China: Wenn Barbie sprechen könnte PDF Drucken E-Mail

Wenn Barbie sprechen könnte ...

"Jeden Tag arbeiten wir bei Temperaturen von fast 40 Grad. Die Gussmaschinen sind laut und heiß. Die Luft ist erfüllt mit scharfen chemischen Gerüchen. Ich muss die selben Bewegungen ständig wiederholen, immer und immer wieder, das Plastik in die Maschine füllen, die Maschine pressen, das Plastik herausholen ... Viele von uns können die Hitze und den Lärm nicht ertragen und fallen in Ohnmacht."

" Wir schlafen wenig. Vor Mitternacht kommen wir nicht in unsere Schlafräume. Es gibt nur zwei Bäder und manchmal müssen wir bis zu drei Stunden warten um zu duschen. Manchmal gibt es auch kein Wasser, dann können wir nicht einmal das Gesicht waschen oder die Zähne putzen. Wir sind immer erschöpft. Wir bekommen höchstens einen halben Tag frei, nur ganz selten einen ganzen Tag. Dann dürfen wir aber nicht im Schlafsaal bleiben, wir müssen ins Freie gehen und irgendwo unter einem Baum schlafen".


Barbie-Sortiment. Foto: Librarygurl (CC BY-SA 4.0)

Das sind die Aussagen von Arbeiterinnen in den Spiel­zeugfabriken in Guandong, China, die Spielzeug für Firmen wie Mattel/Fisher-Price, Hasbro, Toys R Us oder die "Happy Meal" Figuren für Mc Donald's herstellen. Spielzeug ist ein gutes Geschäft. Nach dem Tod Maos 1976 wurde von der neuen Regierung unter Deng Xiaoping der sozialistische Weg verlassen und der Kapitalismus in China wieder eingeführt. Heute hat sich in der Bevölkerung die Kluft zwischen arm und reich und zwischen Stadt und Land wieder vergrößert. Die chinesische Regierung hat die Tore für ausländische Firmen geöffnet und lockt sie mit Vergünstigungen  wie Steuerfreiheit, verminderte Umweltschutzbestimmungen an und stellt ihnen das beste Land und die Infrastruktur zur Verfügung. Von 1979 bis 1996 wurden 175.000 Milliarden US-Dollar von ausländischen Konzernen in China investiert. Chinas Regierung behauptet, diese Entwicklung wäre gut für das Wirtschaftswachstum. Während ein Teil der Bevölkerung zu Wohlstand gekommen ist, verarmt die Bevölkerung auf dem Land zusehends. Viele haben ihre Lebensgrundlage verloren und sind gezwungen in die großen Städte auszu­wandern. Dort landen sie in den Fabriken, wo sie für Hungerlöhne ausgebeutet werden.

Wegen Ãœberarbeitung gestorben

Die 19jährige Li Chunmei starb nach einer 16-Stunden Schicht in der Bainan Spielzeugfabrik in Soonggang. Von 8 Uhr in der Früh bis Mitternacht war sie auf den Beinen - immer hin und her laufend um Spielzeugteile von einer Maschine zur anderen zu bringen. Es war die Spitzensaison vor Weihnachten, wo sich die Bestellungen aus den reichen Ländern häuften. Li und ihre Kolleginnen hatten nicht einen einzigen Tag frei bekommen. Als sie in der Nacht auf ihrem Bett lag, klagte sie, dass sie sich ausgelaugt fühlte, erzählten ihre Zimmergenossinnen. Ihre Beine schmerzten und sie hustete, außerdem war sie hungrig - das Firmenessen war so wenig, dass man sich fühlte, als hätte man überhaupt nichts gegessen. Als ihre Zimmergenossinnen bereits eingeschlafen waren, begann Li Blut zu spucken. Sie fanden sie Stunden später im Bad, leise jammernd, aus der Nase und dem Mund blutend. Jemand rief die Rettung, doch als sie eintraf, war Li bereits tot. Das ist kein Einzelfall, es wird vermutet, dass Dutzende unter ähnlichen Umständen gestorben sind, aber die Todesursachen sind niemals untersucht worden. Die Arbeitszeiten und der Druck in den Spielzeug­fabriken sind unmenschlich. Die Arbeiterinnen werden gezwungen, bis zu 45.000 Stück pro Tag fertigzustellen. Die Löhne sind mager, die höchsten Löhne in der Hoch­saison betra­gen ca. 80,- € pro Monat, in schlechteren Monaten sind es aber bloß ca. 36 €, berichtet eine Arbeiterin aus einer Fabrik, wo "Kohlkopf"-Puppen, Star Wars Figuren und Barbiepuppen hergestellt werden:
"Mein Mann arbeitet auch hier. Meine Kinder leben zu Hause bei meinen Eltern. Mein Mann und ich kommen aus einem armen Dorf, wo auf dem Boden nichts wächst. Wir sind gezwungen getrennt zu leben, weil wir uns es nicht leisten können, ein Zimmer zu mieten"

"Toys of Misery"

Der "Toys of Misery"-Bericht über die Untersuchungen, die vom National Labor Committee aus den USA durch­geführt wurde, brachte erschreckende Tatsachen zu Tage. Die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Fabriken, die für die Spielzeugfirmen Mattel/Fisher-Price, Hasbro, Chicco, Disney, Toys R Us, Mc Donald's oder Warner Bros produzieren, arbeiten in Schichten von 15-20 Stunden, sieben Tage in der Woche für 12 bis 14 Cent pro Stunde und über 70 Stunden pro Woche. Sie sind ständig giftigen chemischen Dämpfen, Lärm und Hitze ausgesetzt; Arbeiterinnen, die krank oder schwanger werden, werden gezwungen zu kündigen. In den letzten Jahren wurden Hunderte Arbeiter und Arbeiterinnen durch Brände in den Fabrikhallen oder in ihren Schlafräumen getötet. Viele der ArbeiterInnen sind mit schweren Krankheiten wie Hepatitis B infiziert. Um nicht für die katastrophalen Arbeitsbedingungen verantwortlich gemacht werden zu können, lassen die Spielzeugkonzerne auf Lizenz von "unabhängigen Firmen" produzieren. Allerdings könnten die Firmen ihre Waren nicht so billig anbieten, wenn sie ihre Produkte nicht in armen Ländern produzieren ließen. Eine Palette Spielzeug, das für $ 76.99 in den USA verkauft wird, kostet den Firmen an Herstellungskosten nur 54 Cents. In einem anderen Fall kostete ein Spielzeug, dass für $ 1.99 verkauft wird, der Firma nur 3,5 Cents. Das Blut, der Schweiss und das Elend der ArbeiterInnen in China wird von den Konzernen in Spitzenprofite verwandelt.

Quellen:
"Toys of Misery" Report
China Labour Bulletin Website
Hong Kong Christian Industrial Committee: http://www.cic.org.hk

Fotos von Michael Wolf: http://photomichaelwolf.com/#the-real-toy-story-factories

erschienen in: Talktogether Nr. 1/2003

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