Die Symbolik des Mahles in den Weltreligionen: Teil 1 PDF Drucken E-Mail
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Die Symbolik des Mahles in den Weltreligionen

von Herbert Hopfgartner

Der Mensch bereitet das Essen und Trinken – immerhin eine Grundbedingung unseres Lebens – unter Zuhilfenahme des Feuers und mitunter in kunstvoller Weise selbst zu. Dass mit dem Essen Energie bzw. „Lebenskraft“ aufgenommen wird, zeigt sich schon bei den Kulten der Naturvölker bzw. Kannibalen. Letztere verspeisen Organe bzw. Körperteile von Verstorbenen im Glauben, sich deren Kräfte und Charaktereigenschaften anzueignen. Nahrung für tote Angehörige wiederum wurde und wird in vielen Kulturen als Opfer dargebracht, um die Seele des Toten in der neuen Daseinsform zu versorgen. Mit diesem Opfer und Beweis der Dankbarkeit wird auch sichergestellt, dass die Verstorbenen nicht als untote Wiedergänger in Form von Geistern für Unruhe unter den Nachkommen sorgen.

Als bewusste Gestaltung des Lebens werden sowohl religiöse Tugenden wie z. B. die Gottes- und Menschenliebe, die Konzentration, Meditation und Versenkung als auch sittliche, moralische Codices (Richtlinien) in die Form des (oft gemeinsamen) Essens einbezogen. Nach Claude Levi-Strauss ist die Zubereitung von Essen ein „kultureller Grundakt des Menschen“, Das heißt, der Mensch formt seinen Lebensraum und behandelt die gepflückten Früchte, das erlegte Tier bzw. heute die gekauften Lebensmittel nach seinen Vorstellungen bzw. nach den Traditionen seiner Kultur, den Errungenschaften seiner Zivilisation und den Gesetzen seiner Religion. Die Bedeutung der Speise in den Religionen, die rituelle Verwendung von Nahrung und die vielen unterschiedlichen Speisevorschriften verdeutlichen nicht zuletzt dem Menschen den Respekt vor den Gaben der Natur und die Heiligkeit des Lebens.

Teil 1: Das christliche Abendmahl

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jeglichem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ (Neues Testament, Mt 4,4)

Die bekannte Sentenz von Ludwig Feuerbach, wonach „der Mensch ist, was er isst“, deutet schon auf das Anliegen des Philosophen: Die Verwandlung der Theologie in Anthro­pologie. In seinem Hauptwerk „Das Wesen des Christentums“ (1841) beschreibt er das Essen und Trinken als religiösen Akt diesseitiger und illusionsloser Sinnlichkeit.

„Denke daher bei jedem Bissen Brotes, der dich von der Qual des Hungers erlöst, bei jedem Schlucke Wein, der dein Herz erfreut, an den Gott, der dir diese wohltätigen Gaben gespendet – an den Menschen! Aber vergiss nicht über der Dankbarkeit gegen den Menschen die Dankbarkeit gegen die heilige Natur! Vergiss nicht, dass der Wein das Blut der Pflanze und das Mehl das Fleisch der Pflanze ist, welches dem Wohle deiner Existenz geopfert wird! Vergiss nicht, dass die Pflanze dir das Wesen der Natur versinnbildlicht, die sich liebevoll dir zum Genusse hingibt! Vergiss also nicht den Dank, den du der natürlichen Qualität des Brotes und Weines schuldest!“

Das Abendmahl (auch Eucharistie, vgl. gr. eucharistein = „Dank sagen“) wird im Neuen Testament unterschiedlich beschrieben (Mt 26, 20-29; Mk 14, 17-25; Lk 22, 14-20 und Joh 13, 21-30). Bei Markus ist das Mahl ein Passahmahl – Jesus repräsentiert den jüdischen Familien- und Hausvater für seine Jünger, wobei diese auch die 12 Stämme des Volkes Israels vertreten. Matthäus ergänzt diesen Text mit einem Zeugnis zur Sündenvergebung. Lukas lässt Jesus eine endzeitliche Vision sprechen:

„Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr feiern, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes.“ (Lk 22, 16)

Lukas übernimmt auch die Paulinische Version der Korinther-Briefe, im Speziellen die Deutung des Kelches. (Juden war und ist der Genuss von Blut untersagt). Paulus wiederum hebt das Motiv der Wiederholung hervor, wenn die Jünger aufgefordert werden, das Mahl im Gedächtnis an Jesu zu feiern.

„Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ (1 Kor 11, 26)

Als Brot verwenden die römisch-katholischen und lutherischen Kirchen in der Tradition des jüdischen Sedermahles geweihte Hostien (lat. hostia = „Opfertier, Sühneopfer“) aus unge­säuertem Teig. Die Ostkirchen (sie sprechen beim Abendmahl von gr. prosphora = „Opfer“), aber auch reformierte, unierte Christen verwenden weißes Brot – eine besondere Konvention der orthodoxen Kirche beinhaltet auch die Mischung des Weins mit heißem Wasser (ein auf Blutwärme erhitzter Wein).

Justin der Märtyrer (110-165) deutet das Brot und den Wein in der Eucharistiefeier als Leib und Blut Jesu und begründet damit die Transsubstantiationslehre, die besagt, dass in der Wandlung die Substanzen des Brotes und des Weines in den wahren Leib und das wahre Blut Christi übergehen. Nach der Lehre des Konzils von Trient (1545-1563) sind das Kreuzopfer und das Messopfer identisch, wobei die genaue Beziehung durch die Begriffe repraesentatio, memoria und applicatio beschrieben werden. (Nach katholischer Lehre ist Jesus sowohl in der Gestalt des Brotes als auch in der des Weines ganz und lebendig enthalten – darum wurde der Laienkelch (der Kelch für die feiernde Gemeinde) umgangen. Das Sakrament selbst darf nur von geweihten Priestern vollzogen werden (ex opere operato) – diese sind Vertreter der Bischö fe und diese wiederum Vertreter der Apostel…

In der Lutherischen Tradition wird die Transsubstantiationslehre abgelehnt, da sie keine biblische Grundlage hat und „nur“ eine philosophische Interpretation ist. Zudem müsse das Kreuzesopfer nicht ständig in Form des Messopfers wiederholt werden. Durch die liturgische Weihe der Hostien und des Weines durch den Pfarrer (Konsekration) werden Brot und Leib Christi bzw. Wein und Blut Christi verbunden – die wirkliche Gegenwart von Christi Leib und Blut ist also ebenfalls gegeben.

Reformierte Kirchen, die die Lehre von Ulrich Zwingli (1484-1531) und Johannes Calvin (1509-1564) vertreten, deuten die Eucharistiefeier vor allem als Symbol. Beim gemeinsamen Mahl werden das Brot und der Wein als Zeichen und Zeugnis der Gegenwart Christi vom Pfarrer oder Ältesten dem Nachbarn weitergegeben. Diese Praxis, die auch bei den Baptisten bekannt ist, betont die Priesterschaft (lat. presbyter und gr. presbyteros = „der Ältere“) und die Brüderlichkeit der feiernden Gemeinde. Manche Freikirchen nennen das Abendmahl in Bezug auf die Apostelgeschichte (vgl. Apg. 2, 43-47) auch „Brotbrechen“, wobei mit diesem Begriff der urchristliche Rahmen der Agape-Feier hervorgehoben werden soll.

Die frühchristliche Praxis eines Abendmahles hat – historisch betrachtet – ihre Wurzeln in der antiken hellenistisch-römischen Polisgesellschaft. In dieser war es üblich, dass sich die männlichen Bürger im privaten Rahmen zu einem ritualisierten Gemeinschaftsmahl, dem so genannten Symposion zusammen fanden. Man saß und betete nicht in einer Kirchenbank, man lag zu Tisch. Kein Priester und kein Pfarrer leitete diese abendliche Feier, stattdessen wurde ein Symposiarche gewählt, der für die Ordnung des Gelages, insbesondere für das Mischungsverhältnis von Wein und Wasser, verantwortlich war.

Der evangelische Theologe Matthias Klinghardt sieht im Symposion, dem ritualisierten Gemeinschaftsmahl der Antike, das grundsätzliche Modell für das christliche Abendmahl: Von Lukian (um 120-nach 180), einem antiken Satiriker sind Symposienregel erhalten, die die Gleichheit der Teilnehmer betont. Streit und kriegerische Themen waren verpönt. Während die Griechen und Römer zu Beginn des Essens auf ein Gebet verzichteten, ist es von den Juden bekannt – die frühen Christen dürften es übernommen haben.

Als Besteck diente den am antiken Symposion Teilnehmenden das Brot. Zu diesem Zweck wurde es gebrochen und herumgereicht, wobei die Essenden mit dem Brot die Speisen auflöffelten bzw. auftunkten. Während des gemeinsamen Essens wurde übrigens nicht getrunken. Danach reinigten sich die Anwesenden die Hände und Kleidung, versammelten sich um den Hausaltar und schmückten sich mit Efeu, Myrten und farbigen Wollbinden. Räucherwerk sorgte für eine wohlriechende Atmosphäre. Die ersten Schlucke Wein wurden zu Ehren des guten Geistes, des Daimon bzw. des Gottes Dionysos getrunken – was vom Wein im Becher übrig blieb, wurde als Spende (Libation) für die Götter auf den Boden oder ins Herdfeuer vergossen. In dieser religiösen Zeremonie wurde ein gemeinsames Gebet, ein Paian (Päan) – Apollon gewidmet – gesungen. Nun schloss sich das eigentliche Symposion, das Trinkgelage an. Der Wein wurde verdünnt, Lieder (Skolien) mit Doppelaulos und Harfe erklangen und die geistreiche Unterhaltung begann…

(Fortsetzung folgt)