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Das Leben meines Computers

von Johannes Knierzinger

Heute ist es für uns ganz selbstverständlich, dass wir in Sekundenschnelle Informationen rund um die Welt versenden können. Aber auch die Maschinen selbst, die diese virtuelle Welt ermöglichen, sind Weltenbummler. Bevor ein PC auf unserem Schreibtisch landet, hat er bereits mehrmals die Welt umrundet. Und auch nach seinem immer kürzer werdenden Einsatz in unseren Wohnzimmern - dieser lag 2007 bei etwa zwei Jahren - begibt er sich wieder auf Wanderschaft.

Das „Leben“ eines Computers beginnt in den verschiedensten Rohstoffabbaugebieten der Welt - meist im globalen Süden - und endet in vielen Fällen auch wieder in den betreffenden Staaten. Im Moment werden weltweit pro Sekunde etwa 10 Computer erzeugt (Tendenz steigend), aber nur 2,6 Menschen geboren (Tendenz fallend).

Für das Zusammenbauen der einzelnen Computerkomponenten sind riesige transnationale Konzerne zuständig, deren Fabriken mittlerweile zum Großteil in Asien und zum Teil noch in Osteuropa stehen und deren Namen nur wenige kennen, obwohl vier dieser Konzerne - Flextronics, Foxconn (Hon Hai), Sanmina-SCI, und Celestica - gemeinsam dreiviertel aller Computer weltweit herstellen. Natürlich beziehen auch diese Kon­zerne die meisten Bestandteile der Computer (Festplatten, Laufwerke etc.) wieder von anderen Herstellern und versuchen damit die Verantwortung für die Produktionsbedingungen und die verursachte Umweltverschmutzung weiter auszulagern.

Die Arbeitsbedingungen sind vergleichbar mit den Sweat-shops der globalen Textilindustrie: In den Fabrikhallen arbeiten meist junge, unverheiratete Frauen aus ländlichen Gebieten, die einem für europäische Verhältnisse unvorstellbaren Drill ausgesetzt sind und sehr oft unter gesundheitsschädlichen Bedingungen für Löhne arbeiten, die nicht einmal die eigenen Lebens­erhaltungskosten decken. Schon 1981 wurde in Silikon Valley ein starker Anstieg der Missgeburten wegen giftigen Stoffen im Grundwasser festgestellt - dasselbe passiert jetzt z.B. in China. Weltweit werden bei Arbeiterinnen in der Elektronikindustrie 30% mehr Fehlgeburten festgestellt.

Die bekannten Markenkonzerne wie Apple, Acer und HP kontrollieren diese weltumspannenden Produktionsnetzwerke, fühlen sich für diese aber bis jetzt nicht verantwortlich. Sie selbst erledigen nur mehr Vermarktung und Design, die Verantwortung für die sozialen und ökologischen Auswirkungen der anderen Produktionsschritte versuchen sie auf andere Konzerne abzuwälzen.

Aufgrund der Struktur der globalen Computerproduktion findet der Großteil der Wertschöpfung noch immer im globalen Norden statt, obwohl in den betreffenden Staaten keine einzige Fabrikhalle mehr steht, die Computer produziert. Zudem entsteht durch solche Produktionsketten nur in wenigen Fällen eine nachhaltige wirtschaftliche Dynamik in den betreffenden Län­dern. Die global operierenden Unternehmen beuten Arbeitskraft aus und ziehen dann wieder ab, wenn diese zu teuer wird (wie zum Beispiel im Moment in Osteuropa) oder eine Krise stattfindet.

Die „Entsorgung“ der Computer erfolgt zu einem großen Anteil in Asien und Afrika, wobei es sich dabei in vielen Fällen eher um illegale „Endlagerung“ handelt. In Ghana etwa landet dieser Computermüll mitten in der Hauptstadt Accra, in der sogenannten Korle-Lagoon, die dadurch zu einem der meist verschmutzten Gewässer weltweit wurde – was die lokalen Fischer und die vor der Küste kreuzenden internationalen Fischfangflotten natürlich nicht davon abhält weiter dort zu fischen und die im Schrott enthaltenen Giftstoffe damit auch wieder zurück in europäische und amerikanische Blutbahnen zu lenken.

Dabei ginge es auch anders: Zum Beispiel gibt es bereits eine Reihe von Gütesiegeln und Produktionsstandards, auf die sich die großen Player in der Computerproduktion geeinigt haben. Sie reagieren damit auf den Druck von KonsumentInnen und besorgten BürgerInnen in aller Welt. Bisher handelt es sich jedoch vor allem um gute Vorsätze: Diese sogenannten CSR-Standards (Corporate Social Responsibility) sind bis jetzt aus­schließlich freiwillige Maßnahmen, die noch dazu von den Unternehmen selbst ausgearbeitet werden. Zuallererst sind das also Marketingstrategien, die aber in anderen Bereichen - zum Beispiel im Textilsektor - durchaus zu Verbesserungen geführt haben. Im sogenannten Kerngeschäft - bei Löhnen, Gewerkschaftsrechten, Arbeitszeit und -intensität - haben sich die Bedingungen seit dem Aufkommen von CSR in den 1990ern dennoch verschlechtert.

Eine vielversprechende Ergänzung zu diesem Ansatz ist die Einführung von Umwelt- und Sozialstandards im öffentlichen Beschaffungswesen, also beim Einkauf von öffentlichen Institutionen wie Staaten, Gemeinden und Schulen. Ganze Städte – so etwa Zürich - beschaffen mittlerweile Computer nach öko-sozialen Kriterien. Hier könnten wir alle sehr konkret zu einer Verbesserung der Situation beitragen: Welche Computer benutzt meine Schule, meine Firma, mein Gemeindeamt? Unter welchen Arbeitsbedingungen wurden diese produziert?

Eine Umstellung der gesamten öffentlichen Beschaffung würde bereits einen gewichtigen Anteil der globalen Computerproduktion betreffen. In Deutschland kauft der Staat etwa ein Fünftel aller PCs. Für die restlichen vier Fünftel braucht es jedoch globale Sozial- und Umweltstandards, und die scheitern bisher vor allem an der Freihandelsdoktrin der Welthandelsorganisation. Hier geht es also einmal mehr um einen generellen Umdenkprozess, um politische Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement auf verschiedensten Ebenen. Ohne konkrete Spielregeln auf globaler Ebene ist einer global organisierten Produktion nicht beizukommen!

Mehr dazu unter: http://www.clean-it.at/

Filmtipp: Behind the Screen - das Leben meines Computers: http://behindthescreen.at/

erschienen in Talktogether Nr. 36/2011