Die Erde kann nicht warten Eine andere Welt ist möglich, doch wenn die wirtschaftliche, politische, soziale und ideologische Weltordnung, nach der die Welt gegenwärtig organisiert ist, noch lange weiter besteht, wird unser Planet mit einer Zerstörung konfrontiert sein, die es noch nie zuvor seit dem Entstehen der menschlichen Zivilisation gegeben hat. Das ist der Schluss, den man aus dem neuesten Bericht des UN-Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC) ziehen muss. In diesem Punkt sind sich die Wissenschaftler der Welt einig, die einzige umstrittene Frage ist, ob der IPCC die Gefahr unterschätzt hat oder nicht. Doch noch schockierender als dieser Bericht ist die Haltung der meisten Regierungen. Die USA stellen dabei ein Schlüsselproblem dar. Nachdem der Bericht veröffentlicht worden war, versuchten Sprecher der US-Regierung seine Bedeutung abzutun und vor allem die Tatsache zu vertuschen, dass die USA die größten Umweltverschmutzer sind. Das heißt aber nicht, dass die Europäer unschuldig sind. Bushs Haltung erlaubt den europäischen Regierungschefs zwar, im Vergleich dazu besser auszusehen, auch wenn sie selbst nicht viel tun. Alle G8-Staaten mit Ausnahme der USA haben das Kyoto Protokoll ratifiziert - auch wenn diese Vereinbarung nur einen Vorwand darstellt, um weiter zu machen wie gewohnt. Das Protokoll spiegelt zudem die Rivalitäten innerhalb der imperialistischen Mächte wider. Während man die Hauptlast den USA aufbürdet, wird Deutschland, der weltweit drittgrößte Produzent von Treibhausgasen, von der Liste der Hauptverursacher ausgenommen. Auch die anderen europäischen Staaten haben ihre Verpflichtungen nicht eingehalten und die Ankündigungen anlässlich des G8-Gipfels waren auch wieder nur vage und unverbindliche Absichtserklärungen. Nach wie vor steht für alle imperialistischen Mächte die Sicherung der Versorgung mit Energie und anderen Ressourcen im Mittelpunkt ihres Interesses (und wie sie dieselbe ihren Gegnern verwehren könnten). Niemand wundert sich deshalb, dass Lösungsvorschläge, die von den EU-Repräsentanten präsentiert werden, Umweltexperten vor den Kopf stoßen. So wurde beispielsweise eine Intensivierung der Verwendung von Biosprit angekündigt - trotz der benötigten riesigen Anbauflächen und obwohl man aus Erfahrung über die verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt weiß, die sich daraus ergeben. Nachhaltige Maßnahmen um Energie zu sparen, stehen aber im krassen Widerspruch zum herrschenden Wirtschaftssystem und zur herrschenden politischen Ideologie. Denn das mächtigste Gesetz, das die menschliche Gesellschaft heute regiert, sind die Erfordernisse des globalen Kapitalismus. Wenn uns gesagt wird, Energie zu sparen und Umwelt zu schonen, würde Arbeitsplätze kosten, so bedeutet das nicht weniger, als dass sowohl die Frage, ob Menschen einen Job finden und somit essen können, als auch das Schicksal des Planeten, auf dem sie leben, von einem System abhängen, in dem der Profit alles bestimmt. Die natürlichen Ressourcen der Erde und die immensen Reichtümer, die durch die Arbeit der Menschen erschaffen wurden, können in diesem System nur dann genutzt werden, wenn sie in Kapital verwandelt werden, dessen Bestimmung es ist, Profite zu machen und noch mehr Kapital anzuhäufen. Alle menschlichen Bedürfnisse, aber auch die Wünsche der Kapitalisten selbst müssen sich diesem Prinzip unterordnen. Die Konkurrenz untereinander diktiert den Kapitalisten dieses grundlegende Gesetz: "Expandieren oder Untergehen". Dieselbe Kraft, welche die Kapitalisten dazu antreibt, mehr und mehr Profit aus der Arbeit derer, die für sie arbeiten, zu ziehen, zwingt sie auch, die erbarmungslose Ausbeutung der Erde voranzuteiben - andernfalls würden es ihre Rivalen tun, und sie selbst vernichtet werden. Der Widerspruch zwischen den Kosten für die Lösung des Klimaproblems und der unmittelbaren Notwendigkeit, Profit zu machen, erlaubt den Kapitalisten meist keine langfristigen Maßnahmen. Welches Unternehmen und welcher kapitalistische Staat würde seine Ressourcen für etwas einsetzen, was seine Profite schmälert? Massive Investitionen um die globale Erwärmung zu verhindern, würden nach dieser Logik ihre Ökonomien im Vergleich zu den anderen schwächen. Zwar stecken die imperialistischen Länder riesige Summen in unproduktive Unternehmen wie Waffen und Krieg - doch dahinter steckt die Konkurrenz zwischen ihnen und die Hoffnung, einen Vorteil gegenüber den anderen zu gewinnen. Mit der drohenden Umweltkatastrophe umzugehen, erfordert jedoch Wissen, Kreativität, Anstrengungen und manchmal auch Opferbereitschaft. Wer kann sich so etwas unter dem System, das derzeit unsere Erde im Griff hält, überhaupt vorstellen? Hinzu kommt, dass das Kapital in Nationalstaaten verwurzelt, und die Welt aufgeteilt ist in imperialistische und abhängige Staaten. Wie sollte es aber wirtschaftlich schwächeren Staaten möglich sein, mitzuhalten bei diesem erbarmungslosen Wettkampf und gleichzeitig in den Umweltschutz zu investieren? Es steht außer Frage, dass die Menschen Entwicklung brauchen. Wer sagt aber, dass eine gesteigerte Emission von Treibhausgasen die Folge von Entwicklung sein muss? WissenschaftlerInnen und UmweltaktivistInnen haben Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung erarbeitet - für eine Wirtschaft, die die menschlichen Bedürfnisse befriedigt, ohne den Planeten zu zerstören, auf dem wir leben. Warum sollte die Menschheit also gezwungen sein, mit der Verschwendung und Zerstörung weiterzumachen? Warum sollte eine Planung, die auf das Wohlergehen der Menschheit und ihrer Umwelt ausgerichtet ist, nicht eine Lösung herbeiführen können? “Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Nutznießer, und haben sie den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen“, schrieb bereits Karl Marx (Das Kapital III). Individuelle Initiativen, um Energie zu sparen, wie mit dem Rad zu fahren oder Energiesparglühbirnen zu verwenden, sind zwar notwendig, können aber nur dann wirkungsvoll sein, wenn sie in einem größeren Kontext eingebettet sind. Wenn man solche Maßnahmen propagiert, besteht zudem die Gefahr, die Aufmerksamkeit der Menschen vom realen Ausmaß der Verbrechen und der Vielzahl der notwendigen Veränderungen abzulenken. Die Produktion hat sich heute gegen den Planeten und die Menschheit selbst gerichtet. Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Um es klar auszusprechen: Die Erde zu zerstören, ist eine Möglichkeit. Die andere wäre, die Welt zu verändern - die Veränderung müsste aber ebenso radikal sein, wie es die Herausforderung ist, der wir gegenüberstehen. Quelle: A World to Win News Service
Erneuerbare Energien: Sprit für die Reichen statt Brot für die Armen? Nachwachsende Rohstoffe sollen nach den Plänen der EU in Europa zunehmend zur Gewinnung von Strom, Wärme oder Kraftstoffen eingesetzt werden. Die Herstellungskosten von Biosprit in Europa sind nicht mit der "Dritten Welt" vergleichbar, deshalb ist die EU gezwungen, Biosprit einzuführen. Ethanol oder Sojaöl sind in Brasilien viel billiger herzustellen als etwa Rapsöl aus Europa. Außerdem reicht die Anbaufläche in Europa bei weitem nicht aus, um den Bedarf auch nur annähernd zu decken. Deshalb wurde kürzlich mit dem brasilianischen Staatschef Lula da Silva eine Vereinbarung getroffen, in Zukunft Biosprit aus Brasilien stärker zu nutzen - um die Umwelt zu schützen heißt es. Hier gehe es nicht um Klimaschutz, sondern darum, auch in Zukunft weiterhin den verschwenderischen Umgang mit der Energie zu gewährleisten, kritisieren hingegen Umweltverbände die EU-Vorgabe, den Anteil von Biosprit bis 2010 auf zehn Prozent zu steigern. In Brasilien wurden für den Anbau von Zuckerrohr und Soja bereits weite Flächen des Amazonaswaldes abgeholzt, während den Kleinbauern kein Platz mehr bleibt, um Nahrungsmittel anzubauen, und die Menschen in Brasilien hungern. Heute wird Soja aus Brasilien in Europa vor allem zu Hühnerfutter verarbeitet, wenn der Markt für Biosprit weiter expandiert, wird in Brasilien die Gier nach Anbauflächen die weitere Zerstörung des Regenwaldes anheizen. Zu den größten Biospritexporteuren zählt auch Indonesien, wo in den letzten Jahren für Palmölplantagen riesige Flächen Tropenwald abgeholzt oder niedergebrannt wurden. Das Palmöl wird in Biodiesel umgewandelt. Bei der Brandrodung werde soviel Kohlendioxid freigesetzt, dass es mehr als hundert Jahre brauche, um dieses Kohlendioxid wieder zu binden, sagt Hartmut Michel, Nobelpreisträger für Chemie. Das gleiche gelte für Import von Biodiesel auf der Basis von Soja aus Brasilien (AP 6.7.07). Kraftstoffe aus Pflanzen verdrängen nicht nur in Jahrtausenden gewachsene Naturräume zugunsten von Monokulturen, warnen Wissenschaftler, sondern verursachen außerdem einen tiefgreifenden Wandel des Nahrungsmittelmarktes. Die gesteigerte Nachfrage der USA nach Ethanol, das aus Mais oder Zucker hergestellt wird, hat den Maispreis in die Höhe getrieben. Die ersten Auswirkungen waren in Mexiko zu spüren: Der Preis für das Hauptnahrungsmittel Maisbrot verdreifachte sich und löste die im Jänner dieses Jahres die sogenannte "Tortilla-Krise" aus. Thomas Henningsen von Greenpeace warnt, dass der massive Einsatz von Biosprit den Klimawandel sogar noch anheizen und in den armen Ländern zu Hunger und Armut führen könnte. Den verschwenderischen Umgang mit Energie wird der Einsatz von Bio-Treibstoffen zudem nie ausgleichen können. Deshalb kann das Gebot im Kampf gegen die Klimaerwärmung nur lauten, den Energieverbrauch zu reduzieren.
Quellen: Pöhlmann Christine 7.7.07 (AFP); AP 6.7.07; Greenpeace, erschienen in: Talktogether Nr. 21/2007
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