Geschichte der Sklaverei PDF Drucken E-Mail

Eine Geschichte von

Unterjochung und

Ausbeutung

Die Entdeckung der Gold- und Silberminen auf dem amerikanischen Kontinent, die Ausrottung, Versklavung und Verbannung der eingeborenen Bevölkerung in Bergwerke, die beginnende Eroberung und AusplĂŒnderung von Ostindien sowie die Verwandlung des afrikanischen Kontinents in ein Gehege zur Handelsjagd auf schwarze Menschen, bezeichnen laut Karl Marx die Morgenröte der kapitalistischen ProduktionsĂ€ra. TatsĂ€chlich war bereits wenige Jahrzehnte nach der Entdeckung Amerikas die indigene Bevölkerung so stark dezimiert, dass es ein profitables GeschĂ€ft war, Sklavenschiffe ĂŒber den Atlantik fahren zu lassen. Drei Jahrhunderte lang wurden afrikanische Menschen in die spanischen Kolonien Amerikas, nach Brasilien, in die karibischen Inseln und in die SĂŒdstaaten der USA verschleppt. Mit ihrer Arbeit schufen sie den Reichtum europĂ€ischer Unternehmer und Bankiers.

Die Sklaverei existierte schon lange vor dieser Zeit. Kaum hatte sich das Privateigentum entwickelt, war auch schon die Praktik erfunden, dass ein Mensch der Besitz eines anderen ist und verkauft werden kann wie ein StĂŒck Vieh. Kaum war die Produktion so weit fortgeschritten, dass ein Mensch mehr produzieren konnte, als er fĂŒr seinen eigenen Unterhalt benötigte, wurden Kriegsgefangene als Arbeitssklaven eingesetzt. Die Sklaverei war das vorherrschende System in der Antike – vom alten Ägypten bis ins Römische Reich. In Athen stellten die Sklaven einen höheren Anteil an der Bevölkerung als die freien BĂŒrger, im römischen Reich gab es riesige SklavenmĂ€rkte, wo tĂ€glich an die 10.000 Menschen verkauft wurden. All die großartigen Bauwerke, die uns heute in Erstaunen setzen, wĂ€ren ohne ihr Blut und ihren Schweiß nicht erschaffen worden.

Sklaverei und Kolonialismus

Die große Zeit des transatlantischen Sklavenhandels lag zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert, als in SĂŒdamerika und im SĂŒden der englischen Kolonien Nordamerikas große Zuckerrohr- und Baumwollplantagen entstanden. Millionen AfrikanerInnen wurden gefangen und mit Peitschenhieben oft Hunderte Kilometer weit in die Sklavenforts an der westafrikanischen KĂŒste getrieben, wo sie untersucht, nackt in KĂ€fige gesperrt und die Frauen vergewaltigt wurden. Zwei von fĂŒnf Personen ĂŒberlebten die TodesmĂ€rsche nicht. In einem Bericht beschreibt der britische Afrikaforscher Mungo Park, wie eine Frau, die wĂ€hrend des Marsches zur KĂŒste erkrankte und nicht mehr gehen konnte, zurĂŒckgelassen wurde, um zu sterben. Ein anderer Bericht erzĂ€hlt von einem katholischen Bischof im Kongo, der auf einem Elfenbeinstuhl sitzend Sklaven taufte, bevor sie in Ketten auf die Schiffe verladen wurden.

Um möglichst hohen Profit aus den Transporten ĂŒber den Atlantik zu schlagen, zogen die SklavenhĂ€ndler Zwischendecks in den Schiffsrumpf ein. Beispielsweise konnte das Sklavenschiff "Henrietta Marie" auf einer einzigen Passage bis zu 400 schwarze Sklaven befördern, die auf zwei Decks eingepfercht waren und die wochenlange Passage angekettet auf gerade einmal einem halben Quadratmeter verbrachten. Die unbeschreiblich unhygienischen ZustĂ€nde und die kargen Wasser- und Nahrungsrationen fĂŒhrten zu einer enorm hohen Todesrate, die Verstorbenen wurden einfach ins Meer geworfen. Durch öffentliche Exekutionen und Auspeitschungen versuchte man die Menschen einzuschĂŒchtern. Der KapitĂ€n eines Sklavenschiffs schrieb: „Wir ketten die MĂ€nner aneinander, wenn wir an einem Hafen anlegen, damit sie nicht zu flĂŒchten versuchen, wenn sie Land sehen“. Trotzdem kam es hĂ€ufig zu Rebellionen, ein Beispiel liefert die durch Spielbergs Film bekannt gewordene Meuterei auf dem spanischen SklavenhĂ€ndlerschiff „La Amistad“ im Jahr 1839.


Sklavenschiff. Foto: Andrew Hull Foote, Public domain

WĂ€hrend die Arbeitskraft der afrikanischen Sklaven anfĂ€nglich hauptsĂ€chlich in der Landwirtschaft eingesetzt wurde, fĂŒhrte die EinfĂŒhrung der Dampfmaschinen in der Zucker- und Baumwollverarbeitung zu einer völlig neuen Form der Sklaverei. Je mehr die Maschinen im Zuge des technischen Fortschritts verarbeiten konnten, desto hĂ€rter wurde die Arbeit, desto schneller das Tempo und desto massenhafter der Sklaveneinsatz. Besonders nach dem Einfuhrverbot fĂŒr Sklaven wurden regelrechte “Aufzuchtprogramme“ entwickelt, um den fehlenden Nachschub aus Afrika mit Sklavenkindern zu ersetzen.

Infolge der unmenschlichen Arbeitsbedingungen nahmen die Ende des 18. und zu Beginn der 19. Jahrhunderts zu, Beispiele sind die Sklavenrebellionen in Haiti und Kuba sowie der von Nat Turner angefĂŒhrte Sklavenaufstand in den USA. Trotz barbarischer Strafen flĂŒchteten die Sklaven immer wieder in unwegsame WĂ€lder. Trupps von SklavenjĂ€gern mit speziell abgerichteten Hunden wurden ausgeschickt, um sie aufzuspĂŒren. Wurden sie abscheuliche Weise.

Im 19. Jahrhundert formierten sich in Europa und den USA breite Bewegungen zur Abschaffung dieses menschenverachtenden Systems, das schließlich nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Hinzu kam, dass die neuen Industrien keine Sklaven mehr benötigten. Vor den Fabriktoren scharten sich hungrige MĂ€nner, Frauen und Kinder, die freiwillig ihre Arbeitskraft zum Verkauf anboten. Auch die befreiten Sklaven wurden nun zu Lohnarbeitern, was ihre soziale Lage jedoch nicht verbesserte. WĂ€hrend sie bis dahin auch in den Produktions-Ruhezeiten am Leben erhalten wurden, setzte ĂŒberließ man sie nun bei Arbeitsmangel dem Hunger.

Die Knechtung der afrikanischen Menschen war mit dem Verbot der Sklaverei in den amerikanischen Kolonien nicht beendet. Am Ende des 19. Jahrhunderts war fast ganz Afrika von den europĂ€ischen KolonialmĂ€chten erobert, nur ins Innere des Kontinents waren sie noch nicht vorgedrungen. Der belgische König Leopold II. hatte deshalb den Forscher und Abenteurer Stanley, von den Afrikanern wegen seiner RĂŒcksichtslosigkeit „Bula Matari“ (Steinebrecher) genannt, ausgeschickt, um auf den Spuren der arabischen SklavenhĂ€ndler aus Sansibar das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen. In Zusammenarbeit mit dem berĂŒchtigten SklavenhĂ€ndler „Tippu Tip“ gelang es ihm, das unwegsame Land zu erschließen.

Auf der Afrika-Konferenz 1885 in Berlin teilten die KolonialmĂ€chte den Kontinent unter sich auf, und König Leopold wurde als Herrscher des Kongo eingesetzt. Damit war das wohl grausamste Kapitel der europĂ€ischen Kolonialgeschichte eingeleitet. Um der nach der Erfindung des Gummireifens stĂ€ndig wachsenden Nachfrage an Kautschuk nachzukommen, verwandelte König Leopold das ganze Land in ein Arbeitslager. Seine Truppen ĂŒberfielen Dörfer und zwangen die Einwohner, riesige Mengen Kautschuk zu sammeln; wenn sie die geforderte Menge nicht schafften, wurden ihre Dörfer niedergebrannt. Wer sich wehrte, wurde getötet, brutal misshandelt oder grausam verstĂŒmmelt. In nur vierzig Jahren wurde auf diese Weise die HĂ€lfte der Bevölkerung des Kongo ausgerottet. Die Schiffe verließen den Kongo vollgepackt mit Elfenbein und Kautschuk, auf dem RĂŒckweg wurden sie mit Waffen und Munition beladen.

Das Erbe von Sklaverei und Kolonialismus

Die Wunden aus der Zeit des Sklavenhandels sind noch lange nicht verheilt. Der Raub der jungen, krĂ€ftigen und arbeitsfĂ€higen Bevölkerung behinderte die wirtschaftliche Entwicklung, die UnterdrĂŒckung und Bevormundung durch die Kolonialherren hemmten die eigenstĂ€ndige kulturelle Entwicklung der afrikanischen Völker. Mit Sklaverei und Kolonialismus wurden die Grundsteine fĂŒr den Rassismus gesetzt. Auch nach der Abschaffung der Sklaverei und der UnabhĂ€ngigkeit der afrikanischen Staaten sind Menschen mit dunkler Hautfarbe noch immer benachteiligt und diskriminiert. Der afrikanische Kontinent ist weiterhin ein Spielball der ökonomischen und politischen Interessen der imperialistischen MĂ€chte geblieben. Wie zu König Leopolds Zeiten werden seine ReichtĂŒmer tĂ€glich in Schiffen, Cargo-Flugzeugen und Pipelines abtransportiert, wĂ€hrend auf umgekehrtem Wege wiederum Waffen und Munition geliefert werden. Im Kampf um die Ausbeutung der Rohstoffe werden blutige Kriege geschĂŒrt, die der durch Hunger, Krankheiten und Unterentwicklung niedergedrĂŒckten Bevölkerung keine Atempause lassen.

Wenn sich auch die Erscheinungsformen Ă€ndern, bleibt die kapitalistische Produktions- und Wirtschaftsweise auf der Ausbeutung der SchwĂ€cheren durch die MĂ€chtigen begrĂŒndet. Wenn heute die Herrscher dieser Welt auf ihren Konferenzen ĂŒber einen „Schuldenerlass“ fĂŒr die afrikanischen LĂ€nder diskutieren, stellt sich die Frage, was die afrikanischen Menschen den imperialistischen Machthabern schulden, oder ob es nicht vielmehr die EuropĂ€er sind, die den Afrikanern die EntschĂ€digung fĂŒr die Jahrhunderte lange Versklavung und Ausbeutung schuldig geblieben sind.

Bild oben: Tor ohne Wiederkehr, Elmina, Ghana. Foto: talktogether

erschienen in: Talktogether Nr. 17/2006