Somalia: Nabad iyo Caano la’aan
Weder Frieden noch Milch, aber trotzdem Hoffnung
„Nabad iyo Caano“, „Frieden und Milch“ sagt man in Somalia, wenn man jemanden alles Gute wünscht. Doch weder Milch noch Frieden haben die Menschen in Somalia in den letzten zwanzig Jahren bekommen. Nach der Unabhängigkeit hatte die somalische Bevölkerung geglaubt, sie hätte das Schlimmste hinter sich, und hoffte auf Freiheit. Aber nach den Kolonialherren bekamen sie Clanchefs als Präsidenten, und danach einen Diktator. Als sie alle gestürzt waren, die Kolonialherren, die Clanchefs und der Diktator, bekamen sie einen endlosen Krieg. Die Krieg führenden Clanchefs lehnten Frieden und ein friedliches Zusammenleben ab und bevorzugten es, die Bevölkerung zu terrorisieren und Geld aus dem Ausland zu kassieren. Während sich der Machtkampf nach dem Sturz Siad Barres auf die Parteien um Aidid und seinen Gegenspieler Ali Mahdi konzentrierte, bildeten sich mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr Fraktionen, die allesamt ihre eigenen Interessen verfolgten und ständig Unruhe vor allem im Gebiet um Mogadischu schürten. Sie errichteten Militärbasen an Stadtrand und kontrollierten eigene Stadtteile, wo sie Steuern einsammelten.
Auf Initiative von IGAD, einer Vereinigung ostafrikanischer Staaten, sollte ein Friedensprozess eingeleitet werden. Um dem Chaos ein Ende zu machen, setzte IGAD eine Regierung ein. Mit Unterstützung von Äthiopiens Regierung wurde der Kriegsverbrecher Abdullahi Yusuf zum Präsidenten ernannt, die Ministerposten teilten sich die anderen Warlords untereinander auf. Sollte es Kriegstreibern gelingen, einen stabilen Frieden aufzubauen? Das Problem war, dass Abdullahi Yussuf seinen Ministern nicht vertrauen konnte, und er deshalb den Schutz ausländischer – genauer gesagt äthiopischer Truppen anforderte, um in die Hauptstadt einzuziehen. Es fiel ihm aber nicht leicht, dies durchzusetzen, da es in der Vergangenheit mehrmals zu Grenzkonflikten zwischen den beiden Nachbarstaaten gekommen war.
Als sich die Warlords in Nairobi aufhielten, verbesserte sich die Sicherheitslage in Mogadischu deutlich, was auf die Aktivitäten der islamischen Gerichtshöfe zurückzuführen war. Wer steckt hinter diesen islamischen Gerichtshöfen? Da Somalia seit mehr als 20 Jahren wirtschaftlich und politisch auf den Boden gesunken war, ist es für mit der Situation in Somalia nicht Vertraute kaum vorstellbar, dass diese aus dem eigenen Land finanziert werden konnten. Doch tatsächlich liefen die Geschäfte während des ganzen Krieges weiter. Trotz dass der internationale Flughafen und der internationale Hafen geschlossen waren, errichteten die mächtigsten Clanchefs ihre eigenen kleinen Flughäfen, und auf dem langen Strand von Somalia landeten täglich Schiffe mit Handelswaren aus Europa, Asien und Arabien. Von Zucker aus Brasilien bis zu Holz aus der Steiermark war in Mogadischu alles für Bargeld erhältlich. Es sah so aus, als ob Somalia gar keine Regierung und kein politisches System brauche. Es gab keine Steuer, keine Verwaltung und keine Polizei, die Gewinne flossen in die Taschen der Geschäftsleute und der islamischen Führer. Der Rest der Bevölkerung versuchte mit dem zu überleben, was ihnen Verwandte aus dem Ausland schickten. Die meisten Schulen, die Universität und die Krankenhäuser waren allerdings nur für die diejenigen zugänglich, die Geld hatten und bezahlen konnten.
Woher kamen die islamischen Gerichtshöfe?
Die Mitglieder der islamischen Gerichtshöfe setzten sich hauptsächlich aus Absolventen arabisch finanzierter Schulen zusammen, die eine sehr konservative fundamentalistische Ausrichtung des Islam vertreten. Weil sie von arabischen Hilfsorganisationen unterstützt wurden, bestand von Anfang an der Verdacht, dass sie mit Terroristen in Verbindung stünden. Diese arabischen NGOs konzentrierten sich hauptsächlich auf die Religion und den Bau von Moscheen, ignorierten aber die dringendsten Bedürfnisse und Probleme der Bevölkerung wie z.B. sauberes Trinkwasser, und nützten das Chaos und die Not der Bevölkerung, um den Einfluss fundamentalistischer Strömungen zu verstärken. Sie setzten somalische Scheichs und Koranlehrer als islamische Richter ein. Nach und nach wurden in Mogadischu Gerichtshöfe in jedem Stadtviertel eingerichtet, was ein augenscheinliches Sinken der Verbrechensrate bewirkte.
Nun versuchten die Warlords ohne ihren in Nairobi frisch gewählten „Präsidenten“ auf eigene Faust die Macht zu erlangen und kehrten von Nairobi in ihre Stützpunkte in die somalische Hauptstadt zurück. Das Problem war jedoch, dass sie weder untereinander einig waren, noch einander vertrauten. Die Menschen hatten längst bemerkt, dass von ihnen nichts zu erwarten sei, schon gar nicht ein stabiler Frieden. Schließlich hatten diese Kriegsherren ihre eigenen Familien schon längst ins Ausland gebracht und versteckten sich hinter ihren Milizen. Sie verfolgten nur ihre eigenen Interessen, dass es Tag für Tag neue Tote gab, kümmerte sie nicht.
Nicht nur die Bevölkerung setzte ihre Hoffnungen in die islamischen Kräfte, auch die Geschäftsleute vertrauten ihnen mehr, als den Milizen der Warlords. Um für die nötige Sicherheit zu garantieren, die sie für ihre Geschäfte benötigten, finanzierten sie die „islamischen Gerichtshöfe“, die mit ihren bewaffneten Milizen die Aufgaben von Polizei, Gericht und Verwaltung übernahmen. Alles lief nach Plan für die „Islamischen Gerichte“ und die Geschäftsleute, denn die Scheichs sind Angehörige der mächtigsten Stämme in Mogadischu. Die Geschäftsleute kauften und verkauften, was sie wollen. Sie ließen sogar Geld drucken, so viel und wann sie wollten. Doch die Warlords, die das somalische Volk durch einen Jahrzehnte andauernden Krieg ausgeblutet hatten, gaben ihre Hoffnungen noch immer nicht auf. Sie schlossen sich in einer sog. „Anti-Terror-Allianz“ zusammen. Unter dem Vorwand, die Stadt von den „Terroristen“ säubern zu wollen, bekamen sie große Geldsummen aus den USA. Doch auch dieses Geld nützte ihnen nicht, denn ihre Glaubwürdigkeit hatten sie längst verspielt. Die islamischen Kräfte gingen als Sieger aus diesem Konflikt hervor.
Können Islamisten Somalias Probleme lösen?
erschienen in: Talktogether Nr. 17/2006
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