Mit Kunst Grenzen überwinden:
Samson und Stefanie
Die Liebe zur Kunst entwickelte sich bei Samson Ogiamien schon in früher Jugend. Samson wuchs im nigeriaÂnischen Königreich Benin auf, das beÂkannt ist für seine außergewöhnlichen Kunstschätze. Der Künstler erzählt: „Als Kind haben mich die BronzeÂskulpturen fasziniert, welche ich im Palast meines Großvaters, in dem ich aufwuchs, bewundern durfte. Seit daÂmals habe ich mir immer gewünscht, auch eines Tages solche Kunstwerke erschaffen zu können“. Seit dem 12. Jahrhundert regierten Königsdynastien im Königreich Benin, mit BronzeÂbüsten sollte die Erinnerung an sie an die Nachwelt weitergegeben werden. Doch 1897 ergriff das britische KoloniÂalregime die Herrschaft über das Land, und zahlreiche wertvolle Kunstwerke wurden geraubt, außer Landes gebracht und befinden sich heute in westlichen Museen.
Samson studierte drei Jahre auf der KunstakaÂdemie im Königreich Benin Kunst und GestalÂtung. Dort lernte er unterÂschiedliches Material zu bearbeiten. Heute arbeitet Samson am liebsten mit Beton. Dabei konstruiert er zuerst mit dem Schweißgerät ein EisenÂgerüst, auf das er dann den Beton aufträgt und modelliert.
Nach seiner Ausbildung zog er nach Warri im NiÂgerdelta, wo er ein AteÂlier eröffnete. Dort beÂkam Samson viele AufÂträge. Er fertigte SkulptuÂren an, und mit Stuck deÂkorierte er Säulen für private Häuser und GärÂten, aber auch Firmengelände. Mit dieÂsem Einkommen konnte er nicht nur selbst gut über die Runden komÂmen, sondern auch einige Lehrlinge ausbilden.
Doch leider gibt es im Niger-Delta nicht nur die Kunst, sondern auch Ölvorkommen. Dieser Reichtum hat aber viele gewalttätige Konflikte verursacht und damit der ohnehin schon durch die Kontaminierung der Böden und Flüsse geplagten Bevölkerung das Leben immer unerträglicher gemacht.
Samson erzählt: „Von den Gewinnen, die Ölfirmen wie Shell oder Halliburton im Nigerdelta machen, bleibt nur ein geringer Prozentsatz im Land. Verschiedene Stammeschefs haben die Leute dazu aufgerufen, sich ihnen anzuschließen, um für den ihrem Volk zustehenden Teil der Gewinne zu kämpfen.“ Bei den Kämpfen wurden zahlreiche Häuser niedergebrannt und viele Menschen getötet. Weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet war, haben viele Ölkonzerne ihre Raffinerien geschlossen. Daraufhin schickte die Regierung Soldaten in die Region, um die Ölkonzerne zu schützen. „Doch ihre Gegner waren teilweise mit besseren und moderneren Waffen ausgerüstet als die Regierungssoldaten“, erzählt er weiter. „Ich habe mich oft gefragt, woher all diese Waffen stammen“. Als auch Samsons Atelier niedergebrannt wurde, sah er in Nigeria keine Zukunft mehr für sich und seine Kunst. Um der Gewalt zu entkommen, entschloss er sich schweren Herzens, seine Heimat zu verlassen.
Heute lebt Samson in Graz, wo er die Malerin Stefanie Öttl kennen gelernt hat. Seit drei Jahren sind die beiden ein Paar. „Mein größter Wunsch ist, dass wir zusammenbleiben können“, sagt Stefanie. „Unsere Verbindung ist auch künstlerisch sehr befruchtend. Allein hätte ich mich nicht getraut, eine Ausstellung zu organisieren, doch Samson hat mich in meiner Kunst bestärkt, und wir haben gemeinsam Ausstellungen auf die Beine gestellt. Durch den gegenseitigen Austausch konnte ich mich auch künstlerisch weiterentwickeln“. Ob dem Künstlerpaar der Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft erfüllt wird, ist aber bis heute noch völlig ungewiss, den Samsons Asylansuchen wurde in erster Instanz abgelehnt. Auch eine Heirat wäre kaum eine Lösung, da das neue Fremdenrecht fast unüberwindliche Hürden in den Weg stellt. So wird neben einer Wohnung für zwei Personen und einer Krankenversicherung für Samson gefordert, dass Stefanie ein Mindesteinkommen nachweisen müsste, dass sie im Moment alleine unmöglich aufbringen kann. Samson müsste zudem alleine in sein Heimatland auf ungewisse Zeit zurückreisen, um von dort einen Einreiseantrag zu stellen, ohne Garantie, dass er wirklich wieder kommen darf.
Obwohl Samson ein akademisch ausgebildeter professioneller Bildhauer ist, wird seine Ausbildung hier nicht gleich gewertet und nicht wirklich geschätzt. Trotzdem hat er Aufträge bekommen, die er allerdings aufgrund seines Status als Asylwerber nicht annehmen konnte. Wie viele Flüchtlinge leidet er sehr darunter, dass er seinen Beruf nicht ausüben darf. Oft hat er das Gefühl, dass seine Kreativität und seine Begabung verschwendet werden, weil man ihm keine Chance gibt. Doch statt tatenlos auf den Ausgang des Verfahrens zu warten, versucht der junge Künstler, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. So hat er die zweijährige Meisterklasse für Bildhauerei an der Grazer Ortweinschule besucht und im Sommer 2007 mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen. Seine Abschlussarbeit, eine zweieinhalb Meter hohe Skulptur, ist heute vor dem Megaphon-Café im Augartenpark zu bewundern.
Obwohl er sich bemüht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, muss er immer mit der Angst leben, jederzeit abgeschoben zu werden, und er und seine Kreativität leiden sehr unter diesem psychischen Druck. In dieser schwierigen Lage stellt die Kunst für Samson so etwas wie ein Rettungsanker dar, der ihm hilft, mit seiner psychisch belastenden Situation besser umgehen zu können. Weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie deprimierend es ist, zur Untätigkeit verurteilt zu sein, ist es ihm ein Anliegen, seine Erfahrungen auch an andere weiterzugeben. Wenn AsylwerberInnen nicht arbeiten dürfen, verlernen sie im Laufe der Jahre, die ein Asylverfahren oft dauert, eine geregelte Tagesstruktur zu haben und Eigenverantwortung zu tragen.
Der Grazer Verein Innovative Sozialprojekte GmbH (ISOP) hat den beiden die Möglichkeit gegeben, Workshops zu organisieren, in denen AsylwerberInnen mit ÖsterreicherInnen zusammen arbeiten. Stefanie erzählt: „Die künstlerische Tätigkeit hilft den Flüchtlingen dabei, ihr Trauma und ihre schwierige Situation zu verarbeiten. Die Kunst ist aber nicht nur ein Mittel, ihre Wünsche und Träume auszudrücken und ihre Kreativität zu entfalten, sondern sie bekommen bei den Workshops auch eine handfeste künstlerisch-technische Ausbildung, die ihnen ermöglichen soll, einer sinnvollen Tätigkeit nach zu gehen“.
In der Kunst sehen Samson und Stefanie nicht nur eine Chance, sich persönlich zu entfalten, sondern auch eine Brücke zwischen den Menschen: „Bei den Workshops haben die Menschen die Möglichkeit, sich in einer freien ungezwungenen Atmosphäre zu treffen und auszutauschen. Leute, die vielleicht sonst nie zueinander gefunden hätten, können auf der Basis ihrer gemeinsamen Interessen Freundschaften entwickeln“.
erschienen in: Talktogether Nr. 27/2009
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