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Menschen und ihre Probleme

von Seerwan Faraj

Menschen, wo immer sie auch sind, haben Pläne und Ziele in ihrem Leben, deren Verwirklichung einer gewissen Ordnung und Organisation bedarf. Dieses Organisieren ist der Entstehungsort vieler Probleme in Wirtschaft, Politik, Religion, Kommunikation, nationalistischem und kulturellem Denken. Missverständnisse wurzeln oft im Kleinen. Unterschiedliche Vorstellungen zweier Gesprächspartner von ein und derselben Sache können zu Diskussionen führen, die manchmal sogar in der Beendigung der Kommunikation miteinander oder in einer Kündigung der Freundschaft ausarten. Komplexer wird diese Situation auf Gruppenebene. In einem Land gibt es meist mehrere Gruppen, die voneinander abweichende oder sich widersprechende Interessen verfolgen, was die Kultur, den Glauben und die Freiheit der Menschen betrifft.

Dass es verschiedene Auffassungen zu jedem Thema geben kann, ist klar, ich denke aber, viele Konflikte könnten durch eine gute Organisation der Interessensvertretungen vermieden werden. Wie man letztendlich Lösungen für solche Interessenskonflikte zu finden versucht, ist von Land zu Land verschieden. Hier in Europa bemüht man sich großteils, in einen Dialog miteinander zu treten, in vielen afrikanischen Ländern und in Ländern des Mittleren Ostens hingegen endet eine Konfrontation zweier miteinander konkurrierender Gruppen häufig in einem Krieg.

In meinem Heimatland Irak habe ich viel von oben Genanntem miterlebt. Zwischen politischen Parteien gibt es kaum friedliche Lösungen; es herrscht keine Glaubensfreiheit: die Minderheit der Menschen, die sich in Bagdad zum christlichen Glauben bekennt, ist nicht vor Attacken gläubiger Muslime sicher; kulturelle Probleme innerhalb des Landes werden an unterschiedlichen Moralvorstellungen in verschiedenen Städten sichtbar: die Frage, ob es Frauen erlaubt sein soll, zu musizieren, sich modern zu kleiden und in freiem, freundschaftlichem Kontakt mit männlichen Arbeits- oder Studienkollegen zu stehen, sorgt für heftige Kontroversen, was die Rechte der Frauen in diesem Land betrifft.

Ähnlich einem Stufenmodell können Auseinandersetzungen also zwischen zwei Personen beginnen, über Gruppenkonflikte immer größer werden und schließlich in einem Krieg enden. Aber Kriege finden ja nicht nur zwischen Gruppen innerhalb eines Landes statt, sondern auch zwischen zwei oder mehreren verschiedenen Ländern. Diese Art der Auseinandersetzung bringt nicht nur Probleme für die betroffenen Interessensvertreter des jeweiligen Landes mit sich, sondern auch internationale Probleme, am deutlichsten erkennbar an der Flüchtlingsproblematik. Menschen aus Kriegsgebieten, vor allem aus afrikanischen Ländern und dem Mittleren Osten, nehmen die Gefahr einer illegalen Reise auf sich, um in ein Land zu gelangen, in dem Frieden herrscht und sie in Freiheit, Ruhe und Sicherheit leben können.

Der Krieg in diesen Gebieten treibt aber nicht nur Flüchtlinge nach Europa, sondern mit ihnen auch Probleme, für die es abermals Lösungen zu finden gilt. Manche bekommen eine Aufenthaltsgenehmigung, viele nicht. Für die, die keine bekommen, muss eine Rückkehr organisiert werden. Für die, die Berufung einlegen, also bleiben und warten, muss der zum Teil jahrelange Aufenthalt bis zum nächsten Urteil organisiert werden. Eine Zeit, in der die Asylsuchenden, obwohl sie keine endgültige Aufenthaltsberechtigung haben, mit den kulturellen, wirtschaftlichen und nationalen Gegebenheiten und vor allem mit den Menschen des europäischen Landes, in dem sie angekommen sind, konfrontiert werden.

Und selbst für die Gruppe von Flüchtlingen, die Asyl erhalten, beginnt damit kein leichter Weg. Von ihnen wird erwartet, sich an die kulturellen Bräuche des jeweiligen Landes ebenso übergangslos anzupassen wie die Sprache und die Regeln der Kommunikation zu beherrschen. Für beide Seiten kein leichtes Spiel, denn durch die, die ein neues Land suchen, um dort in Frieden zu leben, fühlen sich die, die vorher da waren, gestört und der Weg für neue Konflikte ist vorgezeichnet.

In diesem Sinn können wir, so denke ich, glücklich sein über die gerade stattfindende Revolte in den arabischen Ländern oder, so wie in meinem Fall, über die Aufstände in meiner Heimatstadt Sulaimania im nordirakischen Kurdistan. Ich wünsche mir, dass Europa zu diesen Ländern hin eine Brücke aufbaut und sich die Krisengebiete auch umgekehrt der westlichen Welt öffnen, um einen Ideentransfer zu ermöglichen. Denn nur durch Hilfe zur Selbsthilfe und ohne ausbeuterische Absichten kann man langfristig Lösungen finden, die den Flüchtlingsstrom aus Afrika und aus dem Mittleren Osten in die westlichen Länder stoppen.

Wir sehen ja, dass es zahlreiche Hilfsorganisationen gibt, die vielen Menschen das Überleben in einem Krieg gesichert und viele Kinder vor dem Hungertod gerettet haben. Dennoch gibt es immer noch Krieg und es sterben nach wie vor Kinder den Hungertod. Ein Zeichen dafür, dass die Lösungen in den Problemländern zu suchen sind, da von außen lediglich die Symptome einer mangelhaften Ordnung und Organisation eines Landes zu behandeln sind. Sich das europäische System in manchen Punkten zum Vorbild zu nehmen, ist meiner Meinung nach ein guter Schritt, um den Menschen in den westlichen Ländern einerseits viele Probleme zu ersparen, und andererseits den Menschen in Krisengebieten, die genauso wie alle anderen Menschen Pläne und Ziele in ihrem Leben haben, ein solches in Menschenwürde zu ermöglichen.

Seerwan Faraj stammt aus dem nordirakischen Kurdistan und ist seit 2010 anerkannter Flüchtling in Österreich.

Übersetzung: Anja Wanger