Tsunami Katastrophe PDF Drucken E-Mail

Die Gewalt der Natur
oder unterlassene Hilfeleistung

Trotz der technologischen Fortschritte der Menschheit sind Naturkatastrophen wie Erdbeben und Tsunamis eine schreckliche Bedrohung geblieben. Aber selbst die Mög­lichkeiten die es gibt, den Schaden zu begrenzen, sind auf un­gleiche und ungerechte Weise verteilt. Während Menschen in aller Welt, erschüttert vom Leid der Menschen in den vom Tsunami verwüsteten Küstengebieten Südost- und Südasiens, versuchten, durch private Spendenaktionen die Not wenigs­tens ein bisschen zu lindern, benützten die Herrschenden das Elend, um sich als die einzigen möglichen Retter zu präsen­tieren. „Wir sind eine warmherzige und großzügige Nation“, verlautbarte Bush und auch die anderen Staatschefs kündig­ten großzügige Spenden an, die allerdings bis heute nicht eingetroffen sind. Leere Versprechungen wie ein Jahr zuvor beim Erdbeben in Bam im Iran? Sind es nicht gerade die Machtinteressen der herrschenden Eliten, die verhindern, dass das kollektive Wissen der Menschen gebündelt werden kann, nicht nur um die Menschen vor Naturkatastrophen bes­ser zu schützen, sondern auch um die Not, das Elend und die Krankheiten zu bekämpfen, unter der große Teile der Menschheit leiden?

Warum war das Interesse an Tsunamis im Indischen Ozean so gering?

Die Todesrate in den betroffenen Regionen hätte mindes­tens um die Hälfte verringert werden können, wenn es für den Indischen Ozean ein internationales Frühwarnsystem gege­ben hätte wie an den US-amerikanischen Pazifikküsten. Wa­rum kam diese Erkenntnis erst, als das Unglück schon pas­siert war? Die einfache Antwort wäre, dass Tsunamis im Indischen Ozean seltener sind als im Pazifik. Es ist aber bekannt, dass sich Sumatra auf einer geologischen Bruchlinie befindet, die besonders erdbebengefährdet ist. Allein im Jahr 2000 wurde Singapur von sieben Erdbeben erschüttert. Bereits 1990 hat die Internationale Koordinationsgruppe für Tsunami Warnsysteme der UN empfohlen, das Netzwerk auf den Indischen Ozean auszu­dehnen. Dieser Vorschlag wurde ignoriert. Ein ähnlicher Vorschlag, der 1997 bei einem internationalen Treffen von Experten in Peru präsentiert wurde, stieß ebenfalls auf taube Ohren. Es hätten Flutdetektoren auf Booten installiert werden können, die mit Satelliten in Kontakt stehen. Aber Tsunami Frühwarnsysteme kosten Geld. Die Projekte kamen nie zustande.

Warum haben die Informationen die Menschen nicht erreicht, die sie benötigten?

Experten in Japan, Hawai und an der Westküste Nordame­rikas registrierten das Erdbeben vor Sumatra trotzdem kurz nachdem es passierte. Innerhalb von 15 Minuten sendeten sie Meldungen aus. Doch sie konnten die Stärke des Bebens nicht einschätzen, da kein einziger Detektor im Indischen Ozean existierte. Als sie ihre E-mails, Faxe und SMS mit Tsunami-Warnungen an ihre Kollegen aussendeten, gab es schon die ersten Meldungen von der gigantischen Flutwelle in Sumatra. Die Wissenschaftler fanden sich selbst in ihren Labors eingesperrt, ihre Schreie konnten die Wände nicht durchdringen.

Als sich die Flutwelle durch ein Zurückziehen des Meeres ankündigte, liefen an vielen Stränden die Kinder hinaus, um Muscheln zu sammeln. Sie hatten keine Ahnung, welche Gefahr ihnen drohte! Denn wir leben in einer Welt, in der - trotz der hohen Zahl von Wissenschaftlern weltweit - die Wissenschaft die Domäne weniger ist, während die Massen in Unwissenheit gehalten werden.

Offensichtlich ist, dass der Indische Ozean eine verarmte, von den mächtigen Nationen dominierte Region ist, wo Nike und Computerfirmen Sweatshops aufbauen können, aber kein Geld übrig ist für ein Tsunami Warnsystem. Wo die korrup­ten Regierungen Milliarden für Waffen und Militär ausge­ben, um den Widerstand gegen sie zu unterdrücken, während die Menschen in bitterer Armut leben. Am meisten zerstört wurde die Region von Aceh im Westen Sumatras. Aceh wird von 40.000 indonesischen Soldaten okkupiert, die die Gas­förderanlagen des Exxon Mobil Konzerns schützen. Die Erd­gasquellen machen die Region zu wertvoll, um sie der ein­heimischen Bevölkerung zu überlassen. Einige Journalisten behaupten, dass die indonesische Regierung gewarnt worden sei.

Es gibt unterschiedliche Meinungen, wie viele Menschen man retten hätte können, wenn die Bevölkerung rechtzeitig gewarnt worden wäre, ohne Zweifel wären es Tausende ge­wesen. Als die Leichen dann angeschwemmt wurden und Millionen verzweifelt vor den Ruinen ihrer Häuser und den überfluteten Feldern standen, zeigte die Regierung ihr kor­ruptes und menschenverachtendes Gesicht. Die Soldaten wurden nicht ausgeschickt, um die Menschen zu retten, son­dern, um mit ihren Gewehren und Helikoptern den Journalis­ten und Hilfsorganisationen den Zugang zu verwehren.

Es dauerte noch zwei weitere Stunden, bis die Flutwelle Sri Lanka erreichte, das nach Sumatra am meisten betrof­fen ist. Mit Sicherheit ist nur bekannt, dass ein amerikani­scher Wis­senschaftler den US-Botschafter dort informiert hat. Was hat er mit dieser Information getan? Laut Zeitungsmeldungen war auch die Regierung Thailands informiert, doch die In­formation wurde zurückgehalten, weil man negative Auswir­kungen auf die Tourismusindustrie befürchtete, sollte es sich um einen falschen Alarm handeln. Trotz der Warnung wur­den 10.000 Soldaten in die südlichen Provinzen geschickt, um gegen Aufständische vorzugehen. Auch in Indien gab es keine Warnung der Bevölkerung. Spätestens als die Flutwelle viele Stunden später die ostafrikanische Küste erreichte, müsste die ganze Welt Bescheid gewusst haben. Trotzdem wurde kein Finger gerührt. Die mörderische Flutwelle tötete auch deshalb so viele Menschen, da viele der Küstenbewoh­ner dieser Länder am Rande des Existenzminimums am Strand in klei­nen ungeschützten Hütten leben. Die bittere Armut vieler Fischer wurde ausgelöst durch internationale Fang­flot­ten, die die Meere leer fischen und den Lebensunter­halt der Küstenbewohner vernichten.

Die widerlichste, aber leider am leichtesten verständliche Er­klärung all dieser Fragen ist diese: In finanzieller Sicht war der Tsunami nicht sehr teuer, kleine Fischerhütten kosten nicht viel. Die Gesamtkosten der Schäden belaufen sich laut Angeben der Reuter Agentur auf 14 Milliarden US-Dollar, das ist nur ein Zehntel der Kosten des Erdbebens in Kobe/Japan 1992, das 6.400 Menschen tötete, und weniger als die Hälfte des Schadens, den der Hurrikane Andrew an­richtete, der in den USA 50 Menschen getötet hatte. Aus Sicht der Wirtschaft war die Katastrophe, die 180.000 Men­schen das Leben gekostet und noch viel mehr in extremer Not hinterlassen hat, kein großer Verlust. Denn menschliche Kosten werden nicht an den Börsen registriert.

Quelle: www.revcom.us

erschienen in: Talktogether Nr. 12/2005