Nairobi/Somalia: mit Rap gegen religiösen Extremismus PDF Drucken E-Mail

„Waayaha Cusub“- AUFBRUCH IN EINE NEUE äRA

Eine somalische Rapgruppe in Nairobi erhebt ihre Stimme gegen Krieg und religiösen Extremismus

„Seit dem Tag meiner Geburt habe ich nur Krieg gekannt, keiner wusste mehr, was richtig und was falsch ist“, erzählt Mohamed, der schon als kleiner Junge gezwungen wurde, in Mogadischu Menschen bei Straßensperren Geld abzunötigen. Als er im Radio den einzigartigen Sound und die Botschaft der Hip-Hop-Gruppe Waayaha Cusub in Nairobi hörte, war er so beeindruckt, dass er sich entschloss, über die Grenze nach Kenia zu fliehen und sich der Gruppe anzuschließen. Heute ist seine Waffe das Mikrophon.

„Wir wollen den religiösen Extremismus nicht.
Wir wollen Freiheit,
die Freiheit zu hören, was wir wollen.
Wir wollen die Gesichter der Frauen sehen“.“

Waayaha Cusub bedeutet „Neue Ära“. Die Rapgruppe wurde 2004 in Nairobi von jungen Kriegsflüchtlingen aus Somalia gegründet. Die Gruppe wuchs rasch an, das jüngste Mitglied ist erst 10 Jahre alt. Heute präsentiert die Zusammensetzung der Gruppe eine Mischung verschiedener Identitäten in einer konfliktgeladenen Region. Inzwischen hat Waayaha Cusub vier Alben, 14 Musikvideos und einen Film produziert. Ihre Videos werden vor allem über das Internet verbreitet.

Die somalische Kultur hat eine reiche Tradition der Dichtkunst. In der Geschichte wurden Lieder und Gedichte auch immer dazu eingesetzt, um Botschaften zu vermitteln und zu verbreiten und sich gegen Unterdrückung zu wehren, so auch im Kampf um die Unabhängigkeit vom Kolonialismus. Während die ältere Generation traditionelle Lieder bevorzugt, die meist von Liebe handeln, singt Waayaha Cusub über Themen, die die jungen Menschen beschäftigen: über Freiheit, über Frieden und Versöhnung, über die Gewalt in Somalia, über die Rechte der Frauen und über AIDS, was von vielen konservativen Somalis als Tabuthema ansehen wird.

Seit zwei Jahrzehnten hat Somalia keinen Frieden erlebt. Heute terrorisiert Al Shabaab, eine „islamistische“ militante Bewegung in Somalia, die Teile der somalischen Bevölkerung, die sich noch nicht durch Flucht ins Ausland retten konnten. Al Shabaab, die aus dem radikalen und militanten Flügel der Union islamischer Gerichte hervorging, die Anfang 2007 entmachtet wurde, kämpft gegen die vom Westen gestützte Regierung in Mogadischu und kontrolliert seitdem Teile des Landes. Unterstützt wird die Organisation dabei von ausländischen Kämpfern, deren Ziel es ist, im Land einen Stützpunkt für ihre Aktivitäten in der Region aufzubauen. Zielgruppe sind junge Menschen ohne Perspektive, denn es ist nicht schwer, das Herz von Jugendlichen zu gewinnen, die nichts anderes kennen als Krieg. „Sie reden vom heiligen Krieg, führen junge Menschen auf Irrwege und bilden sie zu Milizen aus“, erzählt der Bandgründer Abdullahi Shiino.

„Sie sind unfreundlich,
sie lehren Terrorismus und wertlose Lektionen,
sie verursachen Leid,
sie verblenden die Leute,
flößen ihnen Drogen ein und zwingen sie,
ihre Väter und Verwandten zu töten.“

Die Mitglieder von Waayaha Cusub sind nicht bereit, die Zustände hinzunehmen und wollen ein Zeichen für Freiheit und Frieden setzten. Mit ihren Rap-Lyrics versuchen sie, ihre somalischen Landsleute zu ermutigen, sich gegen Al Shabaab zu erheben. Für den Song “No to Al Shabaab” hat sich Waayaha Cusub mit der kenianischen Gruppe "Ukoo Fulani“ zusammen getan, der Song enthält Lyrics in Suaheli, Englisch und Somali: „Wir haben uns entschlossen, mit
Ukoo Fulani zusammenzuarbeiten, damit Jugendliche nicht nur in Somalia, sondern auch in Kenia, in anderen Regionen und in der Dispora den Text verstehen, denn Al Shabaab rekrutiert Jugendliche in der ganzen Welt.

7000 Kopien des Albums wurden an die BewohnerInnen Nairobi's Eastleigh Viertel, in dem viele somalische EmigrantInnen leben, verteilt. „Wir wollen den Leuten die Angst nehmen, die sie lähmt und hindert, etwas gegen Al Shabaab zu sagen“, sagt Shiino, der Gründer der Gruppe. Als das neue Album herauskam, verzeichnete die Website der Gruppe 100.000 Zugriffe, doch dann wurde sie beschädigt und ist heute nicht mehr aufrufbar.

Quincy Brian, der sich Q. Rap nennt, war vor Jahren als politischer Flüchtling aus Äthiopien nach Kenia gekommen. Als die äthiopische Armee in Somalia einrückte wurden die Bandmitglieder massiv unter Druck gesetzt wurden, ihn aus der Band auszuschließen. „Trotzdem haben sie immer zu mir gehalten“, erzählt Q. Rap, „die Jugend kann wirklich etwas von uns lernen“.

Eine Botschaft nach Somalia

Shiino Abdullahi ist überzeugt, dass ihre Songs die Jugendlichen erreichen. Es gibt Beispiele von Jugendlichen, die ihre Waffen weglegten, nachdem sie die Lieder von Waayaha Cusub gehört hatten. Auch einige der Bandmitglieder waren früher Kindersoldaten. Die meisten Bandmitglieder wünschen sich nichts sehnlicher, als nach Somalia zu fahren, um dort vor ihren Landsleuten auftreten zu können, aber das ist viel zu gefährlich. „Aber das ist auch nicht so schlimm, denn über das Radio erreichen wir ja auch die Menschen in Somalia“ sagt Shiino.

Doch Bedrohung und Gefahr sind näher gerückt. Auch in den Straßen von Kenia sind die Bandmitglieder nicht mehr sicher. Einige der Gründungsmitglieder sind schon aus Angst vor Angriffen nach Uganda weiter geflüchtet. Shiino Abdullahi wurde 2007 angeschossen und verwundet. „Der Angriff sollte die Gruppe zum Schweigen bringen, doch das hat nicht funktioniert“, sagt Shiino.

„Zu viele Menschen wurden schon getötet.
Es gibt keine Schulen,
es gibt keinen Frieden.
Lasst uns unser Land wieder aufbauen.“

Die 23-jährige Felis tritt in einem Video mit Jeans und ohne Kopftuch auf. „Sie sagen, ich sei keine Muslimin, weil ich Hosen trage“, sagt sie, „doch ich werde meine Mission nicht aufgeben, nur um die Wünsche anderer Menschen zu erfüllen“. In ihren Liedern singt sie über das Recht der Frauen, sich selbst auszusuchen, wen sie lieben, und richtet sich gegen die verbreitete Praxis vieler Familien, Frauen aufgrund von Vermögen oder wegen der Clanzugehörigkeit mit Zwang zu verheiraten. Heute geht Felis nur mehr verschleiert durch die Straßen von „Little Mogadisho“, wie das Eastleigh Viertel genannt wird, weil sie fürchtet, mit Steinen beworfen zu werden, wenn sie erkannt wird. Doch trotz aller Drohungen ist sie nicht bereit, sich einschüchtern zu lassen. Woher sie den Mut nimmt? „Weil ich die Musik liebe und weil ich davon überzeugt bin, mit meinen Liedern etwas verändern zu können“, sagt Felis.

Quellen: www.freemuse.org, www.muslimsdebate.com, www.csmonitor.com

Video No to Al Shabaab: http://www.youtube.com/watch?v=OxaZWrZB4VU

erschienen in: Talktogether Nr. 32/2010