Nigeria: Kein Frieden im Nigerdelta PDF Drucken E-Mail

Kein Frieden im Nigerdelta

von Paul Obazee



Ă–lproduktion im Nigerdelta, Sara Leigh Lewis - CC BY-SA 4.0

Für die Menschen, die in der Nigerdelta Region leben, ist das tägliche Leben wie die Hölle. Die Nigerdelta Region in Nigeria besitzt einige der größten Rohölvorkommen von bester Qualität und Nigeria ist der fünftgrößte Erdölproduzent der Erde. Aber eben diese Ölquellen bzw. ihre Förderung hindern die Menschen, die in diesen Gebieten leben, ein normales Leben zu führen.

Diese Region ist mit zahlreichen natürlichen Ressourcen gesegnet, nicht nur mit dem Öl, das so viel Unglück gebracht hat, sondern auch mit Wäldern, frischer Luft, sowie Flüssen und Strömen mit großen Fischbeständen. Die Menschen waren seit vielen Generationen Bauern und Fischer, wie es ihnen Natur und Umwelt gebieten. Die Bauern rodeten den Busch um Feldfrüchte anzubauen, und kultivierten Gärten um ihre Häusern, die Fischer fingen mit ihren Angeln und Fischernetzen auf den zahl­reichen Flüssen Fische. Doch diese Lebensweise ist seit der Entdeckung der Erdölvorkommen im Nigerdelta nicht mehr zu finden. Das ist die Region, in der ich aufgewachsen bin und gelebt hatte bis ich fliehen musste, um mein Leben zu retten, Port Harcourt, um genau zu sein.

Die Erdölförderung hat sehr viel Leid über die Bevölkerung des Nigerdeltas gebracht. Die Ölbohrtürme wurden mitten in den Siedlungen der Menschen aufgestellt und machten diese unbewohnbar, und die Pipelines mit ihren brennenden Ölquellen quer durch die Felder gelegt. Das Ergebnis ist eine völlige Zerstörung aller Lebensgrund­lagen. Heute findet man mitten in den Flüssen Ölplatt­formen und brennende Gasflammen, was zur Vergiftung der Fischbestände und allen Lebens im Wasser geführt hat. Die Fischernetze und Angeln, die den Fischern die Ersparnisse eines ganzen Lebens gekostet hatten, wurden durch die Verschmutzung unbrauchbar. Diese Vernichtungen wurden durchgeführt, ohne der betroffenen Bevölkerung Entschädigungen zu bezahlen oder ihr ein neues Siedlungsgebiet zur Verfügung zu stellen. Die Menschen verloren all ihre Lebensgrundlagen: Die Umwelt ist durch das auslaufende Öl verseucht, die Flüsse und die Trinkwasservorkommen sind vergiftet durch die gefährlichen Chemikalien, die von den Ölkonzernen bei der Förderung verwenden werden, die Luft durch die ständig brennenden Gasflammen verpestet.

In Zusammenarbeit mit der Regierung führen diese ausländischen Konzerne ihre Aktivitäten in völliger Missachtung des Wohlergehens der einheimischen Gemeinden durch. Der Aufbau notwendiger sozialer Einrichtungen und eine Verbesserung der Infrastruktur - als Ausgleich für die Zerstörungen - wurden nicht durch­geführt, und wenn es getan wurde, entweder nur halb­herzig oder das Geld wanderte in die Taschen korrupter Politiker. Jahr für Jahr bleibt die Situation unverändert. Die Militärregierung tat nichts um die Situation zu verbessern, die jetzige zivile Regierung hat auch nichts besser gemacht. Auf Proteste und Protestversuche antwortet die Regierung mit brutaler Waffengewalt, das Militär wird geschickt um jede Form von friedlichen Demonstrationen und Protesten niederzuschlagen. Die Anführer und Organisatoren von Protesten werden ins Gefängnis gesteckt, ohne Gerichtsverfahren festgehalten oder sogar getötet.

1995 wurde der Mord an Ken Saro Wiwa verübt. 1993 hatten der Schriftsteller und acht andere Aktivisten in der Ogoni Region im Nigerdelta einen Protest organisiert, der sich sowohl gegen den Shell-Konzern als auch gegen die Regierung und die Provinzverwaltung richtete, die der Bevölkerung die dringend benötigten Einrichtungen vorenthielten. Als es bei einer Demonstration zu Gewalttätigkeiten kam, wurden auch vier Angehörige der lokalen Elite getötet. Daraufhin schoss das Militär wahllos in die Menge und tötete die meisten der Protestierenden. Ken Saro Wiwa und acht andere Aktivisten wurden verhaftet, obwohl sie sich während dieser Demonstration nicht mal in der Gegend aufgehalten hatten, und von 1993 bis 1995 eingesperrt. 1995 wurde ein außerordentliches Militär­gericht einberufen, das die Männer schuldig sprach und zum Tode durch Erhängen verurteilte. Sie wurden am 10. November 1995 hingerichtet. Andere Aktivisten wie Mittee und ein paar andere, schafften es ins Ausland zu fliehen und dort Asyl zu bekommen.

Im Jahr 2000 unter der jetzigen "Zivilregierung" erlebte die Region die völlige Zerstörung der Gemeinde Odi durch das Militär. Die heutige Zivilregierung, deren Vorsitzen­der ein ehemalige General ist, befahl der Armee in Odi einzumarschieren um auf alles zu schießen, das sich bewegt. Sogar die Hühner und Haustiere wurden bei diesem Massaker durch den Kugelhagel getötet. Die Menschen im Nigerdelta wünschen sich nichts mehr als in Frieden und Freiheit leben zu können und genießen und sich an dem erfreuen zu können, was ihnen die Natur geschenkt hat. Doch stattdessen bedeutet im Nigerdelta zu wohnen heute ein enormes Risiko.

erschienen in: Talktogether Nr. 4/2003

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