10. Oktober 2008: Tag des Bleiberechts PDF Drucken E-Mail

Das Bleiberecht aus Sicht der Betroffenen

Ein betroffenes Paar: 

Talk Together: Wie lange lebst du in Österreich und wie hast du diese Zeit verbracht?

A.: Ich komme aus dem Iran und lebe seit 8 Jahren in Österreich. Die erste Zeit habe ich damit verbracht, Deutsch zu lernen, dann habe ich drei Winter lang in Saisonjobs gearbeitet. Danach bekam ich keine Arbeitserlaubnis mehr und musste Sozialhilfe beziehen. Seit 2005 habe ich dann nur mehr die Grundversorgung bekommen. 2006 wurde dann meine Berufung am Verwaltungsgerichthof abgewiesen und ich wurde auch aus der Grundversorgung entlassen, Seitdem bin ich weder versichert, noch bekomme ich irgendeine Unterstützung vom Staat.

Talk Together: Was verbindet dich mit Österreich?

A.: Da ich schon so lange in Österreich lebe, habe ich hier viele Freunde gefunden. Seit dem Frühjahr 2006 habe ich eine Beziehung mit einer Österreicherin.

Talk Together: Könntest du dir vorstellen, wieder in dein Heimatland zurück zu gehen?

A.: Nein, auf keinen Fall, da ich mich im Iran nicht sicher fühlen und mit dem iranischen Regime nicht mehr zurechtkommen würde. Außerdem würden mir Diskriminierung, Verfolgung, Haft und Folter drohen.

Talk Together: Viele behaupten, dass viele Flüchtlinge nach Österreich kommen, obwohl sie nicht wirklich verfolgt wurden, was sagst du dazu?

A.: Wenn jemand sein Land, seine Familie und seine Freunde verlässt, für eine Zukunft im Ungewissen, der muss schon ernsthafte Probleme haben.

Talk Together: Was denkst du/denkt ihr über die aktuelle Kampagne für das Bleiberecht?

A.: Ich finde, dass Menschen die schon seit längerem in Österreich leben, hier ihre Wurzeln geschlagen haben und gut integriert sind, das Recht haben sollten, hier zu bleiben. Mit einer vernünftigen Regelung für das Bleiberecht, würden auch künftig die Asylverfahren schneller abgewickelt werden können, was andere Länder in Europa schon bewiesen haben. Menschen nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Österreich zwangsweise wieder in ihre Heimat zurück zu schicken, finden wir unmenschlich.

Talk Together: Fühlst du dich von Österreich und den ÖsterreicherInnen unterstützt?

A.: Da ich seit acht Jahren warte und noch immer keine Antwort habe, außerdem seit 2006 keine Unterstützung von Seiten des Staates bekomme, kann ich nur sagen: Nein, ich fühle mich von der Bevölkerung nicht unterstützt. Aber wenn ich mit Menschen über meine Situation rede, können die meisten nicht verstehen, wieso ich nicht hier bleiben oder nicht arbeiten darf und...


B.:
Ich möchte noch hinzufügen, dass ich mich auch als Österreicherin diskriminiert fühle, da ich mir meinen Lebenspartner nicht frei wählen kann. Der Staat sagt, ich könne ja in das Heimatland meines Lebensgefährten gehen, wenn wir zusammen leben wollen. Ich glaube, die wissen nicht genau, was mich dort erwarten würde, oder es ist ihnen völlig egal. Wir haben jetzt seit zweieinhalb Jahren eine Beziehung. Wir haben auch überlegt zu heiraten, aber das neue Fremdengesetz 2006 sagt, dass auch dann der Partner ins Heimatland zurück muss, um von dort aus einen Einreiseantrag zu stellen, was wiederum mit Ängsten und auch großen Kosten verbunden wäre. Außerdem könnte ich nicht sicher sein, ob mein Mann dann so schnell aus dem Iran wieder heraus kommen würde.

Allgemein zur Forderung nach einem Bleiberecht kann ich nur sagen, dass es bestimmt gut wäre für die jetzigen Asylanträge, da diese dann schneller bearbeitet würden, was ja eh alle wollen, auch die AsylwerberInnen selber. Andere EU-Länder haben es schon praktiziert und davon nur profitiert. Ich hoffe, dass die Menschlichkeit in Österreich siegt und sich die Politik für einen vernünftigen Bleiberechtskatalog entscheidet.

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Rechtsanwalt Dr. Gerhard Mory:

Ich denke, dass eine Bleiberechtsregelung nur Vorteile für Österreich bringen würde. Es wäre nicht nur eine Erleichterung nur für die Betroffenen, die natürlich unter der Unsicherheit am meisten leiden, sondern auch eine enorme Entlastung für den öffentlichen Verwaltungsapparat. Familien auseinander zu reißen und Kinder abzuschieben, widerspricht allen Grundlagen der Humanität. Meiner Meinung nach widerspricht es auch der österreichischen Kultur. Denn früher war Österreich für seine Großzügigkeit auf der ganzen Welt bekannt. Großzügigkeit und Humanität sehe ich als ein unschätzbares Gut an, das wir nicht einfach aufgeben sollten.

Erst seit den 1990er Jahren ist eine neue Radikalisierung zu beobachten. Ich bin aber überzeugt davon, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung für ein Bleiberecht aussprechen würde, wenn sie gut informiert und nicht mit der Propaganda von der Politik überschüttet würde. Was man als Gegenleistung für eine positive menschliche Gesetzesregelung bekommen würde, sind unschätzbare Werte: nämlich junge Menschen, die mit verschiedenen Sprachen und Kulturen vertraut sind, und somit einen wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten könnten.

Die Willkür und Hartherzigkeit der bürokratischen Schreibtischtäter, wie ich sie nenne, muss endlich ein Ende haben, und die österreichische Politik sollte ein menschliches Gesicht zeigen. Ich glaube, dass die Schätze Freiheit und Menschlichkeit wichtige Säulen für die Zukunft Österreichs darstellen. Und es tut gut menschlich zu sein!

erschienen in: Talktogether Nr. 26/2008