Let’s make money – Wie Geld gemacht wird Eine kritische Betrachtung zu Erwin Wagenhofers neuem Film „Es gibt den Ausspruch, dass die beste Zeit zu kaufen ist, wenn das Blut auf den Straßen klebt. Ich füge hinzu: Auch wenn es dein eigenes ist. Denn wenn es Krieg, Revolution, politische und Wirtschaftsprobleme gibt, dann fallen die Preise von Aktien und jene Leute, die an diesem Tiefpunkt kauften, haben jede Menge Geld verdient“, erklärt der Fondsmanager Mark Mobius vor der glitzernden Skyline von Singapur. Aussagen wie diese sprechen für sich in Erwin Wagenhofers Dokumentation über die Wege des Geldes. Dass der Film gerade zum Zeitpunkt des Auftretens einer neuen Finanzkrise in die Kinos gekommen ist, konnte der Regisseur, der mit "We feed the world“, einer Dokumentation über den globalen Handel mit Nahrungsmitteln, bekannt gewordenen ist, nicht vorausahnen. In diesem Film möchte Wagenhofer aufzeigen, was hinter dem Slogan "Lassen Sie Ihr Geld arbeiten" steht. Natürlich arbeitet nicht das Geld selbst, sondern es sind ArbeiterInnen und BäuerInnen auf der ganzen Welt, die das Geld vermehren und dabei selbst arm bleiben. Denken Sie, damit haben Sie nichts zu tun? Falsch. Ob wir es wollen oder nicht: Wir sind alle daran beteiligt, denn es handelt sich um das Geld auf unseren Bankkonten, in den Pensionskassen und Versicherungen. Unsere Zukunft: Mehr Arbeit für weniger Geld? In der Millionenstadt Chennai (Madras) lebt ein Drittel der Bevölkerung auf Gehsteigen oder am Rand von Kloaken, die einmal Flüsse waren. Nicht mehr Entwicklungsländer, sondern „Emerging Markets“ werden die Ziele der Investoren heute genannt. Wenn die Löhne niedrig sind und Umweltschutzbestimmungen fehlen, wittern sie fette Gewinne. Doch das Elend ist manchen noch nicht groß genug: Der österreichische Industrielle Mirko Kovats beklagt, dass auch in Ländern wie Indien die Löhne steigen. Er ist davon überzeugt, dass auch in Europa in Zukunft die Arbeitszeiten steigen und die Löhne sinken werden. Vor kurzem hat Industriellenvereinigungschef Sorger angesichts der Finanzkrise gefordert, dass die Arbeitnehmer auf 25% ihres Lohnes verzichten sollten. Diejenigen, die ohnehin nicht viel haben, werden von Leuten zur Solidarität aufgerufen, die selbst keine Solidarität kennen, wenn ihre Geschäfte gut laufen. Wir bekommen eine Einführung in die Grundsätze des Neoliberalismus im Sinne der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds: „Das erste Element“, erklärt John Christensen vom „Tax Justice Network“ in London, „bestand in einer Deregulierung der Finanzmärkte auf der ganzen Welt. Kapital sollte sich frei von einem Land zum anderen bewegen können. Der zweite Teil bestand in einer Liberalisierung der Handelsströme. Es ging darum, Handelsbarrieren abzuschaffen, die sehr sorgfältig im Laufe vieler Jahrzehnte von Entwicklungsländern errichtet worden waren, um ihre eigenen wachsenden Industrien zu schützen. Das dritte Element bestand in einer völligen Abschaffung des Staates, um die Interventionsmöglichkeiten des Staates zu reduzieren. Anders gesagt, wurden die Steuereinnahmen so reduziert, dass die Staaten nicht mehr einschreiten konnten, um ihre Bürger zu schützen. Und das vierte Element verlangte von den Staaten, ihre Industrien zu privatisieren. Dabei wurde mehr oder weniger sichergestellt, dass die Industrien unter ihrem Wert an fremde Kapitalanleger verkauft wurden.“ Nachdem wir am Beginn des Filmes eine Goldmine in Ghana gesehen und erfahren haben, dass nur 3% des Gewinnes im Land bleiben und 97% in den Westen transferiert werden, sehen wir nun, wie die jahrzehntelange Baumwoll-Monokultur in Burkina Faso die Böden fast vollkommen zerstört hat. Die handgepflückte Baumwolle hat die beste Qualität, doch die Bauern verdienen weniger als den Gegenwert von 50 Euro im Jahr. Gegen die subventionierte Baumwolle aus den USA können sich die westafrikanische Baumwollproduzehnten auf dem Weltmarkt nicht behaupten. Francis Kologo von der einstmals staatlichen Baumwollfirma Sofitex beklagt: „Die USA subventionieren jedes Jahr ihre Baumwolle mit rund 3 Milliarden Dollar. Wenn die Amerikaner liberal sind, warum subventionieren sie dann ihre Baumwollproduktion? Sie machen selbst Protektionismus und verlangen von uns Liberalismus.“ Wenn dieses Beispiel auch nicht ganz zum Thema Finanzströme passt, zeigt es die ungerechten Verhältnisse im globalen Wirtschaftssystem auf drastische Weise auf. Weil der Staat seine gesamten Einnahmen für die Schuldenrückzahlung aufbringen muss, hat er auch kein Geld mehr, Schulen und Krankenhäuser zu errichten. Francis Kologo warnt: „Jeder Mensch, der heute in Burkina Faso geboren wird, hat schon hohe Schulden. Selbst der, der erst in 25 Jahren geboren wird. Wenn wir aber keine Baumwolle mehr produzieren, dann wird jeder Afrikaner aus Burkina Faso, Mali, Benin und anderen Ländern nach Europa auswandern. Wir haben keine andere Wahl. Wir werden bei Euch einfallen, mit Sicherheit. Sie können ruhig 10 Meter hohe Mauern bauen. Wir werden trotzdem nach Europa kommen“. Darauf antwortet Gerhard Schwarz, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung und Mitglied der Mont Pelerin Society, einer Interessengemeinschaft von Wirtschaftsliberalen, die sich regelmäßig in einem Berghotel in der Nähe von Genf trifft: „Alle Liberalen dieser Welt sind der Meinung, dass Grenzen offen sein sollten für Güter, Geld und Dienstleistungen. Schwieriger wird es bei Menschen. Da muss man sich überlegen, ob man nicht eine Art Eintrittspreis verlangen müsste, so wie man eben in einem Club auch Eintrittspreis verlangt. Wer in einen Tennisclub eintritt, muss in der Regel einen Eintrittspreis zahlen, nicht nur eine monatliche oder jährliche Gebühr wie die Steuern, sondern er muss einen Eintrittspreis zahlen, weil die Vorgänger, die schon da sind, das Clubhaus aufgebaut haben, die Plätze aufgebaut haben, und damit ein Neuer von etwas profitiert, zu dem er nichts (!!!) beigetragen hat“. Angesichts von soviel Arroganz und Ignoranz erübrigt sich jeder Kommentar. Dass die Interessen des Kapitals notfalls auch mit militärischer Gewalt durchgesetzt werden, erklärt der amerikanische Buchautor John Perkins anhand des Irakkrieges. Er bestätigt, – wir haben es geahnt – dass es dabei nicht um die Demokratie, sondern ums Öl gegangen ist. Perkins gewährt Einblick in seinen ehemaligen Beruf als sog. „Wirtschaftskiller“, deren Aufgabe es sei, Länder mit wertvollen Ressourcen in die Knie zu zwingen und schonungslos auszubeuten. Wenn es diesen Wirtschaftskillern nicht gelinge, eine Regierung zu korrumpieren, würden „Schakale“ losgeschickt, um die Regierungen zu stürzen, erzählt er weiter. Und wenn auch diese keinen Erfolg haben… Als Saddam Hussein drohte, Erdöl auch gegen andere Währungen als den Dollar zu verkaufen, sei sein Schicksal besiegelt gewesen. Legalisierter Raub am öffentlichen Eigentum Jeder geht davon aus, dass die traditionellen Wiener Straßenbahnen Eigentum der Stadt Wien seien. Doch Werner Rügemer von der Universität Köln stellt klar: „Vor ein paar Jahren hat der Stadtrat von Wien beschlossen, seine Straßenbahnen an amerikanische Investoren zu verkaufen. Dafür hat’s viel Geld gegeben, über 1 Milliarde Dollar – aber das hat die Stadt Wien gar nicht bekommen. Das ist weitergeleitet worden an englische und andere Banken, und die zahlen dann für die Stadt Wien viele Jahre lang Leasingraten an den amerikanischen Investor, damit die Stadt Wien die Straßenbahnen wieder benutzen darf". Man wartet auf eine Erklärung über die Gründe, warum sich verantwortliche Politiker auf so ein Konstrukt einlassen, doch Rügemer vermutet nur, es seien Unwissenheit und kurzsichtiges Denken. Zum Schluss des Filmes werden wir noch mit einem Höhepunkt der Absurdität konfrontiert. An der Küste Andalusiens sehen wir zahlreiche menschenleere Geisterstädte, die aus riesigen Hotelkomplexen, luxuriösen Wohnanlagen und Golfplätzen bestehen. Viele davon wurden in Naturschutzgebieten errichtet. Gebaut wurden sie von illegalen Einwanderern, die hauptsächlich aus Afrika nach Spanien gekommen waren. Obwohl die Spekulationsobjekte menschenleer sind, verbraucht allein die Instandhaltung der Rasenflächen der Golfplätze so viel Wasser wie 16 Millionen Menschen zum Leben. In der Regel werden die Komplexe nach einigen Jahren wieder abgerissen und die Investoren werden großzügig entschädigt – auf Kosten der Steuerzahler. Auswüchse oder systemimmanent? Auf provokante Weise hält dieser Film anhand einiger Beispiele die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems vor Augen. Antworten und Schlussfolgerungen überlässt Wagenhofer den ZuseherInnen, die sich die Frage stellen müssen, ob es sich bei den Phänomenen, die dieser Film so drastisch aufzeigt, nur um Auswüchse eines ansonsten gut funktionierenden Systems handelt, oder ob diese etwa gar die Ausgeburt einer Verschwörung von ein paar respektablen Herren sind, die sich in einem Luxushotel auf einem Schweizer Berg treffen. Doch wirklich neu sind diese Erscheinungen nicht. Über Spekulationen und immer wieder kehrende Finanzkrisen haben Karl Marx und Friedrich Engels schon vor über 150 Jahren zu berichten gewusst. In "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" schreibt Friedrich Engels: „In diesem fortwährenden Auf und Ab muß jeder suchen, den günstigsten Augenblick zum Kauf und Verkauf zu treffen, jeder muß Spekulant werden, d. h. ernten, wo er nicht gesäet hat, durch den Verlust anderer sich bereichern, auf das Unglück andrer kalkulieren oder den Zufall für sich gewinnen zu lassen. [...] Und möge sich der ehrliche, „solide“ Kaufmann nicht pharisäisch über das Börsenspiel erheben [...] Er ist so schlimm wie die Fondsspekulanten, er spekuliert ebensosehr wie sie, er muß es, die Konkurrenz zwingt ihn dazu, und sein Handel impliziert also dieselbe Unsittlichkeit wie der ihrige.“ (Friedrich Engels, 1844) Im Kommunistischen Manifest von 1948 ist zu lesen, wie das Kapital um den ganzen Erdball jagt und alle Grenzen nieder reißt: "Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde", sowie weiter: "In den Handelskriegen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt." Hier haben Marx und Engels aber nicht etwa gewagt, die Wirtschafts- und Finanzkrisen des beginnenden 21. Jahrhunderts zu prognostizieren, sondern zum Kampf gegen eine Gesellschaftsordnung aufgerufen, in der die Schaffung von Reichtum notwendigerweise Elend produziert. Einer Produktionsweise, in der Armut nicht mehr länger Resultat von Mangel ist, sondern das zwangsläufige Resultat einer hemmungslosen Vermehrung von kapitalistischem Reichtum. Bereits damals war diesen beiden Herren die Ungeheuerlichkeit dieser Produktionsverhältnisse klar, die seit der Geburt des modernen Kapitalismus augenfällig zu Tage trat: Sie beruhen auf dem ständig neu reproduzierten Ausschluss der eigentumslosen Massen vom in vorher nie gekannten Dimensionen wachsenden Reichtum, den sie als Lohnabhängige gezwungen sind, für ihre Unternehmen zu schaffen. Spekulation und Scheingeschäfte, wie sie im Film aufgezeigt werden, sind also nicht etwas wirklich Neues. Dennoch bietet Wagenhofers Film Gewerkschaften und Organisationen wie Attac Gelegenheit, voller Eifer ihre Lösungskonzepte zu propagieren und für eine staatliche Kontrolle der Finanzmärkte zu plädieren. Doch stellt sich hier die Frage: Vermögen staatliche Eingriffe oder Regulierungen die verheerenden Auswirkungen des herrschenden Finanz- und Gesellschaftssystems aufzuhalten, oder beruhen jene nicht vielmehr auf dem innersten Wesen des Kapitalismus? mehr darüber: www.letsmakemoney.at erschienen in: Talktogether Nr. 27/2009
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