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Gespräch mit John Mataro aus Tansania
TT: Wie lang lebst du in Österreich und welche Erfahrung hast du als Afrikaner hier gemacht?
John: Ich bin genau am 1.Oktober 1979 direkt von Tansania nach Salzburg gekommen, um hier am Tourismus Kolleg mein Diplom im Hotelmanagement zu machen. Gleichzeitig begann ich eine Ausbildung zum Koch. Danach begann ich in Innsbruck BWL zu studieren, aber weil das neben meiner Arbeit als Koch sehr anstrengend war, habe ich das Studium abgebrochen und an der Universität Salzburg einen Hochschullehrgang für Fremdenverkehrswerbung und Kongresswesen absolviert.
Damals haben die Leute nicht viel über Afrika gewusst. Manche meiner Kollegen haben sich vorgestellt, dass man mir erst Hemd und Hose gegeben hat, bevor ich ins Flugzeug eingestiegen bin. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert, heute gibt es genug Reiseangebote, die Leute beschäftigen sich mit der afrikanischen Kultur, man kennt afrikanische Musik, Fußball und im Internet gibt es genügend Information. Trotzdem ist das alte Bild vom hungernden und unzivilisierten Afrikaner noch nicht ausgelöscht, aber es ist differenzierter, vor allem bei jüngeren Leuten.
TT: Was hat sich deiner Meinung nach seither verändert?
John: Heute wird von mangelnder Integration geredet, oder dass die Ausländer den Inländern die Arbeitsplätze wegnehmen. Als ich nach Salzburg gekommen bin, stellte sich diese Problematik noch nicht. Die Unternehmer sind selbst zum Arbeitsamt gegangen, um eine Arbeitsbewilligung zu beantragen, weil sie interessiert an Fachkräften waren. Ausländer wurden damals noch nicht als Konkurrenten angesehen, es gab auch kaum ausländische Fachkräfte, die meisten arbeiteten als Hilfskräfte. Aber in der Küche gibt es strenge Hierarchien und manche Kollegen hatten ein Problem, mich als Fachkraft zu akzeptieren, deshalb musste um Anerkennung kämpfen.
TT: Wie bist du damit umgegangen?
John: Ich habe mich bemüht, meine Arbeit so gut wie möglich zu machen, um nicht angreifbar zu sein und meinen Kollegen gegenüber hilfreich zu sein. Geholfen hat mir auch meine Fähigkeit, bei der Arbeit immer die Ruhe zu bewahren. Koch ist eine knochenharte Arbeit und in der Küche gibt es oft sehr viel Stress, z.B. bei Saisonarbeit, 45-50 Stunden in der Woche, 9-10 Stunden pro Tag. Doch auch beim größten Stress bleibe ich ruhig, beginne beispielsweise zu singen... Viele Kollegen haben sich von mir abgeschaut, wie man mit Stress umgehen kann.
TT: Siehst du dich selbst als integrationswillig?
John: Wenn man nicht versucht, von beiden Seiten aufeinander zuzugehen, wird es immer Konflikte geben. Österreich war in der Geschichte ein Vielvölkerstaat, Wien ist eine multikulturelle Stadt, jedes Jahr kommen Millionen Touristen nach Österreich. Die Wiener Küche ist voller Einflüsse aus Ungarn, Böhmen, vom Balkan. Viele österreichische Künstler und Wissenschaftler waren jüdischer Abstammung oder kamen aus Osteuropa. Woher kommt trotzdem die Angst vor dem Fremden? Es gibt genug positive Beispiele für Integration, doch die werden selten in den Medien gezeigt. Aber solange Integration ein politischer Faktor ist, wird es Parteien geben, die die Probleme aufblasen, um Kapital daraus zu schlagen.
TT: Was denkst du über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit?
John: Misstrauen gegenüber Fremden ist etwas, was in jeder Kultur zu finden ist, auch in Afrika. Doch diese Ressentiments werden gezielt für politische Zwecke eingesetzt. Wenn es wirtschaftliche Probleme und Arbeitslosigkeit gibt, ist es leicht, Fremden die Schuld zuzuweisen. Hitler hat diese Strategie eingesetzt, auch in Bosnien oder beim Iran-Irak-Krieg war das so. Aber wer wird an die Front geschickt? Die wenig Gebildeten, die Armen! Wenn es in Afrika einen Konflikt gibt, schicken die Eliten ihre eigenen Kinder nach Europa oder Amerika.
TT: Hast du das Gefühl, dass AfrikanerInnen von der österreichischen Politik als Zielgruppe angesehen werden?
John: Wenn AfrikanerInnen von der Politik beachtet werden wollen, müssen sie sich auch selbst aktiv einbringen. Wenn ich heute einer Partei beitreten will, egal welcher, bin ich bestimmt willkommen. Ich habe mir persönlich aber andere Ziele gesetzt, als mich in der Parteipolitik zu engagieren, aber selbstverständlich gehe ich zur Wahl und schätze es, dieses Recht zu haben. Natürlich wäre die Stimme der AfrikanerInnen stärker, wenn sie besser organisiert wären, aber es ist nicht einfach, die Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen in einen Verein zu bringen, auch wenn wir hier mit denselben Problemen konfrontiert sind.
TT: Vor fünfzig Jahren standen große Ideen des Panafrikanismus im Vordergrund. Sind diese Konzepte gescheitert?
John: Die Idee vom Panafrikanismus ist im Grunde eine Utopie. Aber auch Demokratie ist eine Utopie. Es stellt sich die Frage, wie Utopien in die Realität umgesetzt werden können. Die afrikanischen Staaten sind keine gewachsenen Nationalstaaten wie die europäischen, sondern wurden von den Kolonialmächten auf der Landkarte gezogen. Die meisten afrikanischen Politiker haben nach der Unabhängigkeit mit denselben Mitteln weiter gearbeitet, die der Kolonialismus eingesetzt hat, um seine Macht zu sichern. Die Stammesangehörigkeit blieb im Vordergrund und die einzige Verbindung zwischen den unterschiedlichen Stämmen blieb eine fremde Sprache. Die Konkurrenz zwischen den Stämmen ist durch die Politik noch verstärkt worden. Wenn du dem Stamm des Präsidenten angehörst, hast du mehr Zugang zur Macht, und das weckt den Neid der anderen. Wenn es aber nicht einmal gelingt, in einem Land Einigung zu erzielen, wie kann es eine Einheit in ganz Afrika geben? Wo war der Panafrikanismus, als es Probleme in Ruanda, Burundi, Zimbabwe oder Somalia gab? Wann haben sich afrikanische Präsidenten bei Hungerkrisen und Flüchtlingsproblemen an einen runden Tisch gesetzt, um die Probleme zu lösen?
TT: Wie war die Entwicklung in Tansania?
John: Als Tansania im Dezember 1961 unabhängig wurde, gab es keine Universität und fast 90 Prozent der Bevölkerung waren AnalphabetInnen. Unser Präsident Julius Kambarage Nyerere hat aber die Problematik des künstlichen Staatsgebildes von Anfang an erkannt und meiner Meinung nach die richtigen Schritte gesetzt, indem er die Chiefs entmachtete. Die Engländer und vorher die Deutschen haben immer mit den Königen und Häuptlingen zusammengearbeitet, Nyerere aber hat versucht, ein Nationalgefühl zu entwickeln: Unsere Stammesangehörigkeit ist sekundär, wir bilden alle zusammen eine Nation. Er hat Suaheli als Amtssprache deklariert und als Unterrichtssprache in den Schulen eingeführt. So wurde auch die Weiterentwicklung der Sprache gefördert. Jedem Tansanier wurde das Recht zugesprochen, überall in diesem Land zu leben, er musste sich nur bei der lokalen Behörde melden und bekam einen Grund zugewiesen. Das Prinzip war: Dieses Land gehört uns und jede und jeder hat das Recht, auf diesem Land zu leben, es gab keine Grundbesitzer. Es war nicht schwer, den Leuten diese Prinzipien beizubringen, denn in unserer Kultur lernt man von Anfang an „wir“ zu sagen und zu denken, und nicht „ich“. Dieses „wir“ mit politischen Slogans umzuwandeln und auf die Nation anzuwenden, war nicht schwer, denn es war mit unserer Tradition im Einklang.
TT: Was ist heute aus diesen Bestrebungen geworden?
John: Heute haben sich in Ostafrika die Länder Tansania, Kenia, Uganda, Ruanda und Burundi zu einer Wirtschaftsunion zusammengeschlossen. Immer noch wird die Produktion von Cash Crops wie Kaffee, Baumwolle oder Tee für den Export gefördert. Meiner Meinung nach sollte besser in die Produktion von Gütern investiert werden, die im Land oder in der Region gebraucht werden. Aber die afrikanischen Länder sind hoch verschuldet und um die Schulden zu bezahlen, müssen sie für den europäischen Markt produzieren. Solange die Länder von den Krediten abhängig sind, müssen sie weiter Rohstoffe für den Export produzieren. In Tansania ist es nicht gelungen, eine Industrie aufzubauen. Was an Nyerere positiv war, war die Entwicklung eines Nationalbewusstseins, aber wirtschaftlich ist auch er gescheitert. In Tansania, das heuer sein 50-jähriges Unabhängigkeitsjubiläum feiert, gibt es zwar heute viele Schulen und Universitäten und bis heute gab es keine Bürgerkriege. Aber die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer und die Mittelschicht wächst nur langsam.
TT: Was denkst du über Religion bzw. Religionen?
John: Religion ist leider in Afrika heute ein sehr großer Faktor für die Unruhe geworden. Es gibt die zwei großen Religionen, das Christentum und der Islam, beide wurden von Fremden nach Afrika gebracht und das nicht freiwillig, sondern durch Sklaverei und Kolonialismus. Voodoo und andere afrikanische Kulte werden als primitiv und gefährlich angesehen. Aber haben sich nicht auch in Österreich christliche und vorchristliche Traditionen vermischt, beispielsweise Nikolaus und Krampus? Solange Religionen für politische Zwecke instrumentalisiert werden, werden sie einen Unruhefaktor darstellen. Der Konflikt zwischen Christen und Muslimen ist importiert und die Menschen in Afrika haben in Wirklichkeit andere Bedürfnisse, nämlich Frieden, Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung. Aber gerade wenn es den Menschen schlecht geht und sie unzufrieden sind, suchen sie Zuflucht in der Religion. Wir haben unsere eigene Kultur und unsere Traditionen vernachlässigt und eine importierte Kultur angenommen und unsere Wurzeln verleugnet.
Man darf auch nicht den Fehler machen und alle Probleme auf die Europäer schieben. Wir haben durch sie auch viel Positives erfahren. Ich persönlich habe viel von dem profitiert, was ich in der Missionsschule gelernt habe. Auch meine Weltanschauung ist von der christlichen Denkweise geprägt. Aber letztlich handelt es sich um die gleichen Werte, die es auch in unserer afrikanischen Kultur und Tradition gibt, nämlich um universelle humanistische Werte.
TT: Du organisierst Eco-Tours nach Tansania. Was bedeutet Ökotourismus?
John: Hier in Österreich habe ich die Idee vom sanften Tourismus durch Robert Jungk kennen gelernt. Ökotourismus bedeutet, die Bevölkerung des Landes sollte vom Tourismus ökonomisch profitieren. Ich habe gesehen, dass in Tansania nur die Investoren vom Tourismus profitieren, aber – abgesehen von der Steuer und ein paar Arbeitsplätzen – nicht die Bevölkerung. Der Tourismus ist eine fremde Industrie und der Gast lebt abgeschirmt von der Bevölkerung wie in einem Ghetto. Ich habe gesehen, dass das in Österreich anders ist. Über 70 Prozent der Tourismusindustrie sind in österreichischen Händen. Die österreichische Bevölkerung ist auch selbst Konsument. Man verkauft lokale Produkte und Spezialitäten wie Wiener Schnitzel oder Kasnockn und die Gasthäuser sind im typisch österreichischen Stil gebaut. Mit der Tourismusindustrie sind auch die Lebensmittelindustrie und die Landwirtschaft verbunden. Da bin ich auf die Idee gekommen, Touren von Österreich nach Tansania zu organisieren. Ich möchte, dass meine Landsleute davon profitieren. Ich arbeite deshalb ausschließlich mit einheimischen Reisebüros und mit Gasthäusern, die von Einheimischen geführt werden. In Afrika haben wir bis jetzt noch biologische Agrarprodukte. Als Koch stelle ich die Frage, wie können die einheimischen Gerichte an den Geschmack der Gäste angepasst werden. In Österreich wird ja auch Großmutters Küche verfeinert und an die Bedürfnisse der Gäste angepasst. Ich möchte mein Know How in Tansania einsetzen um zu erreichen, dass die Menschen in Afrika schätzen lernen, was sie haben.
TT: Wenn man mit dir eine Reise nach Tansania macht, was kann man dort erleben?
John: Ich möchte meinen Gästen meine Heimat zeigen, so wie sie ist, und meinen Leuten das Gefühl vermitteln, dass sie die Gastgeber sind und die Gäste nicht nach Tansania kommen, um sie zu verändern, sondern von ihnen zu lernen. Wir gehen zu Fuß in ein Dorf, wo es keine Straße und keinen Strom gibt, oder sitzen mit den Frauen auf den Markt und diskutieren mit ihnen. Es gibt kein fixes Programm, sondern jede Tour ist an die Wünsche und Interessen der Gruppe angepasst: Naturerlebnisse, Nationalparks besichtigen, Bergsteigen, auch ein paar Tage am Strand. Wenn LehrerInnen in der Gruppe sind, besuchen wir eine Schule und bieten ihnen Gelegenheit, Erfahrungen mit einheimischen LehrerInnen auszutauschen. Am meisten können die Gäste von den Gesprächen mit der einheimischen Bevölkerung erfahren: Wo gibt es Schulen, wo ist das nächste Krankenhaus, wo kommt das Wasser her? Wenn man erfährt, was Wasserknappheit bedeutet, schätzt man, dass man in Europa Wasser und Strom hat.
TT: Danke für das Gespräch!
erschienen in Talktogether Nr. 36/2011
TanzainaEcoTours: http://www.tanzaniaecotours.com eMail:
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