Jasmin und Osama: Eine Liebe kämpft gegen die Mauern von Annette Klasing, Bethlehem, 25. März 06 Vieles ist (nicht nur von mir) in den letzten Monaten über die Auswirkungen der Mauer auf die Menschen in Bethlehem und der ganzen Westbank an FreundInnen und KollegInnen in Deutschland geschrieben worden. Immer wieder versuchen wir, die wir hier leben und arbeiten, zu bebildern und zu beschreiben, was es heißt, eingemauert zu sein und nur noch einen äußerst begrenzten Bewegungsradius zu haben. Seit einigen Wochen ist es nun auch PalästinenserInnen verboten, Strassen, die Westbankstädte miteinander verbinden, zu benutzen (z.B. die Strasse von Bethlehem nach Hebron oder nach Ramallah). Welche persönlichen „Geschichten“ sich hinter all den Nachrichten verbergen, bekommen wir jedoch selten mit. Eine sehr ungewöhnliche Liebe mit all ihren tragischen Folgen hat nun auch in Israel die Öffentlichkeit erreicht: seit zwei Jahren schon sind die jüdische Israelin Jasmin und der Palästinenser Osama aus Ramallah, beide 25 Jahre alt, ein Paar. Gegen alle Mauern und „Grenzen in den Köpfen der Menschen“ kämpfen sie darum, zusammen leben zu können. Osama darf Israel nicht betreten – Jasmin wurde nun auch die ‚Einreise’ nach Ramallah verweigert. Israelis ist es unter Androhung von hohen Geldstrafen verboten, die Westbank zu betreten. Man kann sich kaum ausmalen, welche (heimlichen) Wege beide ausprobiert haben, sich zu treffen. Manchmal bleibt nur der Treffpunkt „Checkpoint Qalandiyah“. Der Fall ist bis zum Obersten Gerichtshof gegangen: Menschenrechtsgruppen hatten gegen das restriktive neue „Familienzusammenführungsgesetz“ geklagt, welches Palästinensern verbietet, bei einer Heirat mit einer Israelin zusammen in Israel zu leben. Der Kommentar von Mishael Cheshin (Vorsitzender des Gerichtshofes) zur Petition war: „Bei allem Respekt vor einer Romanze – wer einen Palästinenser heiraten will, soll doch in Jenin leben“. Doch nun ist Jasmin auch noch der Zugang nach Ramallah versperrt. Kennengelernt hatten sich die beiden in einer Tierklinik, die sich in Atarot (zwischen Jerusalem und Ramallah) befindet. Jasmin ist in einem Moshav aufgewachsen und ihre Zuneigung gilt den Tieren. Sie sagt, es sei „pikant“, dass ihre Mutter eine ähnliche Familiengeschichte erlebt hat: ihre Großmutter ist eine Christin - geboren und aufgewachsen in Deutschland - ihr Großvater, ein Jude, kam eben wegen der Liebe zu ihrer Großmutter im Nazideutschland ins Gefängnis. Die Großmutter von Jasmin konvertierte daraufhin zum Judentum und emigrierte nach Israel. Jasmin ging wie alle jungen Frauen in Israel zum Militär und fühlte sich dem Staat Israel verbunden – bis vor zwei Jahren. Sie sagt: „In dem Moment, wo meine Entscheidung vom gesellschaftlichen Mainstream abwich, wurde auch ich abgeschoben. Jetzt sollen sie mir doch wenigstens eine Erlaubnis geben, um in Ramallah leben zu können“. Osama, geboren in der Nähe von Ramallah, hatte einige Zeit illegal in Tel Aviv gearbeitet, um Geld für seine Familie zu verdienen. Doch der illegale Aufenthalt in Israel wurde zunehmend gefährlicher und er entschied sich zurückzukehren und dort nach Arbeit zu suchen. Eines Tages, so erzählt er, sei er auf dem Weg nach Haus am Checkpoint aufgehalten worden: ein Bekannter war gerade festgenommen worden. Er habe mit seinen Hebräischkenntnissen im Gespräch mit den Soldaten vermitteln wollen. Die Konsequenz: ein Soldat zielte mit dem Gewehr auf ihn, er lief weg, fiel hin – die Soldaten nahmen ihn fest. Im anschließenden Gerichtsverfahren gegen ihn erhielt er ein Jahr Gefängnisstrafe. Er verbrachte drei Monate in Meggido (berühmt-berüchtigtes Gefängnis in Israel) – wieder wurde er danach in den Gerichtssaal geführt und verhört. Weitere 15 Tage Gefängnis folgten. Ohne Angabe von Gründen wurde er verhaftet – und nach 15 Tagen wieder freigelassen. Der Anwalt sagte, die Gefängnisstrafe sei wegen fehlendem Permit verhängt worden – die vorzeitige Freilassung, weil er mit der „illegalen“ Arbeit seine Familie hatte ernähren wollen. Nach dieser ganzen Tortur fing seine Arbeitssuche von vorn an und er fragte in der Tierklinik in Atarot an, wo er auf Jasmin traf. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und hatten ebenso viel Freude aneinander wie an der Arbeit mit den Tieren. Jasmin übernachtete häufig in der Klinik und beide verliebten sich ineinander. Im ersten Jahr ihrer gemeinsamen Arbeit und Liebe sahen sie die Mauer in rasender Geschwindigkeit entstehen. Ihnen wurde nun deutlich, dass die Zeit rannte – denn mit Fertigstellung der Mauer würde Atarot von Ramallah getrennt sein. Die beiden beschlossen zu heiraten. Jasmin erzählt: „Eines freitags hab ich Osama vorgeschlagen zu heiraten. Wir organisierten einen Anwalt und einen Kadi, der Hochzeiten vornimmt (Muslimischer Geistlicher). Wir hatten keine Ahnung, wie eine Hochzeit funktioniert. Der Kadi kam sonntags zur Tierklinik und wollte draussen vor der Tür die Zeremonie vornehmen. Das ganze Szenario war schockierend“. Osama stoppte in dem Moment einen ihm bekannten Taxifahrer, der zufällig vorbeifuhr und fragte ihn, ob er bereit sei, die Hochzeitszeremonie in seinem Haus zuzulassen. Der Zufall wollte es, dass der Kadi auch ihn und seine Brüder getraut hatte. Das sei Schicksal gewesen. Jasmin sagt, sie sei voll mit dieser Entscheidung im Einklang. Ihre Eltern wussten bis vor kurzem nichts von dieser Heirat. Sie sagt: „Ich respektiere den Islam ebenso wie ich das Judentum respektiere. Es gibt viele Dinge, die mich an jeder Religion interessieren. Auf der anderen Seite habe ich meine Beziehung zum Ort, dort wo ich herkomme - aber diese Beziehung ist nicht zwangsläufig an die Religion gebunden“. Nach der heimlichen Hochzeit kam erneut die harte Realität auf die beiden zu: sie wollten sich ein paar Tage Urlaub gönnen – und wurden prompt von der Tierklinik gefeuert, als diese von der Heirat und ihren gemeinsamen Urlaubstagen erfuhren. Jasmin schrieb erst danach ihren Eltern einen Brief, in dem sie sich offenbarte. Ihre Eltern nahmen sie und Osama mit offenen Armen in die Familie auf (die parallele Familiengeschichte ihrer Mutter spielte dabei sicher eine große Rolle). Beide nahmen erneut einen Anlauf, um auch in Israel ihre Ehe legalisieren zu lassen. Der ihnen mittlerweile vertraute Anwalt übernahm das Verfahren mit dem Ziel, die „Familienzusammenführung“ zu erreichen und somit Osama auch legal den Aufenthalt in Israel zu ermöglichen. Das israelische Innenministerium lehnte die Anerkennung der Heirat ab. Nun versuchten sie es mit einer Wiederholung der Heirat auf Zypern: diesen Weg nehmen jährlich viele säkulare Israelis. Osama reiste über Jordanien nach Zypern und Jasmin über Tel Aviv. Auch die Rückreise nach der Zeremonie auf Zypern mussten beide getrennt vornehmen: Osama wartete zunächst 6 Stunden an der Allenby Bridge in Jericho; er telefonierte mit Jasmin in hebräischer Sprache und wurde dann vom Geheimdienst prompt wieder verhaftet. Nach einigen Stunden wurde er freigelassen – jedoch ohne seinen Pass und seinen Ehering mitnehmen zu dürfen. Jasmin hatte unterdessen bereits die Heiratsdokumente aus Zypern zum Innenministerium gebracht, um erneut die Anerkennung zu beantragen. Nun hatten sich auch ihre Eltern eingeschaltet und schrieben einen Brief ans Ministerium: „Niemals in meinem Leben hätte ich mir vorstellen können, beim Ministerium das Recht auf Liebe und Leben beantragen zu müssen“, schrieb ihr Vater. Alles was sie erhielten, war ein Stück Papier, auf dem geschrieben stand, dass die Beantragung abgelehnt wurde und der Partner umgehend Israel zu verlassen hätte – sollte er sich noch im Land befinden. Jasmin sagt, dass sie auch eine Auswanderung ins Ausland in Erwägung gezogen hätten, aber sie feststellen mussten, dass kaum ein Land die Visa erteilen würde, wenn nicht die Heiratsurkunde durch Israel anerkannt würde. Ein Teufelskreis. Dann wieder erneut die Überlegung, nach Ramallah zu gehen und Jasmins Versuch, eine Permit zu erhalten: die Militärbehörden lehnten ab. Jasmin sagt: „Alles, was ich will, ist so zu leben, wie ich erzogen worden bin: meine Eltern haben mich gelehrt, dass es keine Unterschiede zwischen Juden, Christen und Muslimen gibt – bzw. die Unterschiedlichkeiten zwischen uns Menschen uns bereichern. Ich bin mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen groß geworden. Doch jetzt wird unser Leben in den Schmutz gezogen und wir dürfen nicht so leben wie wir möchten. Ich bin nun müde geworden vom Kämpfen. Ich habe dieses Land einmal geliebt und habe meinen Beitrag zur gesellschaftlichen Veränderung geleistet. Aber jetzt muss ich abwägen zwischen dem Sterben auf Barrikaden und dem Versuch zu überleben“. Seit vier Wochen nun gehen weitere Schreiben zwischen dem Anwalt, den Militärbehörden und den Zivilverwaltungen hin und her. Ein Militärsprecher fühlte sich offenbar eher bemüßigt, einem Journalisten der Haaretz zu antworten denn dem Anwalt und den Antragstellern selbst. Die Zeitung zitiert dieses Wochenende einen Militärsprecher, der nun zumindest bestätigt, dass der Antrag noch einmal geprüft wird. Auf diese Zusage warten aber bis zum heutigen Tag der Anwalt und die beiden Betroffenen. „Wer weiß, vielleicht wird eines Tages ja in unseren ID’s vermerkt sein, dass wir verheiratet sind“. Quelle: Haaretz vom 24. März 2006 erschienen in: Talktogether Nr. 16/2006
|