Die Symbolik des Mahles in den Weltreligionen: Teil 2 PDF Drucken E-Mail

Die Symbolik des Mahles in den Weltreligionen

von Herbert Hopfgartner

Teil 2: Die jüdischen Speisegesetze, Kaschrut

„Der Herr sprach zu Mose und Aaron: Sagt den Israeliten: Das sind die Tiere, die ihr von allem Vieh auf der Erde essen dürft: Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. Jedoch dürft ihr von den Tieren, die wiederkäuen oder gespaltene Klauen haben, folgende nicht essen: Ihr sollt für unrein halten das Kamel, weil es zwar wiederkäut, aber keine gespaltenen Klauen hat, (…) ihr sollt für unrein halten den Hasen, weil er zwar wiederkäut, aber keine gespaltenen Klauen hat, ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut. (…) Von allen Tieren, die im Wasser leben, dürft ihr essen: alle Tiere mit Flossen und Schuppen, die im Wasser, in Meeren und Flüssen leben, dürft ihr essen. (…) Unter den Vögeln sollt ihr folgende verabscheuen – man darf sie nicht essen, sie sind abscheulich: Aasgeier, Schwarzgeier, Bartgeier, Milan, die verschiedenen Bussardarten, alle Arten der Raben, Adlereulen, (…) und die verschiedenen Falkenarten, (…) den Storch, die verschiedenen Reiherarten, Wiedehopf und Fledermaus. (…) Unter den Kleingetier, das auf dem Boden kriecht, sollt ihr für unrein halten den Maulwurf, die Maus und die verschiedenen Arten der Eidechsen. (…) Jeder Gegenstand, auf den eines dieser Tiere fällt, wenn sie tot sind, wird unrein, jedes Holzgerät, Kleid, Fell, grobes Zeug und jeder Gebrauchsgegenstand (…).“ (aus  dem 3. Buch Mose, Levitikus, Die Reinheitsgesetze 11,1-33)

Nach den Wissenschaftlern Pinchas und Ruth Lapide sind Koscher-Bestimmungen keine atavistischen (entwick­lungs­geschichtlich überholten) Stammesrituale, sondern Handlungs­weisen, die der Gesundheit, der Umwelt und der Bewahrung der Tierarten dienen.

Die Bezeichnung „koscher“ (hebr. kaser) wird oft mit „rein“ übersetzt, bedeutet aber eher „tauglich“ bzw. „im rechten Zustand“, während trefe bzw. tame den nicht tauglichen Zustand von Lebensmitteln charakterisieren. Eine entsprechende Kennzeichnung (Hechscharim) erleichtert dem Konsumenten den Einkauf von „sicheren“ Produkten. Glatt-koscher bezeichnet die absolute Unversehrtheit von Schlachtvieh – wiederum beruft sich der Jude auf das zweite Buch Mose. Fleisch, das „auf dem Feld gerissen wurde“, soll nicht gegessen, sondern den Hunden vorgeworfen werden. (Exodus 22,30)

Darüber hinaus dürfen Fleisch und Milch bei der Zubereitung miteinander nicht in Berührung kommen

„Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen.“

(aus dem 2. Buch Mose, Exodus, 23,19 und 34,26)

Die Auslegungen des Talmud deuten den Satz so allgemein, dass es verboten ist, das Fleisch von Säugetieren (bzw. Geflügeltieren) zusammen mit Milchprodukten (Butter, Käse…) zu kochen bzw. gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zu verarbeiten. Orthodoxe Juden verwenden konsequenterweise getrenntes Geschirr, getrennte Kühlschränke und Herde. Gemüse, Salatpflanzen und Fisch (außer Aal und Stör) gelten als neutral. Wein von nicht jüdischen Winzern gilt vorsichtshalber als nicht koscher.

In der Pessach-Woche darf nichts Gesäuertes (aus Hefe und Sauerteig) „auf den Tisch kommen“, am Sabbat aufgrund des Arbeitsverbotes natürlich auch nicht gekocht werden. Kalte Gerichte, sowie Speisen, die auf kleinster Flamme über Stunden dahin köcheln, garantieren jedoch ein schmackhaftes Essen: Der „Tscholent“ besteht aus Kartoffeln, Bohnen, Gerste, Zwiebeln und Fleisch, der „Kugel“ aus Nudeln und Obst, der „Zimmes“ aus Fleisch, Farfelteig und Trockenfrüchten.

Zum Aspekt des Schächtens

Mit dem Begriff des Schächtens (das hebräische sht bedeutet „schlachten“) wird das rituelle Schlachten von Warmblütern, vor allem im Judentum und im Islam, bezeichnet. Ziel ist das völlige Ausbluten des Tieres – der Verzehr von Blut ist Juden und Moslems strikt untersagt, was mit der Gefahr eines „Blutrausches“ begründet wird. Die Tötung des Tieres erfolgt im Judentum unbetäubt, im Islam ist – nach bestimmten Rechtsschulen – eine elektrische Betäubung erlaubt.

Beim Schächten wird mit einem sehr scharfen und schartenfreien Messer ein einziger Schnitt durch die Luft- und Speiseröhre sowie beide Halsschlagadern und Vagus-Nerven ausgeführt. Im Judentum darf nur ein geschulter lizenzierter Rabbiner (der Schochet) das Schächten durchführen. Nach den Schriften (Talmud, Traktat Chulin 1-2, Maimonides’ Mischne Tora, Sefer Keduscha und Karos Schulchan Aruch, Jore De’a 1-28) ist die kürzeste Unterbrechung, das Drücken und Stechen des Messers in den Hals, das Ausführen des Schnitts an einer anderen Stelle und das Reißen der Blutgefäße streng verboten. Diese Technik soll den schmerzfreien Tod des Tieres innerhalb weniger Sekunden herbeiführen bzw. garantieren. Um ausbluten zu können, wird das Tier anschließend mit dem Kopf nach unten aufgehängt. Die darauf folgende Beschau des Fleisches durch einen Fachmann ist ebenfalls im Talmud festgelegt – sie dient wiederum der Gesundheit der Gläubigen.

Aus historischer Sicht war das Schächten bis zur Einführung moderner Betäubungsmethoden aus hygienischen und auch ethischen Gründen eine fortschrittliche Technik. Gegenwärtige Schlachtungsmethoden (Bolzenschuss, Strom, Begasung) werden von vielen Tiermedizinern allerdings vorgezogen, da auch geschächtete Tiere vereinzelt einen längeren Todeskampf durchleiden.

In dieser schwierigen wie sensiblen Diskussion soll nicht vergessen werden, dass in vielen europäischen Schlachthöfen allein schon aufgrund der Massenschlachtungen bzw. der langen Anfahrtswege zu den Schlachthöfen Tiere verenden bzw. unnötig lange Qualen erleiden müssen.

Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass unabhängig von der Schlachtungsmethode jegliche Fehler (mangelnde Ausbildung, schlecht oder gar nicht funktionierende Geräte, respektloser Umgang mit Tieren) grausame Schmerzen für das jeweilige Lebewesen bedeuten und deshalb zu unterbleiben haben. Vegetarismus scheint die einzige Ernährungsform zu sein, die das Leid der Tiere beim Schlachten an sich verhindert.

In Österreich muss das Tier unmittelbar nach dem Schächtschnitt betäubt werden, wobei der Schlachthof ein eigenes Zertifikat aufweisen und ein Tierarzt bei der Schlachtung anwesend sein muss. In Deutschland, Schweden, Island und Liechtenstein ist das Schächten grundsätzlich nicht gestattet, in der Schweiz nur das von Geflügel. Der Import von geschächteten Tieren ist in diesen Ländern jedoch gestattet. In Dänemark, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Irland ist das Schächten hingegen erlaubt.

Teil 3: Essen, wie es Allah gefällig ist

In großen Buchstaben steht es auf vielen Kebabständen in westlichen Großstädten: „Halal“ – für die meisten, weil nicht muslimischen Kunden, ein unwichtiges Detail, ist es für die, die es betrifft, eine überaus nützliche und wichtige Information.

„Es ist euch verboten zu essen: von selbst Gestorbenes (Verendetes), Blut und Schweinefleisch und das, bei dessen Schlachtung eines anderen als Allahs Namen angerufen worden war, und Ersticktes und Erschlagenes oder durch Fall zu Tode Gestürztes oder das durch die Hörner eines anderen Tieres Getötete (und Angefressene) und das von wilden Tieren Zerrissene, außer ihr selbst habt es erst völlig getötet, und das, was Götzen zu Ehren geschlachtet wird.“ (Koran, fünfte Sure, Vers 4)

Das Schächten von Tieren – bei Juden und Muslimen eine Grundbedingung für „koscher“ bzw. halal („rein“) – wird in Österreich mit der Methode des „Post-cut-Stunning“ durch­geführt. Unmittelbar nachdem der Schächter das Bismailah (eine Anrufung Allahs) ausspricht, das Tier gegen Mekka ausrichtet und der Schnitt vollzogen wird, darf bzw. muss das Tier betäubt werden.

Mit haram bezeichnen Muslime ganz allgemein Dinge und Taten, die nach dem islamischen Recht verboten sind, wie z.B. das Essen von Schweinefleisch oder das Trinken von Alkohol. Verpönt, arab. makruh, ist zum Beispiel das Rauchen – nicht ausdrücklich verboten, aber doch deplaciert.

Zu den wichtigsten Glaubenspflichten der Muslime gehört der Fastenmonat Ramadan (arab. ramadan = „Sommerhitze“). Entscheidend für Beginn und Ende dieses 9. Monats des islamischen Kalenders ist die jeweilige Sichtung der aufgehenden Mondsichel. Das Fasten (saum, eigentlich „stillstehen, ruhen, sich enthalten) ist eine im Koran festgelegte Pflicht, die jeder Gläubige, der in Besitz seiner Geisteskräfte (‚aqil), volljährig (baligh) und körperlich gesund (qadir) ist, zu erfüllen hat. Neben einem umfassenden Fasten (keine feste oder flüssige Nahrung, Sexualität, Rauchwaren) soll der Muslime in diesem Monat auch ethische Regeln besonders ernst nehmen.

„O Gläubige, auch eine Fastenzeit ist euch wie eueren Vorfahren vorgeschrieben, damit ihr gottesfürchtig seid (bleibt).“ (Koran, zweite Sure, Vers 184)


„Es ist euch erlaubt, in der Nacht der Fastenzeit euren Frauen beizuwohnen, denn sie sind euch und ihr seid ihnen eine Decke. (…) Auch esst und trinkt des Nachts, bis ihr im Morgenstrahl einen weißen von einem schwarzen unterscheiden könnt. Tagsüber aber haltet Fasten bis zur Nacht, haltet euch fern von ihnen (den Frauen), zieht euch (die letzten zehn Tage des Ramadan) in das Bethaus zurück. (…).“ (Koran, zweite Sure, Vers 188)

Von Muhammad, dem Propheten, ist bekannt, dass er nach dem Sonnenuntergang mit dem Verzehr einer Dattel das Fasten gebrochen hat. Nach dem obligaten Abendgebet versammeln sich die Familien zu reichhaltigem Abendessen, wobei es der Ehrgeiz vieler Hausfrauen ist, besonders schmackhafte Speisen zuzubereiten. Als Fleischlieferant gelten Kamele, Rinder, Ziegen oder Schafe, für arme Familien auch Hühner. Neben Hülsenfrüchten und Gemüse werden nach wie vor Datteln gereicht. Vielerorts spielen Besuche von befreundeten Familien eine große Rolle, aufwendige Rituale bestimmen wer, wen, wie lange, in welcher Reihenfolge und zu welchen Anlässen besucht.

Die größten Feste werden zum Abschluss des Fastenmonats (arab.: id al-fitr, türk.: Ramazan Bayrami) und beim Opferfest, das am Ende des Pilgerrituals stattfindet, gefeiert. Traditionell ist das Tieropfer ein wichtiger Aspekt der islamischen Wallfahrt (Haddsch), wobei die große Zahl der Wallfahrer – und damit verbunden eine ähnlich große Zahl an Opfertieren – ein bedeutendes organisatorisches und hygienisches Problem für die saudiarabischen Behörden und Organisatoren darstellt. Ein symbolisches Geldopfer (in der Höhe des Preises für ein Opfertier) ist seit einiger Zeit als Ersatz für das Tieropfer erlaubt.

Der Konsum von Wein aus Weintrauben (Khamr) ist Muslimen nicht gestattet – er ist für das Paradies bestimmt – eindeutig untersagt ist die berauschende Wirkung von Alkohol. Der Denkspruch „Wovon viel betrunken macht, davon ist auch wenig verboten“ wird unter Moslems als allgemein bindend angesehen. Interessant ist aber, dass es bis in das islamische Mittelalter eine orientalische Weinkultur gegeben hat.

 (Fortsetzung folgt)

erschienen in Talktogether Nr. 37/2011