Der 1. Mai: 120 Jahre Kampf für die Rechte der Arbeiterklasse PDF Drucken E-Mail

Der Erste Mai

120 Jahre Kampf für die Rechte der Arbeiterklasse

Vor 120 Jahren kämpften die amerikanischen Arbeiter für den 8-Stunden-Arbeitstag, vier Jahre später wurde der Erste Mai zum Internationalen Kampftag der Arbeiterklasse ausgerufen. Heute sind die europäischen Arbeiter mit der Aushöhlung der Rechte, die sie einst unter großen Opfern erkämpft haben, mit Arbeitszeitverlängerung, Lohnkürzungen und massivem Sozialabbau, konfrontiert. Die Lohnabhängigen leiden unter der Angst, den Job zu verlieren, SchülerInnen unter dem Leistungsdruck, LehrerInnen unter den Einsparungen. Für immer mehr Menschen gibt es keine Entschädigungen für ihre täglichen Opfer, weil für sie Mittelklassewagen, Bausparvertrag, Urlaub oder Privatpension unerschwinglich sind.

Nur gemeinsam sind wir stark!

Weil die Arbeiter nur etwas erreichen können, wenn sie einig sind und sich organisieren, wurden vor über 100 Jahren die Gewerkschaften gegründet. Von ihrem Ziel, die Interessen der ArbeiterInnen zu verteidigen, haben sie sich jedoch im Laufe der Zeit weit entfernt, und heute hat man den Eindruck, dass der ÖGB immer mehr die Selbsterhaltung und –bereichung zum Ziel hat. Obwohl in zahlreichen Betrieben immer mehr reguläre Posten abgebaut und durch Leiharbeiter ersetzt werden, werden die Existenzängste der MitarbeiterInnen ignoriert und nur halbherzige Protestmaßnahmen in Angriff genommen. Im Jänner 2006 verlor ein Arbeiter im Verteilerzentrum in Linz wegen eines Flugblattes gegen den Börsengang der Post seinen Job. Er hatte die Berichte über Streiks bei der Post ernst genommen und ein Plakat aufgehängt, just am selben Tag, als der Hallenleiter vor der Belegschaft eine Rede über die angeblichen Vorteile der Postprivatisierung halten sollte. Zu seinem Pech war dieser Arbeiter über eine Leasingfirma angestellt. Neben der schlechteren Bezahlung und Dienst auf Abruf haben LeiharbeiterInnen auch den Nachteil, nicht durch den Betriebsrat vertreten zu werden. Leider fehlte es auch an der Solidarität der KollegInnen, die aus Angst um den Arbeitsplatz nicht wagten, ihrem Kollegen beizustehen. Auch auf die Unterstützung von der Gewerkschaft hat dieser Kollege vergeblich gewartet. Es ist also kein Wunder, dass sich viele Menschen von der Gewerkschaft im Stich gelassen fühlen und mit Austritt reagieren. Weil sie Arbeiter jedoch ohne Organisation der Ausbeutung macht- und schutzlos gegenüberstehen, können sie auf freie Gewerkschaften nicht verzichten. Daher ist es dringend nötig, für eine Erneuerung und Demokratisierung in den Gewerkschaften zu kämpfen.

Was bedeutet der Erste Mai?

Der Erste Mai soll uns daran erinnern, dass wir nur mit Einigkeit und Geschlossenheit etwas erreichen können. Um eine Einigkeit der Lohnabhängigen zu verhindern, versuchen rechtsgerichtete Politiker, die Einheimischen gegen die EinwanderInnen aufhetzen. Viele erkennen nicht, dass die Diskriminierung von Menschen ohne EU-Pass sich letztlich auch gegen sie selbst richtet. Viele der Haymarket-Arbeiterführer waren Einwanderer, die ihre kämpferischen Traditionen aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Wir sollten uns nicht spalten lassen und die Chance erkennen, dass auch heute EinwanderInnen mit ihren Erfahrungen frischen Wind in die Arbeiterbewegung bringen könnten.

Der Erste Mai ist untrennbar mit dem Kampf für Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhung verbunden. Er ist ein Tag der Solidarität der Arbeiterklasse mit ihren kämpfenden KollegInnen auf der ganzen Welt. Doch wenn der Kampf erfolgreich sein soll, darf sich die Kampftaktik nicht darauf beschränken, Verschlechterungen hinauszuzögern. Der Kampf für die Rechte der Arbeiterklasse darf die Perspektive auf eine andere, eine gerechtere Gesellschaft nicht aus den Augen verlieren, eine Gesellschaft, die nicht Profite, sondern die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellt.

 


Chronik des Ersten Mai

1. Mai 1886: Chicago: Die Arbeiter der McCormick-Werke streiken seit Februar. Die Gewerkschaften der USA rufen dazu auf, am 1. Mai 1886 mit einem Generalstreik für den 8-Stunden-Tag zu kämpfen. 400.000 Arbeiter aus 11.000 Betrieben folgen dem Aufruf. Allein in Chicago schließen sich 40.000 Arbeiter den Kollegen der McCormick-Werke an und streiken. Am 1. Mai 1886 halten die McCormick-Arbeiter eine Kundgebung ab. Mit Revolverschüssen und Schlagstöcken geht die Polizei gegen die Streikenden vor. Mindestens ein Arbeiter wird getötet, viele werden zum Teil schwer verletzt. Daraufhin wird zu einer Protestkundgebung am Haymarket aufgerufen. Die Polizei greift erneut an, eine Bombe explodiert. Es gibt Hunderte Verletzte und einige Tote, darunter ein Polizist. Die Arbeiterführer August Spies, Albert Parsons, George Engel und Adolph Fischer werden ohne jegliche Beweise beschuldigt, hinter dem Bombenanschlag zu stehen, zum Tode verurteilt und am 11. November 1886 hingerichtet.

18 Juni 1889: Paris: Die Delegierten der Sozialdemokratischen Arbeiterparteien der ganzen Welt treffen in Paris zusammen und beschließen, den Ersten Mai als internationalen Kampftag der Arbeiterklasse zu feiern.

1. Mai 1890: Wien: Erstmals feiern die Arbeiter der Welt ihren Feiertag. In vielen Ländern demonstrieren die Arbeiter für den Acht-Stunden-Tag. In Österreich ist die Beteiligung besonders eindrucksvoll und wird mit Festen im Grünen verbunden. Friedrich Engels schreibt: „Freund und Feind sind sich einig darüber, dass auf dem ganzen Festland in Österreich, und in Österreich in Wien, der Festtag des Proletariats am glänzendsten und würdigsten begangen wurde.“

1. Mai 1919: Österreich: Der 1. Mai wird in Österreich zum Feiertag. Am 25. April 1919 erklärt die Nationalversammlung den 1. Mai zum allgemeinen Ruhe- und Festtag. Der "Rebellensonntag" ist zum Staatsfeiertag geworden.

1. Mai 1929: Berlin: Dieser 1. Mai geht als „Blutmai“ in die Geschichte ein. Durch die Weltwirtschaftskrise sind Massen von Arbeitern beschäftigungslos geworden. In dieser Situation verbietet die Berliner SPD-Regierung den Maiaufmarsch. Trotzdem wird zur Mai-Demon­stration aufgerufen. Die Polizei geht mit Maschinengewehren gegen die Demonstranten vor. Im Wedding und in Neukölln errichten die Arbeiter Barrikaden. Die Folge: 33 Arbeiter werden getötet, Hunderte verwundet, 1200 Arbeiter verhaftet.

1. Mai 1933: Österreich: 1933 bringt die Regierung Dollfuß das Ende der Maifeiern in ihrer bisherigen Form und ihre traditionellen Inhalte: Sie verbietet unter Gewaltandrohung jede Straßendemonstration. Trotzdem ist das Wiener Stadion bei einer Massenkundgebung bis zum letzten Platz gefüllt.

1. Mai 1933: Deutschland: Nach der Machtübernahme greifen die Nationalsozialisten die revolutionären Traditionen der Arbeiterklasse auf, um auf die Massen Einfluss zu gewinnen der 1. Mai wird zum „Tag der deutschen Arbeit“ umfunktioniert. Es gibt aber weiterhin illegale Maikundgebungen.

1. Mai 1945: Wien: Erste Maidemonstrationen in Wien nach dem Ende des Faschismus. Ein Aufmarsch auf der Ringstraße ist noch nicht möglich, die Feiern finden in den Bezirken statt. Anhänger der Sozialdemokraten, der Kommunisten aber auch der Volkspartei nehmen teil.

1. Mai 1987: Berlin: In Berlin, Kreuzberg, findet jedes Jahr ein revolutionärer Maiaufmarsch statt. Seit 1992 kommt es fast jedes Jahr zu Auseinandersetzungen mit Neo-Nazis. Zahlreiche Antifaschisten versuchen die Naziaufmärsche zu verhindern, die jedes Jahr größer und von der Polizei geschützt werden.

erschienen in: Talktogether Nr. 16/2006