsservice

erschienen in: Talktogether Nr. 14/2005

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