Wie geht es weiter mit dem Bleiberecht? PDF Drucken E-Mail

Wie geht es weiter mit dem Bleiberecht?

„Was passiert mit mir, wenn mein Antrag in drei Monaten nicht verlängert wird und ich abgeschoben werde? Oft wache ich in der Nacht mit einem stechenden Schmerz in der Brust auf. Ich lebe von einem Tag auf den anderen. Ich nehme jeden Job an, den ich bekomme. Leider bekomme ich nur etwas über Leihfirmen, wo ich nie vorher weiß, wie viele Tage ich arbeiten kann. Die Leihfirmen nützen die Lage der Menschen aus, die keine andere Wahl haben. Das könnte ich noch ertragen, aber wie kann ich daran denken, etwas zu lernen und mich zu integrieren, wenn ich nicht weiß, ob ich morgen noch hier bleiben kann, oder ob ich abgeschoben werde?“, sagt eine Asylwerberin.

Viele Flüchtlinge leben bekanntlich in einer unhaltbaren Situation: Asylverfahren dauern oft viele Jahre, während dieser Arbeit haben Flüchtlinge keine Möglichkeit, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen. Vor allem für junge Menschen ist dies eine verlorene Zeit, die ungenutzt verstreicht. Auch Flüchtlinge, die nur subsidären Schutz erhalten haben, leben in ständiger Unsicherheit.

Überall in Österreich gibt es Menschen, die schon jahrelang in Österreich leben, sich hier integriert haben, Freundschaften und Beziehungen aufgebaut haben und deren Kinder hier zur Schule gehen, aber trotzdem nicht wissen, ob sie vielleicht schon morgen abgeschoben werden. Während die Politik kein Erbarmen und keine Menschlichkeit kennt, gibt es in Österreich Menschen und Organisationen, die das Schicksal der Flüchtlinge nicht unberührt lässt. Sie haben sich zusammengeschlossen und eine Plattform gegründet, die das Ziel hat, für eine menschenwürdige Bleiberechtsregelung zu kämpfen, die den Betroffenen erlaubt, ein Bleiberecht selbst zu beantragen.

Anlass für die Kampagne ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die Bleiberechtsreglung, wie sie bisher praktiziert worden ist, für verfassungswidrig zu erklären Heute muss der Landeshauptmann oder die Landeshauptfrau, wenn er oder sie meint, dass es sich um einen Fall handelt, der eine besondere menschliche Härte darstellt, um humanitären Aufenthalt für eine Person ansuchen. Zusätzlich muss die Sicherheitsdirektion eine positive Stellungnahme abgeben. Danach entscheidet das Innenministerium, gegen die Entscheidung ist keine Berufung möglich. Es handelt sich also um ein Gnadenrecht, das noch dazu zeitlich befristet ist.

Am 10. Oktober 2008 haben in ganz Österreich Aktionen für ein Bleiberecht stattgefunden. Nach diesem relativ kurzfristig organisiertem Aktionstag stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen beteiligten Gruppen in Zukunft weiter arbeiten. Schon von Beginn an hat sich heraus kristallisiert, dass Zugänge, Forderungen und Ziele der Beteiligten höchst unterschiedlich sind – je nach politischer Einstellung oder persönlicher Betroffenheit.

Manche kritisierten die Dominanz der großen Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen bei den Aktionen. Diese etablierten Organisationen haben jedoch außer ihrem bekannten Namen meist wenig zum Gelingen beigetragen. Auch die Frage, wie weit die Forderungen gehen sollten, hat die Meinungen gespalten. Geht es nur um ein Gesetz, das ein paar Menschen hilft, die mit besonderer Härte von der Unmenschlichkeit der Asylgesetzgebung betroffen sind? Oder sollte die Forderung nicht viel weiter gehen, und offene Grenzen für alle Menschen auf dieser Welt lauten? Die Unterschiedlichkeit muss jedoch kein Nachteil sein, sondern kann eine Chance bedeuten, die Thematik in unterschiedlichen Zusammenhängen zu diskutieren. Seither hat es verschiedene Treffen gegeben, um weitere Strategien zu besprechen.

Bleiberechtstreffen in Graz

Am 27. November 2008 organisierte der Verein Zebra in Graz ein Bleiberechtstreffen. Anwesend waren betroffene Asylwerber und MitarbeiterInnen von Flüchtlingsbetreuungsorganisationen, aber auch FreundInnen und NachbarInnen von betroffenen Flüchtlingen. Diese sind durch Zufall mit der Thematik in Berührung gekommen, aufgrund von Begegnungen, die sich zu persönlichen Freundschaften entwickelten. Dabei handelt es sich um Privatpersonen, die sich oft mit der Fülle an Problemen, mit denen sie plötzlich konfrontiert sind, isoliert fühlen. So erzählt eine Frau: „Ich kenne eine Familie aus dem Kosovo, die in einem kleinen Dorf am Wechsel lebt, wo mein Bruder einen Bauernhof hat. Sie haben zwei Kinder und ein drittes ist unterwegs. Der Familienvater arbeitet seit Jahren und es ist ihm auch gelungen, seine Familie zu ernähren. Jetzt hat er jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung mehr und darf daher auch nicht legal arbeiten. Er befürchtet, abgeschoben zu werden“.

Ein Asylwerber aus der Türkei macht auf die Widersprüche der österreichischen Gesetze aufmerksam: „In Österreich stehen jedem, der hier lebt, ca. 400 Euro als Existenzminimum zu, von mir als Asylwerber wird aber erwartet, dass ich mit nur 180 Euro im Monat auskomme. Was sollte ich tun, wenn ich schulpflichtige Kinder habe? Werde ich da nicht faktisch zur Schwarzarbeit gezwungen?“

„Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die verfassungswidrigen Gesetzesteile zu reparieren. Sollte das nicht bis März passieren, würde die alte Regelung wieder in Kraft treten“, informiert Wolf Steinhuber, Mitglied der Bleiberechtsplattform und Organisator des Sesselmeeres am 10. Oktober in Graz, „man kann jedoch davon ausgehen, dass die Regierung das sicher nicht will, weil die alten Regelungen weit weniger restriktiv sind, deshalb gilt es hier politischen Druck auszuüben“.

Das Vorhaben, die Widersprüchlichkeit und Unzulänglichkeit auszunützen und mit Druck auf die neue Regierung eine Änderung im positiven Sinne zu erkämpfen, hält Wolfgang Gulis von Zebra Graz für vergebliche Mühe: „Die jahrelange Erfahrung zeigt, dass das Parlament schon in den letzten 20 Jahren nicht die fachliche Kompetenz und politische Courage hatte, sich gegen die restriktiven Gesetzesentwürfe des Innenministeriums zu wehren und jetzt, wo die extreme Rechte so stark im Parlament ist, das schon gar nicht zu erwarten ist.“. Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, dass sich die verschiedenen Basisinitiativen besser vernetzten um mit Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyarbeit das Meinungsbild zu verändern: „Wir müssen sichtbar machen, dass wir da sind, und Stärke und Entschlossenheit zeigen! Und wenn es sein muss, auch auf die Straße gehen und die Leute informieren.

„Nur auf die Demo zu gehen, ist zu wenig“, findet Talktogether Obmann Abdullahi Osman, „ich denke, wir sollten auf verschiedenen Ebenen arbeiten. Wir müssen die Menschen ansprechen, aber wir müssen auch versuchen, unsere Anliegen ins Parlament zu bringen, egal wer dort sitzt, denn dort werden die Gesetze beschlossen“.

Die Forderungen lauten im Wesentlichen, dass es für gut integrierte, seit mehreren Jahren in Österreich lebende AsylwerberInnen eine Antragsmöglichkeit für ein dauerhaftes Bleiberecht geben sollte. Zum Thema Integration mein Adnan, ein Flüchtling aus der Türkei: „Es wird immer von Integration geredet. Doch in Wahrheit meinen sie Assimilation. Sich zu integrieren heißt doch, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Doch in einer kapitalistischen Gesellschaft wie in Österreich ist es doch im Grunde so, dass sich jeder nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmert. MigrantInnen kommen oft aus Ländern, in denen Familie und Gemeinschaft noch einen höheren Stellenwert haben. Sollen sie sich anpassen und auch nur noch an sich selbst denken? Ist es das, was der Gesetzgeber von uns erwartet?“

Weil eben Integration auch ein schwer zu definierender Begriff sei, gibt es den Vorschlag, dass alle, die bereits fünf Jahre in Österreich leben, um ein Bleiberecht ansuchen dürfen sollten, weil dies klarer und transparenter erscheint. Ein ehemaliger Flüchtling meint dazu: „Ich finde schon, dass es belohnt werden sollte, wenn sich jemand bemüht, Deutschkurse zu machen und ein aktives Mitglied der Gesellschaft zu sein. Dann sollte er auch die Möglichkeit haben, schon früher einen Aufenthaltstitel zu bekommen“. Hier stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt die Aufgabe der Bleiberechtsbewegung sein sollte, Fristen vorzuschlagen oder sich schon im Vorhinein auf Kompromisse einzulassen.

Die Vorschläge, die wir bisher von der Innenministerin gehört haben, lassen kaum erwarten, dass sich die Lage für Flüchtlinge verbessert. Vor allem die geforderte Patenschaft lässt viele Fragen offen. Soll es bedeuten, dass nur diejenigen in Österreich bleiben dürfen, die reiche Freunde haben? Und bedeutet es etwa auch, dass die Flüchtlinge auch dann nicht für ihren eigenen Unterhalt aufkommen können?

Wie auch immer die neuen Gesetze aussehen werden, der Kampf für gerechte und menschenwürdige Lebensbedingungen muss weitergehen. Ergebnis des Treffens: Ein Bleiberechtstag 2009 wird angepeilt, an dem noch mehr Leute mobilisiert werden sollten. Ein Arbeitskreis wird gebildet, der sich mit der Lage der Gesetze auseinandersetzt. Viele der Beteiligten und der Betroffenen sind mit Fragen konfrontiert, deren Beantwortung sie oft überfordert. Gemeinsam ist es auch leichter, schwierige juristische Fragen aber auch finanzielle Hürden zu bewältigen. Samson und Stefanie, deren gemeinsame Zukunft vom Ausgang von Samsons Asylverfahren abhängt, meinen: „Wir wünschen uns eine Vernetzung und gegenseitigen Informationsaustausch. Schon das Gefühl, mit den Problemen nicht allein zu sein, stellt eine gewaltige Hilfe dar“.

Es stellt sich hierbei vor allem die Frage, auf welche Weise die Anliegen in die Öffentlichkeit transportiert werden sollten. Um Menschen zu gewinnen wird es zweifellos nötig sein, die Thematik in möglichst viele Kreise, die sich bisher noch nicht oder wenig damit auseinandergesetzt haben, hinein zu tragen, ob es nun Kirchen oder Gewerkschaften sind.

Auch wenn die Gewerkschaften Ausländerrechte in der Vergangenheit oft genug blockiert haben, ist es der Bewegung gelungen, die GPA-Gewerkschaftsjugend zu gewinnen. Denn schließlich geht es uns alle an, wenn AsylwerberInnen in Österreich in schutz- und rechtlose Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden und somit Arbeiterrechte untergraben und Löhne gedrückt werden. Es ist notwendig zu erkennen, dass wir keinen Vorteil davon haben, wenn wir „nur an uns selbst“ denken, sondern dass die Solidarität unsere größte Stärke im Kampf für Gerechtigkeit ist. Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4

erschienen in: Talktogether Nr. 27/2009