In Gedenken an Marcus Omofuma gestorben am 1. Mai 1999 bei seiner Abschiebung
SEHNSUCHT NACH DEMOKRATIE!
Der Weg der Flucht kann der Weg des Todes sein! von Abdullahi A. Osman
Wenn man unter einem Diktatorregime lebt und hört, dass in Europa Freiheit und Demokratie herrschen und die Menschenrechte geachtet werden, dann träumt man davon, das zu erleben. Vor Unterdrückung, Verfolgung, Unfreiheit oder Krieg flüchten viele Menschen dorthin, wo sie vermuten, Sicherheit und Schutz zu finden. Doch die Sehnsucht nach Frieden und Sicherheit, nach Demokratie und Gerechtigkeit kann die Menschen in noch schlechtere und gefährliche Situationen führen.
Nach Europa zu flüchten, kostet nicht nur viel Geld, sondern birgt auch große Risiken. Deshalb schaffen es nur wenige Flüchtlinge, Europa zu erreichen. Wenn du dann im „Kontinent der Demokratie“ ankommst, hast du viele Erwartungen und hoffst auf eine bessere Zukunft. Doch anstatt dass deine Probleme wahrgenommen werden, wirst du wie ein Krimineller behandelt: Du wirst so oft interviewt, bis du nicht mehr weißt, wie du dein Schicksal darstellen sollst. Mit der Zeit erfährst du, dass es diese sogenannte „Demokratie und Gleichheit“, die du gesucht hast, überhaupt nicht gibt. Was Demokratie genannt wird, sind nur Kompromisse, die die Herrschenden eingehen, um die hier lebende Bevölkerung ruhig zu halten. Aber diese Kompromisse gelten nicht für die Flüchtlinge.
Die Fluchtgründe und die Schicksale der Flüchtlinge sind unterschiedlich. Nur wenige werden früher oder später als Flüchtlinge anerkannt und können neu anfangen. Die größte Zahl der Flüchtlinge bekommt aber keine Chance. Sie leben in ständiger Angst vor einer Abschiebung und landen früher oder später in Schubhaft. Ihre Flucht kann sie sogar in den Tod führen. Einer von dieser Menschen war Marcus Omofuma. Marcus Omofuma flüchtete nach Österreich und stellte einen Asylantrag. Sein erster Asylantrag wurde abgewiesen, den zweiten negativen Bescheid bekam er, als er bereits in Schubhaft war. Ein Arzt, der Marcus im Gefängnis untersuchte, stellte fest, dass er krank war und eine Behandlung benötigte. Aber seine Krankheit wurde nicht ernst genommen, denn man wollte ihn nach Nigeria abschieben. Marcus wehrte sich gegen die Abschiebung, weil er wusste, was ihn in Nigeria erwarten würde. Er hatte große Angst vor einer Sekte, die ihn mit dem Tod bedrohte. Um einen Menschen zu töten, gibt es verschiede Waffen. Die Beamten haben neue Systeme gefunden, mit denen sie Flüchtlinge töten können, wie Polster und Klebeband. Im Flugzeug nach Sofia wurde Marcus Omofuma von drei österreichischen Beamten an Händen und Füßen gefesselt, mit Klebeband an den Sitz gebunden und an Mund und Nase verklebt. Marcus erstickte. Als er floh um sein Leben zu retten, wusste er nicht, dass er ein Opfer dieses Abschiebungssystems werden würde. Er ahnte nicht, dass er auf derart schlimme und grausame Art sterben würde. Wenn er nicht im Flugzeug gestorben wäre, hätte die Öffentlichkeit vielleicht nicht von seinem Tod erfahren.
Am 15.03.1998 nahm sich Ahmed Sharif Hussein in Graz das Leben, weil er ständig mit Demütigungen konfrontiert und von Abschiebung bedroht war. Österreich ist nicht das einzige Land, in dem die Flüchtlinge bei einer Abschiebung getötet wurden, ähnliche Fälle sind u.a. in Belgien, Deutschland, in der Schweiz und Frankreich passiert. Alle diese Länder haben die Genfer Konvention unterzeichnet, die besagt, dass ein Flüchtling nicht auf irgendeine Weise über die Grenzen ausgewiesen oder zurückgewiesen werden darf, wenn „sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde“.
erschienen in: Talktogether Nr. 3/2003
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