Gespräch mit Dr. Margit Öppmayr PDF Drucken E-Mail

 Gespräch mit Dr. Margit Öppmayr,

VeBBAS Salzburg

„Ich möchte schon festhalten, dass nicht alle MigrantInnen ‚defizitäre Mängelwesen’ sind, die unserer Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltags bedürfen. Es gibt MigrantInnen, die sich durch die angekurbelte Diskussion thematisiert, ja sogar entmündigt fühlen.“

Talk Together: Seit wann gibt es VeBBAS und wer war eure Zielgruppe damals? Habt ihr heute noch die gleiche Zielgruppe?

Margit: VeBBAS ist eine arbeitsmarktpolitische Betreuungseinrichtung und wurde 1986 in Salzburg gegründet. Sie gilt als wichtige und unabhängige Kooperationsstelle und Drehscheibe für die ZuwanderInnen in Salzburg. Die ursprüngliche Intention zielte auf die muttersprachliche Beratung und Betreuung für Personen aus den traditionellen Herkunftsländern wie „Ex-Jugoslawien“ und der Türkei. Mittlerweile bieten wir Hilfestellungen für ZuwanderInnen aus über 50 Ländern, also quer über die Kontinente, an.

In unseren Anfangsjahren kamen etwa 90% aller Personen aus den klassischen Herkunftsländern wie Türkei und „Ex-Jugoslawien“. Rund 60% ArbeitsmigrantInnen stehen heute ca. 40% Personen aus dem Asylbereich (Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und AsylwerberInnen) gegenüber. Die Beratungsstelle steht grundsätzlich ALLEN offen, wir beraten kostenlos und  unparteiisch!

Talk Together: Was sind eure Aufgaben und wie sehen eure Grundsätze aus?

Margit: Unsere Aufgaben sind von den Subventionsgebern klar definiert: oberste Priorität hat die Integration von Nichtbeschäftigten in den Arbeitsmarkt, d.h. Ziel unserer Tätigkeit ist die Beseitigung aller Faktoren, die den Einstieg bzw. Wiedereinstieg in eine Ausbildung, Beruf oder Arbeit erschweren. Da ZuwandererInnen den Zugang zum Arbeitsmarkt aber nur mit einem dementsprechenden Aufenthaltstitel bekommen, bieten wir neben der Hilfestellung im Ausländerbeschäftigungsgesetz und Arbeitslosenversicherungsgesetz auch eine Beratung und  Hilfestellung in Fragen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes an.

Neben den Förderungen vom AMS werden wir vom Land Salzburg finanziell unterstützt. Dadurch wurde das Beratungsangebot ausgeweitet, u.a. auf die Hilfestellung in Angelegenheiten des Staatsbürgerschaftsgesetzes sowie Integrationshilfe für Personen im Asylbereich, hier wird vorwiegend in Kooperation mit dem österreichischen Integrationsfonds Unterstützung bei der Wohnversorgung  geboten. So kann ich stolz berichten, dass schon über 70 Asylberechtigte durch die VeBBAS mit einer günstigen Wohnung versorgt werden konnten.

Talk Together: Integration ist heute zum Schlagwort geworden. Wie würdest du das Wort „ Integration“ definieren?

Margit: Gibt es eine klare Definition für das Wort Integration? 10 Personen würden wahrscheinlich 10 verschiedene Definitionen dafür haben. Für mich bedeutet Integration gleichberechtigter Teil einer Gesamtgesellschaft zu sein.

Talk Together: Wie kann deiner Meinung nach wirkliche Integration erreicht werden?

Margit: Integration kann nicht von oben oktroyiert bzw. angeordnet werden. Sie muss wachsen, vor allem muss Integration dort erfolgen, wo sich menschliche, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Probleme des Zusammenlebens zwischen den Einheimischen und den ZuwanderInnen ergeben. Von oben können nur die Rahmenbedingungen für eine bessere Integration verbessert werden. Wenn aber von Integration gesprochen wird, stellt sich die Frage, über wen sprechen wir? Ich möchte schon festhalten, dass nicht alle MigrantInnen „defizitäre Mängelwesen“ sind, die unserer Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltags bedürfen. Es gibt teilweise MigrantInnen, die sich durch die angekurbelte Diskussion thematisiert, ja sogar entmündigt fühlen. Für diejenigen, die Unterstützung benötigen, habe ich auch kein Patentrezept. Aber ich bin überzeugt, dass Integrationsbereitschaft und -fähigkeit von der Herkunft, vom Bildungsstand und vom sozialen Umfeld abhängig sind.

Talk Together: Viele meinen, dass in Österreich viel über Integration geredet, aber viel zu wenig getan wird. Welche Schritte sollte man deiner Meinung nach in diese Richtung machen?

Margit: In Österreich wird erst seit ein paar Jahren über Integration geredet, das war doch noch vor 10 Jahren überhaupt kein Thema. Die öffentliche Debatte war doch jahrelang durch eine Laissez-faire- und Beschwichtigungspolitik geprägt. Heute erkennt man, dass Zuwanderung auch von Normen- und Wertekonflikten begleitet wird. Ergebnis dieses Umdenkens sind die allerorts geforderten Integrationskonzepte, die aber bestehende Integrationsdefizite auch nicht relativieren werden.

Talk Together: Du bist von hier, deine Klientinnen sind aus verschiedenen Ländern gekommen, du stehst sozusagen in der Mitte. Wenn du nun die Argumente der ÖsterreicherInnen und die deiner Klientinnen vergleichst: Welche Missverständnisse gibt es und wie können sie überwunden werden?

Margit: Ich bin nunmehr seit 20 Jahren in der Beratungsstelle tätig und habe Kontakte zu Personen aus über 50 Ländern. Aufgrund der jahrelangen Tätigkeit wurde ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufgebaut. Dadurch erfahre ich sehr viel, wie es im Innersten der Personen aussieht, welche Probleme sie in Österreich haben und was sie sehr gerne geändert haben wollen. Wichtig ist, die „Anderen“ zu akzeptieren so wie sie sind, um ein Miteinander zu ermöglichen. Ein banales Beispiel, das mir aber sehr gut gefällt, ist die Geschichte einer Familie aus Syrien, die soeben in eine neu errichtete Siedlung gezogen ist. Um sich gegenseitig kennen zulernen wurde ein gemeinsamer Abend mit sämtlichen Hausbewohnern (bunt gemischt) organisiert, zu dem auch tatsächlich alle gekommen sind. Die Idee wurde geboren, nachdem sich die syrische Familie nicht allein mit einem „Grüß Gott“ oder „Guten Morgen“ im Stiegenhaus begnügen wollte. Gegenseitige Hemmschwellen könnten durch Annäherung und Kontaktschließung abgebaut werden, es heißt doch nicht umsonst „durch`s Reden kommen die Leut´ z´samm“.

Talk Together: Es gibt Schulen, in die fast nur ausländische Kinder gehen, während andere hauptsächlich von einheimischen Kindern besucht werden. Sieht das nicht so aus, als ob die Trennung der Kinder von der Politik gewollt ist?

Margit: In den Volksschulen glaube ich nicht, dass die Politik einen Einfluss darauf hat, denn die Stadt ist in Schulsprengel eingeteilt, je nach Wohnsitz muss man die Schule besuchen, die für diesen Sprengel zuständig ist. Man kann aber auch Wünsche für eine bestimmte Schule äußern, hier wäre vielleicht interessant zu überprüfen, nach welchen Kriterien diese Wünsche berücksichtigt werden. Aber, abgesehen davon, muss sich in der Bildungspolitik was ändern, es ist höchst an der Zeit, Gesamtschulen einzuführen.

Talk Together: Andere Vereine, wie auch Talktogether, meinen, dass Räume, in denen Integration stattfinden kann, sehr wichtig wären und von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden sollten. Was hältst du davon?

Margit: Natürlich wäre das eine sehr gute Gelegenheit, Integration praktisch zu leben. Fakt ist doch, dass die verschiedenen Communities unter sich bleiben, sei es, dass sie sich in (falls vorhanden) Vereinslokalen treffen oder eben privat. Geeignete Räumlichkeiten, in denen sich ALLE – mit den InländerInnen – treffen können, gemeinsam Veranstaltungen und Feste organisieren können – ja, das hätte was! Aber für`s erste schauen wir mal, ob wir – wie mit Talktogether schon besprochen – gemeinsam den ersten Salzburger Integrationsball realisieren können. Das wäre doch zumindest ein Anfang in die richtige Richtung!

Talk Together: Vielen Dank für das Gespräch!

erschienen in: Talktogether Nr. 25/2008