zum 8. März 2009 PDF Drucken E-Mail

 Zum Internationalen Frauentag

Beschneidung, Burkas, eingeschnürte Füße, Mieder, Schönheitsoperationen… In allen Erdteilen und Epochen sind Frauen Zwängen – durch rohe Gewalt oder subtile Einflüsse – ausgesetzt, die nur dazu da zu sein scheinen, um Frauen Schmerzen zuzufügen, sie in ihrer Freiheit einschränken oder sie auf ihr Geschlecht und ihre Rolle als Sexualobjekt zu reduzieren. Hat die Gesellschaft Angst vor der Kraft der Frauen? Und warum spielen so viele Frauen mit in diesem Spiel?

Das Patriarchat nimmt uns die Freiheit. Frauen sind Beleidigungen, Bedrohungen, Missbrauch und Brutalität ausgesetzt. Doch woran liegt es, dass die Frauen unterdrückt sind? Liegt es an den natürlichen Unterschieden der Geschlechter? Doch diese Unterdrückung hat nicht immer existiert, sondern viele Tausende Jahre lebten Männer und Frauen ohne Herrschaft und Ausbeutung zusammen. Erst mit der Entwicklung des Privateigentums und der damit verbundenen Aufspaltung der Gesellschaft in verschiedene Klassen wurde die natürliche Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau allmählich in eine Beziehung der Unterdrückung verwandelt.

Die Unterdrückung der Frauen im größten Umfang bis ins intimste Detail ist tägliche Realität, mit der Frauen in aller Welt, sogar wohlhabende Frauen, konfrontiert sind, und diese Unterdrückung ist in die herrschende Kultur eingeflochten. Denn die Herrschenden haben tatsächlich Angst vor der Befreiung der Frau, denn sind es nicht die Frauen, welche die Traditionen und Vorstellungen weitergeben an ihre Kinder? Sind nicht auch die Frauen, die das Gesellschaftssystem aufrechterhalten?

Der 8. März ist ein Tag, an dem Frauen auf der ganzen Welt an die Kämpfe von Frauen erinnern, die für ihre Rechte als Arbeiterinnen und Frauen eintraten. Ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit und Opferbereitschaft verdanken wir die Rechte, die wir heute haben. Der 8. März ist aber auch ein Tag, an dem Frauen auf die Ungerechtigkeit und Unterdrückung hinweisen, die noch immer überall auf der Welt herrschen.

Die vergangene Frauenbewegung kämpfte für die Gleichstellung vor dem Gesetz. Doch auch das Recht zu wählen, das Recht zu studieren, das Recht zu arbeiten und ein geändertes Eherecht haben die Frauen nicht wirklich befreit. Heute ist die Frau vor dem Gesetz dem Manne gleichgestellt, sogar die Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ hat ihren Platz in der bürgerlichen Gesetzgebung gefunden. Aber noch immer sind die Frauen unterdrückt.

Manche meinen sogar, heute gäbe es keinen Grund mehr zu kämpfen. Es heißt, die Gleichberechtigung sei erreicht und jede Frau für ihr Schicksal selbst verantwortlich. Doch die Realität sieht anders aus. Frauen verdienen in Österreich um 40 Prozent weniger als Männer. Die "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" verlangt, dass Frauen einer oft kaum zu bewältigenden Doppelbelastung ausgesetzt sind. Was Frauen benötigen sind geeignete Arbeitsplätze, angemessene Löhne, eine bedürfnisgerechte Kinderbetreuung sowie Beziehungen, die auf gegenseitiger Liebe, Respekt und Gleichheit basieren.

Heute heißt das Motto: Gender Mainstreaming. Frauen sollen ermutigt werden, sich für qualifizierte Posten zu bewerben. Warum gibt es aber so viele, die immer noch am „untersten Ende“ der Gesellschaft sind? Und heißt Spitzenpositionen zu erlangen nicht auch, an der Ausbeutung und Unterdrückung anderer teilzuhaben? Die Gesellschaft braucht diejenigen, die unten sind, die keine andere Wahl haben, als die schlecht bezahlten Arbeiten zu machen. Migrantinnen und Asylwerberinnen sind aufgrund der diskriminierenden Gesetzeslage gezwungen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse einzugehen. Alleinerziehende Mütter sind oft gefährdet, in die Armutsfalle abzurutschen. Sind diese Frauen selber schuld an ihrer Benachteiligung?

Frauen auf der ganzen Welt sind Opfer von Vergewaltigung, Misshandlung und Freiheitsberaubung. Die Frauenbewegung kämpfte auch um Einrichtungen, in denen misshandelte Frauen Schutz finden. Heute gibt es Frauenhäuser, doch sie sind immer noch zu wenige und meistens überfüllt. Warum sind Frauen Opfer von Gewalt? Daran können weder Frauenparkplätze, Überwachungskameras oder mehr Gefängnisse etwas ändern, sondern nur eine Gesellschaft, die nicht wegsieht, sondern hinsieht und sich darum kümmert, was mit anderen passiert.

Es gibt keinen Grund, auf andere Kulturen herabzusehen, weil sie Frauen unterdrücken, während wir hier angeblich frei und emanzipiert seien. Statt für die Rechte der MigrantInnen und AsylwerberInnen einzutreten, werden solche Argumente dazu benützt, sie noch weiter auszugrenzen. Wir sollten uns lieber solidarisieren und unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, was wir gemeinsam haben und was uns alle unterdrückt.

Heute ist die Technologie so weit fortgeschritten, dass Armut, Analphabetentum und Unterernährung schon der Geschichte angehören könnten. Die Menschheit ist an einen Punkt gelangt, an der die Erfüllung der Bedürfnisse aller durch gemeinsame Anstrengung erreicht werden könnte. Trotzdem herrschen in vielen Teilen der Welt Hunger, Krieg und Elend, und das Recht auf Bildung wird vielen Menschen, vor allem den Frauen, vorenthalten.

Wir sollten unsere Aufmerksamkeit auch darauf lenken, was Frauen in der ganzen Welt beitragen, um unsere Welt lebenswerter zu machen. In vielen Basisbewegungen kämpfen Frauen um gerechte Löhne und Arbeitsbedingungen und um die Erhaltung der Umwelt und unserer Lebensgrundlagen. Ihr Kampf findet meist nicht viel Aufmerksamkeit und Anerkennung durch die Mainstream-Medien. Solidarisieren wir uns mit diesen Frauen und zeigen wir Solidarität. Unterstützen wir sie in ihren Kämpfen für eine Zukunft, in der allen der gleiche Zugang zu Bildung, Ressourcen und einem menschenwürdigen Leben gewährt wird!

erschienen in: Talktogether Nr. 27/2009