Viola Liuzzo,
Rebellin mit Gerechtigkeitssinn
25. März 1965: Es war der letzte Tag eines viertägigen Protestmarsches der BürgerÂrechtsbewegung, der von Selma aus in Alabamas Hauptstadt Montgomery fühÂrte. Ein Auto, in dem vier Mitgliedern des KuKluxKlan saßen, parkte neben dem WaÂgen, in dem Viola Liuzzo, eine 39-jährige weiße Frau, und Leroy Moton, ein 19-jähriger Schwarzer saßen. Viola und Leroy hatten die Aufgabe überÂnommen, die TeilnehmerInnen des Marsches zurück in ihre Heimatorte zu transportieren. Die Rassisten feuerten auf das Auto, sie traÂfen Viola in den Kopf und verletzten sie tödlich. Der andere Mitfahrer stellte sich tot und rettete damit wohl sein Leben. Viola Liuzzo ist die einzige weiße Frau, die in der BürÂgerÂrechtsbewegung zu Tode kam. Wenige Menschen kennen die Geschichte dieser mutigen Frau.
Viola wuchs in armen Verhältnissen in Tennessee auf. Einen starken Gerechtigkeitssinn hat sie schon immer gehabt, doch damals war sie noch sehr in der traditionellen Rolle als Hausfrau verhaftet. Doch als sie ein totes Kind gebar, geriet sie in eine Krise. Die katholische Doktrin sagt, dass ein totgeborenes Kind niemals in den Himmel kommen könne. Diese Ungerechtigkeit war für Viola unverständlich, so dass ihr Glaube und ihr Weltbild, an denen sie sich bisher orientiert hatte, ins Wanken gerieten. Es war eine verstörende und schmerzvolle Erfahrung. Doch schließlich, erzählen ihre Kinder, „löste sie sich von der katholischen Doktrin und begann die Dinge zu hinterfragen“. Sie ging auf die Wayne State University um eine Ausbildung als Krankenpflegerin zu machen. Dort engagierte sie sich in der Studentenbewegung, darunter auch in der NAACP, der Bewegung für die Bürgerrechte der Schwarzen. Viola Liuzzo nahm an lokalen Aktionen zur Verbesserung von Ausbildung und sozialer Gerechtigkeit teil. Zweimal wurde sie verhaftet, plädierte auf schuldig und bestand auf einer Gerichtsverhandlung, um auf diese Weise größere öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen.
Die schwarzen Menschen in den Südstaaten litten unter der brutalen Rassentrennung, die von Polizei und KuKluxKlan aufrechterhalten wurde. In Selma, wo die schwarze Bevölkerung aus 30.000 Personen bestand, hatten nur 150 Personen das Recht, an der Wahl teilzunehmen. Damit eine schwarze Person das Wahlrecht erhielt, musste eine weiße Person für sie bürgen.
Als Viola Anfang 1965 im Fernsehen die Nachrichten über den Blutigen Sonntag sah, war sie empört, mit welcher Brutalität die Polizei die friedlichen DemonstrantInnen auf der Wahlrechtskundgebung in Selma angriff. Als die Führer der Bewegung die Menschen dazu aufriefen, nach Selma zu kommen um sie zu unterstützen, sah sie für sich keine andere Wahl, als dem Aufruf zu folgen. Viola entschloss sich, mindestens eine Woche dort zu bleiben und mitzuarbeiten. Ihr war bewusst, dass es gefährlich werden könnte. Doch weil sie überzeugt davon war, wie wichtig es für die Leute war, für ihre Rechte aufzustehen, konnte sie nichts mehr von ihrem Entschluss aufhalten. Bevor sie wegfuhr, brachte sie ihre Kinder zu ihrer besten Freundin, der sie auftrug, sich um sie zu kümmern, falls ihr etwas passieren sollte.
Nach dem Mord an Viola wurde gegen sie eine schmutzige Verleumdungskampagne gestartet. Die Zeitungen schrieben, Viola hätte Sex mit schwarzen Männern gehabt und ihre Kinder wurden in der Schule verspottet: „Deine Mutter war eine Negerhure!“. Kreuze wurden vor ihrem Haus verbrannt und auf die Fenster ihres Hauses geschossen. Drei Männer wurden für den Mord angeklagt. Trotz der Zeugenaussage des Mannes, der sich mit Viola im Auto befunden hatte, wurden alle Angeklagten von der rein weißen Geschworenenbank freigesprochen. Erst ein paar Jahre später wurden sie wegen Verschwörung zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Der vierte Mann im Wagen, Gary Thomas Rowe, ein bezahlter FBI-Informant, kam allerdings ungeschoren davon.
In den 1970er Jahren wurde jedoch ans Tageslicht geÂbracht, dass dieser FBI-Informant eine größere Rolle im KuKluxKlan und bei Violas Ermordung geÂspielt hat. Es scheint sogar sehr wahrscheinlich, dass er derjenige war, der den FinÂger am Abzug gehabt hatte. Aber als Violas Familie eine Anklage gegen den FBI einbrachte, wurde die Klage abgewiesen und die Familie Liuzzo dazu verurteilt, die gesamten Prozesskosten zu bezahlen. Violas Söhne Tony und Tommy wurden dabei nicht nur damit konfrontiert, dass ihre Regierung bei der Ermordung ihrer Mutter die Hände im Spiel hatte, sondern auch noch damit, dass sie bestraft werden sollten, weil sie die Wahrheit ans Licht bringen wollten. Der Sohn Tony sagt: „Ich werde der Regierung niemals auch nur einen Penny dafür bezahlen, dass sie meine Mutter ermordet haben!“ Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4
erschienen in: Talktogether Nr. 26/2008
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