Zu wenig fĂĽr zu viele oder
zu viel fĂĽr wenige?
Wenn die tägliche Mahlzeit unbezahlbar wird
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Aus gelbem Lehm, Salz und etwas Pflanzenfett backen Frauen in Haiti Kekse, mit denen sie ihre Familien über den Tag zu bringen versuchen. Auf dem Markt werden die Lehmkekse für fünf Cents verkauft, manche können sich aber nicht einmal diese ungesunde, meist mit Parasiten und Giften verseuchte Mahlzeit, die schwere Mangelerscheinungen und Verdauungsstörungen hervorruft, leisten. In Haiti, wo die Mehrheit der Menschen weniger als zwei  Dollar täglich zur Verfügung hat, können die meisten richtige Nahrung nicht mehr kaufen. Reis, Bohnen und Obst verteuerten sich im vergangenen Jahr um 50 Prozent. (Herald Bulletin, 25. April, 2008)
Im Februar ging Narendra Totaram Chauhan leise auf sein Baumwollfeld, öffnete eine Flasche mit Pestiziden und trank sie aus. Während der letzten 10 Jahre haben 150.000 indische Bauern Selbstmord begangen - aus Verzweiflung, weil sie ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten. (PC’s from bonanza fail to save dying farmers, 14. März, Reuters)
Um einen Tank mit Biosprit zu füllen, werden 225 kg Mais benötigt. Das sind genug Kalorien, um einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren. (How Biofuels Could Starve the Poor, C. Ford Runge und Benjamin Senauer, Foreign Affairs, 2007)
Preisexplosion und globale Hungerrevolten
Das Jahr 2008 begann mit einer Explosion von Hunger-Aufständen in fast allen Teilen Welt. In Haiti schossen UNO-Blauhelme auf die wütenden Menschen und töteten mindestens fünf von ihnen. Auch in Bangladesh, wo viele ArbeiterInnen nur 25 Dollar monatlich verdienen, der Preis für Reis sich im letzten Jahr aber verdoppelt hat, fanden große Demonstrationen statt, die von der Polizei mit Gewehrsalven aufgelöst wurden. In Kairo wurden bei Protesten zwei Menschen getötet und Hunderte verhaftet. In Phnom Penh, Kambodscha, wo das tägliche Durchschnittseinkommen 50 Cent beträgt und der Preis für ein Kilo Reis auf einen Dollar angestiegen ist, marschierten DemonstrantInnen ins Parlament. In der Elfenbeinküste, wo die Lebensmittelpreise um 30-60 Prozent gestiegen sind, versammelten sich Tausende vor der Villa des Präsidenten und schrieen: „Wir sind hungrig!“ und „Das Leben ist zu teuer, ihr tötet uns!“
Während auch wir in Europa die hohen Lebensmittelpreise schmerzlich spüren, bedeuten die Preissteigerungen jedoch für viele Menschen auf der Welt, dass ihre Teller leer bleiben. Denn wir leben in einer kapitalistischen Welt. Das bedeutet, dass selbst die Produktion von Grundbedürfnissen wie Nahrung nur von einer Kraft getrieben wird, der Profitmaximierung. Wir leben aber auch in einem imperialistischen System. Das heißt, dass eine Handvoll reicher Staaten den Rest des Planeten beherrscht. Und diese Mächte sind es, die diktieren, welche Produkte wo und in welchen Mengen produziert werden.
1. Die Industrialisierung der Landwirtschaft
Durch die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft sind die Bauern immer abhängiger von moderner Technologie und von Energie-Ressourcen geworden, vor allem vom Öl. Vom Saatgut bis zum Verkauf in den Supermärkten ist die Nahrungsmittelproduktion vom Profit gesteuert. Aufgrund der niedrigen Lohnkosten wurden große Teile der Produktion von Exportgütern, sog. „Cash Crops“ in Länder der „Dritten Welt“ ausgelagert. Deshalb exportieren und importieren zahlreiche „Dritte-Welt“-Länder riesige Mengen von Lebensmitteln in und von weit entfernten Regionen der Erde. Das hat die Subsistenzwirtschaft (landwirtschaftliche Produktion zur Selbstversorgung) zurückgedrängt.
Wenn beispielsweise der Reis, von dem sich die Menschen in Mexiko ernähren, von Thailand importiert wird, bewirkt der steigende Ölpreis eine Erhöhung der Lebensmittelpreise, ebenso verhält es sich mit den Kosten für Saatgut, Dünger oder Pflanzenschutzmitteln. Der Anstieg des Ölpreises hat also verursacht, dass die Armen der Welt nicht mehr die Nahrungsmittel kaufen können, die sie benötigen.
2. Strukturanpassungsprogramme
Während der letzten zwei Jahrzehnte zwangen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank zahlreiche Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika zu weitreichenden sog. „Strukturanpassungsprogrammen“. Diese Programme stellen strenge Bedingungen an die Vergabe von Krediten oder die Reduzierung der Zinsen für bestehende Kredite. Diese Programme haben die Regierungen der „Dritten Welt-Länder“ gezwungen, ihre Märkte, ihr Land und andere Ressourcen für die imperialistischen Agro-Konzerne zu öffnen, so auch für Lebensmittelexporteure. Das hat die Masse der Kleinbauern tief verletzt. Außerdem wurden die Regierungen unter Druck gesetzt, Subventionsprogramme für Kleinbauern zu beschneiden und die Produktion von Exportgütern zu fördern. Das hat der traditionellen Subsistenzwirtschaft die Ressourcen entzogen. Das Überangebot und der Preisverfall ihrer Produkte haben dazu geführt, dass viele Bauern, die Kaffee, Spargel oder exotische Blumen für den Export in die reichen Länder anpflanzen, selbst an Mangel- und Unterernährung leiden. Als nun noch die enorme Steigerung der Lebensmittelpreise dazu kam, bedeutet das nicht mehr und nicht weniger, dass sie heute nur mehr halb so viel an Nahrungsmitteln zur Verfügung haben.
In Mexiko beispielsweise wurden auf diese Weise 1,3 Millionen BäuerInnen von ihrem Land vertrieben, weil sie sich und ihre Familien nicht mehr durch die Landwirtschaft ernähren konnten. Diese Menschen strömen nun in die Slums und Shantytowns der Großstädte oder versuchen über die Grenze in die USA zu gelangen, um dort als illegale EinwanderInnen Arbeit zu finden. Es ist eine tödliche Spirale: Die Preise für die importierten Nahrungsmittel steigen in den Himmel, während die Fähigkeit, für den heimischen Markt zu produzieren, zerstört worden ist.
3. Finanzspekulationen mit Nahrungsmitteln
Nahrungsmittel werden von internationalen Hedge-Fonds Spekulanten als das „neue Gold“ gehandelt. Auf dem Rücken der ärmsten Menschen der Welt wird ein Finanz-Roulette gespielt. Spekulanten kaufen, verkaufen und horten riesige Mengen an Nahrung. Manche Händler halten auch Lieferungen zurück in der Hoffnung auf höhere Preise. Solche Spekulationen haben dazu beigetragen, vor allem den Preis für Reis in die Höhe zu treiben. Es gibt sogar Spekulanten, die mit Nahrungsmittelieferungen der Zukunft handeln, das beinhaltet den Kauf und Verkauf von Verträgen für den Verkauf von Waren, die noch nicht einmal produziert wurden.
4. Die Produktion von Biosprit
Die Produktion von Biotreibstoffen aus zuckerreichen Pflanzen wie Mais oder Zuckerrohr ist eine profitable Industrie geworden und beansprucht heute riesige Anbauflächen, die vorher für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung standen. Das führte zu einem dramatischen Anstieg der Mais- und Getreidepreise. Hinzu kommt, dass die Produktion von Biotreibstoffen sich extrem zerstörerisch auf die Umwelt auswirkt. Es wird vorausgesagt, dass die Palmölproduktion in Indonesien um 2020 der Hauptfaktor für das Verschwinden der Regenwaldes sein wird.
Schlussfolgerung:
Es gibt keinen anderen Grund, dass die Nahrung der Menschen auf diese Weise produziert werden muss, als den, dass das kapitalistische System dies verlangt und mithilfe seiner politischen und militärischen Kräfte auf der ganzen Welt durchsetzen will. So stehen wir am Anfang des 21. Jahrhundert einer Hungerkrise auf der ganzen Welt gegenüber und sehen die Hungrigen auf den Straßen, die verzweifelt und wütend ihren täglichen Laib Brot und ihre Schüssel Reisfordern. Hunderte Millionen Menschen weltweit sind bereits mangelernährt, nun sind sie mit Hunger konfrontiert. Das ist nicht nur ein Verbrechen, sondern auch völlig unnötig. Weltweit werden genug Nahrungsmittel produziert, dass alle satt werden könnten. Doch so lange wir es nicht geschafft haben, dem mörderischen Kreislauf zu entrinnen, der nur von der Profitgier angetrieben wird, werden Menschen auch weiterhin gezwungen sein, Lehmkekse zu essen oder aus Verzweiflung Pestizide zu trinken…
Quellen: www.celsias.com, www.revcom.us
erschienen in: Talktogether Nr. 25/2008
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