Gespräch mit Sally Goldenboy PDF Drucken E-Mail

 Gespräch mit Sally Goldenboy

Busfahrer, Sänger und Gründer des SoriNaTu-Kinderhilfeprojekts in Ghana

Talktogether: Du bist der erste afrikanische O-Busfahrer in Salzburg. Wie bist du dazu gekommen?

Sally: In vielen Ländern ist es heute ja nicht mehr ungewöhnlich, einen Afrikaner als Busfahrer zu sehen. Ich bin immer auf der Suche nach Neuem. Ich denke, um herrschende Vorurteile zu entkräften, sollten wir Afrikaner uns präsentieren und beweisen, dass wir alles schaffen können, wenn wir nur die Gelegenheit dazu haben. Wir leben und arbeiten hier und deshalb wollen wir nicht immer nur Hilfsarbeiter bleiben. Ich bin mehr als zehn Jahre lang mit dem LKW gefahren, dann wollte ich mich weiter qualifizieren. Die Arbeit als Busfahrer hat mich interessiert, weil ich mich nicht verstecken möchte. Ich bin ein offener Mensch und habe gerne mit Leuten Kontakt.

Talktogether: Wie ist deine tägliche Erfahrung mit deinen Fahrgästen?

Sally: Ich muss sagen, dass es sehr viele nette Fahrgäste gibt. Manchmal kommt es allerdings auch zu unangenehmen Begegnungen, so dass ich manchmal schon gezweifelt habe, ob das die richtige Arbeit für mich ist. Aber im nächsten Augenblick kommt dann wieder jemand und sagt mir, wie gut er es findet, dass ich diese Arbeit mache. Die guten Erfahrungen überwiegen bei weitem. Am Anfang waren die Fahrgäste schon ein bisschen skeptisch, weil die Erfahrung für sie neu war. Da hörte ich manchmal, wie sie flüsterten: „Schau, der Neger da vorne“. Aber seit die Leute erkannt haben, dass ich meine Arbeit gut mache und vertrauenswürdig und freundlich bin, ist es wirklich anders geworden, und ich habe sehr viel Lob bekommen. Manche Leute steigen mit einem bösen Gesicht ein, doch bevor sie aussteigen, kommen sie zu mir und sagen: „Hut ab! Respekt!“ und bedanken sich, dass ich sie gut nach Hause gebracht habe. Das gibt mir Mut.

Talktogether: Wie geht es dir mit den Kollegen?

Sally: Ich wurde von der Mehrzahl der Kollegen sehr freundlich aufgenommen. Aber dass ich von den Fahrgästen so viel Lob bekommen habe, ist nicht bei allen so gut angekommen und manche wurden ein bisschen neidisch. Trotzdem muss ich sagen, dass ich mich mit den Kollegen gut verstehe und wir miteinander viel Spaß haben.

Talktogether: Was machst du anders als sie?

Sally: Ich mache gar nichts anders. Ich versuche nur, meinen Job gut zu machen und alles zu geben. Ich helfe älteren Leuten beim Einsteigen und warte, wenn ich sehe, dass jemand rennt, um den Bus zu erwischen. Dafür sind die Leute dankbar. Viele fahren gerne mit mir, manche steigen sogar um, wenn sie mich sehen, um sich mit mir zu unterhalten. Manchmal bekomme ich auch kleine Geschenke von den Fahrgästen. Das macht mir große Freude.

Talktogether: Du bist nicht nur Busfahrer, sondern auch Sänger und hast CDs herausgegeben. Der Erlös vom Verkauf dieser CDs kommt einem Projekt in deiner Heimat Ghana zugute. Was war deine Motivation für das Projekt?

Sally: Es macht mich traurig zu sehen, wie viele Menschen versuchen, nach Europa zu flüchten, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive haben. In 10 Jahren sind mehr als 20.000 Menschen im Meer ertrunken beim Versuch, mit einem Boot nach Europa zu gelangen. Und das sind nur die offiziellen Zahlen, ich möchte gar nicht wissen, wie viele es in Wirklichkeit sind. Jeder und jede Einzelne hat einen persönlichen Grund, manche sind politisch verfolgt oder flüchten vor Krieg, andere flüchten vor der Armut.

Wer würde schon sein Land und alle Menschen, die ihm nahe stehen, ohne Grund verlassen? Als Flüchtling lebst du hier doch wie in einem Gefängnis. In der Heimat würde auch niemand „Neger“ zu dir sagen. Flucht ist niemals freiwillig. Leider glauben aber auch viele, dass in Europa das Geld auf der Straße liegt. Sie wissen nicht, dass es auch hier viele Probleme gibt, wie die steigende Arbeitslosigkeit. Ich möchte etwas dazu beitragen, dass die Menschen in meinem Land eine Chance bekommen, sich dort eine Zukunft aufzubauen.

Talktogether: Wem soll das Projekt zugute kommen?

Sally: Wenn Not herrscht, sind Kinder und Jugendliche, die keine Eltern haben, die ersten Opfer. Besonders schlimm ist die Situation von Kindern, deren Eltern an AIDS gestorben sind, weil sie von den anderen aus Angst ausgegrenzt werden. Diese Kinder, die niemanden haben, wollen wir mit diesem Projekt unterstützen. Andere haben zwar Eltern, diese haben aber kein Geld, um ihren Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen. Die Familien sind meist sehr kinderreich. Wenn die Eltern keine Arbeit und kein Einkommen haben, müssen die Kinder betteln oder etwas auf der Straße verkaufen, damit die Familie etwas zu essen hat. Eine typische Kinderarbeit ist auch die Arbeit auf den Kakaoplantagen, wo die Löhne extrem niedrig sind. Ein anderes Problem ist auch, dass junge Mädchen oft mit alten Männern verheiratet werden, weil ihre Eltern keine andere Möglichkeit sehen, ihre Töchter zu ernähren.

Talktogether: Wie sollen die Kinder unterstützt werden?

Sally: Ich habe ein Grundstück in meiner Heimatgemeinde gekauft, das befindet sich im Westen von Ghana, 200 km entfernt von der Grenze zu Côte d'Ivoire. Der Grund ist groß genug, dass wir nicht nur ein Kinderheim, eine Schule und Werkstätten errichten können, sondern auch die Möglichkeit haben, Gärten und Felder anzulegen, um autonom zu bleiben und den Kindern eine gute Ernährung zu garantieren.

Talktogether: Wie wollt ihr vorgehen, um euer Ziel zu erreichen?

Sally: Gemeinsam mit Hildegard Göbel habe ich den Verein SoriNaTu gegründet, was in meiner Sprache heißt: „Steh auf und flieg“. Wie der Name andeutet, möchte der Verein den Kindern und Jugendlichen auf die Beine helfen, d. h. ihre grundlegenden Bedürfnisse müssen zuerst erfüllt werden, damit sie sich gesund entwickeln können, um dann selbständig „fliegen“ zu lernen. Das bedeutet neben Nahrung, Kleidung und einem Dach über dem Kopf auch Zuwendung, Fürsorge und eine gute Schul- und Berufsausbildung, denn sie sollen nicht abhängig von Hilfe von außen bleiben, sondern später eine Arbeit finden und für sich selbst sorgen können. Nur so haben sie in der Zukunft eine Chance und können mithelfen, ihr Heimatland zu entwickeln. Vorort gibt es genügend Menschen aus kleinen Organisationen, Kirchen- und Dorfgemeinden, die mithelfen wollen und schon darauf warten, mit der Arbeit beginnen zu können.

Talktogether: Worüber singst du in deinen Liedern?

Sally: Zehn Jahre lang habe ich mit einer Gruppe Live-Musik gemacht. Die CDs habe ich aber solo herausgegeben. Drei dieser CDs: „Burger Alande“, „Keine Gewalt gegen Kinder“ und „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“ verkaufe ich, um damit das Projekt zu unterstützen. Doch die Musik habe ich nicht nur für das Projekt gemacht, denn die Rechte der Kinder weltweit sind mir ein großes Anliegen. Auch hier in Österreich gibt es Gewalt gegen Kinder. Kinder sind unsere Zukunft und unsere Hoffnung, deshalb müssen wir dafür sorgen, dass sie möglichst gute Voraussetzungen für das Leben bekommen. Mit meinen Liedern will ich die Leute sensibilisieren. Es sind nicht immer nur die großen Katastrophen, die in die Schlagzeilen kommen, auch in wenig beachteten Handlungsweisen steckt oft Gewalt. Mit meinen Liedern spreche ich mich gegen jede Art von Gewalt gegen Kinder aus, egal an welchem Ort der Welt sie passiert.

Talktogether: Wie kann man euren Verein unterstützen?

Sally: Man kann den Verein als Mitglied fördern, man kann CDs kaufen und es gibt auch ein Spendenkonto. Wir brauchen aber nicht nur Geld, sondern auch andere Arten von Unterstützung wie Kontakte, Tipps und Informationen. Wir sind offen für alle, die Ideen haben und sich einbringen wollen. Das Projekt steht ja erst ganz am Anfang, wie es sich entwickelt, hängt von den Menschen ab, die sich für das Vorhaben begeistern und mitarbeiten. Wir freuen uns, wenn Leute nach Ghana fahren möchten, um unser Projekt zu besuchen. Wie gesagt, das Grundstück ist groß und es besteht die Möglichkeit, Schritt für Schritt ein Zentrum für verschiedene Aktivitäten aufzubauen. Das können wir aber nur mit vereinten Kräften schaffen, deshalb haben wir jede Art von Unterstützung wirklich sehr nötig.

Talktogether: Es gibt viele Organisationen, die für Projekte in Afrika Spenden sammeln. Was ist bei euch anders?

Sally: Erstens gibt es bei uns keine Verwaltung, jeder Euro kommt ohne Umwege dem Projekt zu Gute. Zweitens, wir wollen nicht, dass die Kinder nur darauf warten, bis sie etwas bekommen und von der Hilfe abhängig werden. Wir wollen sie dazu befähigen, sich in Zukunft selbst zu helfen. Wenn die Kinder nach der Schule eine Berufsausbildung bekommen, z.B. ein Handwerk erlernen, sind sie später in der Lage, ihr Wissen und ihr Können weiterzugeben. Wir wollen nicht mehr betteln müssen: „Wir sind arme Afrikaner, bitte helft uns!“ Wir wollen nicht auf Brot warten, wir wollen eine Küche bauen, damit wir selbst Brot backen können.

Talktogether: Gibt es in Ghana keine öffentlichen Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten?

Sally: Die gibt es an sich schon. Es gibt Schulen, aber das Problem ist, dass sich viele Eltern die Schulgebühr, die Bücher oder die Schuluniformen nicht leisten können. Manche bringen vielleicht einmal das Geld für eine Schuluniform auf. Doch was passiert, wenn sie kaputt wird oder nicht mehr passt? Viele müssen deshalb die Kinder wieder aus der Schule nehmen. Aber wenn die Kinder keine Bildung bekommen, stehen sie auf der Straße.

Talktogether: Was passiert mit dem vielen Geld, das AfrikanerInnen, die in Europa oder Nordamerika arbeiten, an ihre Verwandten nach Hause zurück überweisen?

Sally: Ja, das ist richtig, es wird sehr viel Geld nach Afrika geschickt. Doch meistens ist es schnell verbraucht. Vielleicht kann die Schule ein Semester lang bezahlt werden. Oder jemand ist krank. Um vom Arzt behandelt zu werden, muss man Geld vorweisen. Es gibt ja keine Kranken- oder Sozialversicherung wie hier. Viele sterben, weil das Geld fehlt, Menschen sterben wegen fünf Euro. Es gibt also immer jemanden, der in Not ist und dringend Unterstützung benötigt. Darum gelingt es nur sehr selten, dass mit dem in Europa hart erarbeiteten Geld eine nachhaltige Einkommensquelle für die Menschen in Afrika geschaffen werden kann. Man verbraucht das Geld und wartet auf die nächste Überweisung. Doch was passiert, wenn kein Geld mehr kommt?

Talktogether: Was ist das Ziel deines Projekts?

Sally: Mein Hauptziel ist, dass es keine Kinder mehr auf der Straße gibt. Jedes Kind soll ein Zuhause haben, Ernährung, Kleidung und eine Chance auf Schule und Ausbildung. In meiner Heimat ist es grün, die Erde ist fruchtbar, es gibt alles, was die Menschen brauchen. Mein Wunsch ist, dass die Menschen nicht mehr aus ihrer Heimat auswandern müssen, sondern die Chance haben, sich in ihrem eigenen Land selbst mit allem zu versorgen, was sie benötigen. Es liegen gewaltige Anstrengungen vor uns, aber ich bin überzeugt, dass wir unser Ziel mit vereinten Kräften erreichen können.

Talktogether: Danke für das Gespräch. Alles Gute und viel Erfolg!

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Kontakt: Saliah Razak, Goethestr. 9, 5020 Salzburg, Tel: 0676-86860992, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann.
In Deutschland: Hildegard Göbel, Kornblumenweg 6, 85445 Notzing, eMail: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann.
Konto: Salzburger Sparkasse, Konto Nr. 0040653081, BLZ: 20404, IBAN: AT 79 2040400040653081

erschienen in: Talktogether Nr. 33/2010