Die internationalen Brigaden
im spanischen Bürgerkrieg 1936-1939
Heuer jährt sich der Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs zum 70. Mal. An diesem Kampf zwischen Demokratie und Faschismus im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs nahmen an die 1700 österreichische AntifaschistInnen teil, darunter viele ehemalige Februarkämpfer, die Österreich 1934 verlassen mussten. Einer von ihnen war Max Stern, der im Jahr 1966, als in Spanien noch die Franco-Diktatur herrschte, ein kleines Büchlein über die ÖsterreicherInnen im spanischen Bürgerkrieg herausgab. Anhand der Reise der republikanischen Fahne, die dem österreichischen Bataillon "12. Februar" in Anerkennung seiner Leistungen bei den schweren Kämpfen um den Übergang über den Ebro übergeben worden war, beschrieb Max Stern die gefährlichen Wege der mutigen WiderstandskämpferInnen.
Im Jahr 1936 hatte die "Volksfront", ein Wahlbündnis aus Republikanern, Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten, bei den spanischen Parlamentswahlen einen überragenden Wahlsieg errungen. Das Land war zu dieser Zeit noch sehr rückständig und die spanische Gesellschaft vom Feudalismus geprägt. Zwei Millionen Landarbeiter waren völlig recht- und besitzlos, die Bevölkerung in den spanischen Kolonien in Marrokko wurde von der Fremdenlegion grausam unterdrückt. All diese Menschen setzten ihre Erwartungen in die neu gewählte Regierung. Die Hoffnungen der spanischen Arbeiterklasse auf eine friedliche Entwicklung wurden jedoch durch einen von General Franco angeführten Militärputsch, der vom Klerus, dem Adel, den Großgrundbesitzern und der faschistischen Falange-Bewegung unterstützt wurde, brutal zunichte gemacht. Die Faschisten versuchten jeglichen Widerstand im Blut zu ersticken, doch die spanischen Arbeiter gaben nicht auf und bauten Widerstandstruppen auf. Durch den Kampf gewannen die Jahrhunderte lang immer nur ausgebeuteten und unterdrückten Menschen neues Selbstbewusstsein und beschritten neue Wege, um ihr Schicksal selbst in die Hände zu nehmen: Die Landarbeiter schlossen sich zu Agrarkollektiven zusammen, wählten Dorfkomitees und begannen, das Land gemeinschaftlich zu bewirtschaften.
Unterstützung erhielten die republikanischen Kräfte nicht nur in Form von Waffen und Ausrüstung von der Sowjetunion, sondern vor allem durch den Einsatz von Feiwilligen aus aller Welt, die als "Internationale Brigaden" bekannt wurden. Doch trotz des selbstlosen Einsatzes von ca. 40.000 Menschen aus 53 Ländern, waren die republikanischen Kräfte von Anfang an militärisch unterlegen, denn die Nationalisten wurden militärisch und finanziell massiv vom nationalsozialistischen Deutschland und vom faschistischen Italien unterstützt. Aber auch die sog. demokratischen europäischen Staaten Großbritannien und Frankreich standen nicht hinter der legitimen gewählten Regierung, sondern verhängten ein Waffenembargo über sie und versuchten das antifaschistische Engagement ihrer eigenen Bevölkerung zu unterbinden. Die Faschisten belagerten Madrid und zwangen die Regierung zuerst nach Valencia, dann nach Barcelona auszuweichen. Am 26. April 1937 wurde die baskische Stadt Guernica durch ein Flächenbombardement der NS-Reichsluftwaffe fast völlig zerstört. Anfang 1939 eroberten die Nationalisten auch Katalonien, bereits am 27. Februar 1939 erkannten die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs das Franco-Regime an. Am 1. April konnte General Franco seinen Sieg verkünden und blieb bis zu seinem Tod 1975 an der Macht.
Viele der Interbrigadisten waren in den erbittert geführten Kämpfen gefallen, die anderen flohen nach Frankreich. Ein Teil von ihnen fiel dort der Gestapo in die Hände, andere waren im französischen Widerstand aktiv. Wenn man heute die Berichte dieser unerschrockenen KämpferInnen liest, fällt ihre Bescheidenheit auf, die ganz im Gegensatz zu ihren außergewöhnlichen Leistungen steht. In dieser schwierigen Zeit zeigten sie auf, was internationale Solidarität bedeutet, und riskierten ihr Leben und ihre Freiheit im Kampf gegen die Knechtung der Menschen durch den Faschismus. Auch heute noch passiert viel Unrecht auf der Welt, doch viele Menschen bleiben passiv. Wie egoistisch hat uns die Wohlstandsgesellschaft eigentlich schon gemacht? Trotz der vielen Fehler und Niederlagen in diesem Kampf, kann uns das Beispiel dieser heldenhaften KämpferInnen heute als Vorbild für unsere zukünftigen Aufgaben dienen.
Der Weg der Fahne der 11. Brigade
„EI frente popular de Madrid - al frente popular del mundo“ „Die Volksfront von Madrid - der Volksfront der Welt“
Hell leuchten noch immer die Farben Rot-Gelb-Violett, die Farben der spanischen Republik, die Farben der Fahne der XI. Brigade. An vielen Stellen ist die Seide liebevoll ausgebessert. An die drei Jahrzehnte ist es her, dass Madrider Frauen die Fahne nähten und stickten. Harte Schlachten hat sie erlebt und einen gefahrvollen Weg zurückgelegt, den Weg der österreichischen Spanienkämpfer. Dem „12.-Februar"-Bataillon wurde sie für seine Leistungen zuerkannt, und Frauen und Männer haben die Fahne geschützt, in der Illegalität und im Konzentrationslager, bis sie zu den österreichischen Freiheitsbataillonen in Jugoslawien und mit ihnen in die Heimat kam.
Von Spanien in die Lager Frankreichs
Als die österreichischen Interbrigadisten im Februar 1939 in Katalonien die letzten Rückzugsgefechte liefern, ist die Fahne dem Wiener Ferdinand B[arth] anvertraut. Als Funktionär der internationalen Gewerkschaftsbewegung der Seeleute hat Ferdl viel Erfahrung in schwierigen Situationen. Er wickelt sich die seidene Fahne um den Leib, zieht die Uniform darüber und ist überzeugt, dass sie so am besten geschützt und am leichtesten über die französische Grenze zu bringen ist. Im Lager St. Cyprien näht er sie zwischen zwei Decken ein. Dann geht die abenteuerliche Reise der Fahne der XI. Brigade weiter nach Gurs, nach Argeles, wo ein neues Kapitel ihrer Geschichte beginnt.
Nach der Niederlage Frankreichs befindet sich ein Zentrum der österreichischen Kommunisten in Toulouse. Sie benachrichtigen die Österreicher im Lager Argeles, einen Verantwortlichen zu wichtigen Besprechungen in die Stadt zu schicken. Das wird rasch organisiert. Ein spanischer Chauffeur bringt den „schwer kranken" Max St[ern] mit einem Ambulanzauto zur Bahnstation. Diesmal ist die Fahne nicht mehr in Decken, sondern in den Mantel des „Patienten" eingenäht. Der rutscht ohne Papiere bei der Eisenbahnfahrt durch und kehrt einige Wochen später wieder ins Lager zurück. Um unbemerkt zu seinen Kameraden zu kommen, muss er weit ins Meer hinausschwimmen, aber der Fahne kann nichts mehr geschehen: sie ist in guter Hut in Toulouse.
Dort wohnt in einem der alten Häuser die Wienerin Mali F[ritz]. Sie hat von Frankreich aus der spanischen Republik geholfen und ist aktives Mitglied der Widerstandsbewegung. Zu ihr bringt Gerti Sch[indel], die im österreichischen Spanienhilfskomitee gearbeitet hat, eine gelblich weiße, blau gestreifte Decke, eingefasst mit einem blauen Seidenband. „Gib gut auf sie Acht", sagt Gerti, „bis ich sie wieder abholen komme." Mali erkennt sofort, dass in diese merkwürdige Decke irgendetwas eingenäht ist und denkt sich ihren Teil. Ein paar Tage später werden beide Frauen verhaftet. Die Decke mit dem blauen Seidenband bleibt in Malis Zimmer.
Mit der Fahne im französischen Gefängnis
Es ist Herbst 1940, und eine große Verhaftungswelle geht dem Prozess gegen österreichische Widerstandskämpfer vor einem französischen Militärgericht in Montauban voraus. Unter dem Vorwand, sich ein paar Sachen zu holen, darf Mali unter Polizeiaufsicht noch einmal in ihr Zimmer, und dabei gelingt es ihr, die Decke ins Gefängnis zu schmuggeln. Nach einer langen Einvernahme, bei der sie und Gerti standhaft alles leugnen, was man ihnen vorhält, erstarren beide auf dem Rückweg zu ihren Zellen vor Schreck – über dem Stiegengeländer hängt die Decke. „Jetzt sind wir geliefert", flüstert Gerti der Freundin zu. „In der Decke war die Fahne der XI. Brigade eingenäht, und sie haben sie bestimmt gefunden."
Die Sache geht besser aus als gefürchtet, denn die Frau des Gefängniswärters hat die Decke nur zum Lüften ausgehängt und nicht bemerkt, was Franzi G[?] so sorgsam eingenäht hatte. Gerti und Mali werden beim Prozess zwar freigesprochen, kommen aber in ein Konzentrationslager im Departement Lozère.
Die Fahne wird aus dem Lager geschmuggelt
Ohne um Entlassungspapiere anzusuchen, verschwindet Gerti nach einiger Zeit aus dem Lager und gibt die Nachricht weiter, dass die Decke mit dem kostbaren „Zwischenfutter" bei Mali geblieben ist. Am Heiligen Abend des Jahres 1941 fällt dichter Schnee. Unendlich vorsichtig kriecht eine junge Frau, mit Holzschuhen an den Füßen und eingewickelt in einen dicken Umhang, bergauf zum Stacheldraht. Wird sie durchkommen? Der Schnee dämpft das Geräusch, die Wachen nehmen es in dieser Nacht nicht so genau. An der verabredeten Stelle hilft der „Spaniak" Fritz W[eiss], der die Verbindung zu den Lagern hält, Mali durch den Draht und übernimmt von ihr in einem kleinen Haus bei Freunden die Fahnen-Decke. „Rasch, rasch", drängt Mali. Vor der Nachtkontrolle muss sie unbemerkt zurück ins Lager, sonst könnte bei der Suche nach ihr die Fahne gefährdet werden. Und nach einiger Zeit erhält sie einen Brief: „Carmen ist gut angekommen und wird jetzt aufs Land fahren, um sich zu erholen." Die Fahne ist in Freiheit!
Aber noch ist ihr Weg weit, und sie muss oft den Standort wechseln, denn die Deutschen haben inzwischen ganz Frankreich besetzt. Sie geht durch die Hände des Spanienkämpfers Harry S[piegel] in Marseille, wird von Fritz Steppat gehütet, den später die Gestapo ermordet. Sie bekommt von der Genossin Marianne A[?] ein so kunstvoll geschneidertes Kleid, dass die Tarnung den peinlichsten Haussuchungen standhält. Ende 1942 wandert sie mit Genossen, die zum Widerstandskampf nach Nordfrankreich gehen, von Marseille nach Lyon, wo Paul K[essler] sie übernimmt. Im Juni 1944 verhaftet ihn die Gestapo. Er lernt die fürchterlichsten Folterungen und die Gefängnisse von Lyon, von Fort Mont Luc, die unterirdischen Bunker kennen. Er spricht kein Wort. Doch ihn quält der Gedanke, ob die Fahne von der Gestapo gefunden wurde. Beim Transport vom Gefängnis Fresnes bei Paris zum Konzentrationslager Buchenwald gelingt es Paul, gemeinsam mit einem Österreicher und acht Franzosen, nahe der belgischen Grenze aus dem Eisenbahnwaggon zu flüchten. Es ist Ende August, die Alliierten sind schon längst in Frankreich gelandet, aber Paris, das die Männer zu erreichen suchen, wird immer noch von den Deutschen gehalten. Knapp vor der Stadtgrenze stoppen deutsche Soldaten den Lastwagen der Geflüchteten. Während Stunden, die sich wie Jahre dehnen, stehen Paul und seine Kameraden mit dem Gesicht zur Wand und warten auf ihre Erschießung. Das Herannahen französischer Partisanentrupps rettet ihnen das Leben.
Oktober 1944. Paul hat die Verbindung mit seinen österreichischen Freunden wieder gefunden und fährt nach Lyon, um die Fahne zu suchen. Alles in der Wohnung ist zertrümmert und verwüstet, doch in einem Winkel liegt die Doppeldecke: Die Gestapo hat sie nicht bekommen!
Von Frankreich über Jugoslawien nach Österreich
Als im Jänner 1945 eine Gruppe österreichischer Widerstandskämpfer von Marseille nach Jugoslawien fährt, um von dort aus den Kampf um die Befreiung der Heimat fortzusetzen, trägt der Spanienkämpfer Zalel Sch[wager] die Fahne der XI. Brigade bei sich, und mit den österreichischen Freiheitsbataillonen erreicht sie endlich Wien.
„EI frente popular de Madrid – al frente popular del mundo" – „Die Volksfront von Madrid - der Volksfront der Welt" haben vor drei Jahrzehnten Madrider Frauen in die Fahne gestickt. Für die Männer des Bataillons „12. Februar", für die österreichischen Spanienkämpfer ist diese Losung nicht nur Erinnerung. Sie ist auch Mahnung für heute. Noch regiert der Faschismus in Spanien. Die Einheit aller Antifaschisten, aller Demokraten, aller Freunde des Friedens ist das Gebot der Stunde! Auch in Österreich!
Autor: Max Stern, 1966. Quelle: Alfred Klahr Gesellschaft http://www.klahrgesellschaft.at/
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erschienen in: Talktogether Nr. 18/2006
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