Die Nachbarn, Teil 19 PDF Drucken E-Mail

Die Nachbarn

Teil XIX

von Abdullahi Osman

 

Hua und Sahra fahren direkt zu Brigitte. Während der Fahrt diskutieren sie, was der Grund sein könnte, warum der Personalchef seine Meinung geändert hat.

Sahra: Denkst du, dass er uns absagen wird?

Hua: Das glaube ich nicht. Wie soll er das begründen? Er hat doch schon damals beim Vorstellungsgespräch gesehen, wie wir aussehen und wer wir sind.

Sahra: Wie er eine Absage begründen sollte, weiß ich auch nicht. Aber braucht er denn überhaupt eine Begründung? Für ihn genügt es, wenn er schreibt: Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass unser Team nicht bereit oder reif dazu ist, Multikulti zu werden. Oder einfach, wir haben uns für eine andere Bewerberin entschieden, mit freundlichen Grüßen. Da gibt es nichts mehr zu diskutieren, oder?

Hua: Aha, du bist aber gescheit. Als ob der Brief bereits vor dir liegt...

Sahra: Du hast Recht, wir sollten lieber positiv denken!

 

Rooble und Willi treffen sich in der Zwischenzeit in einem Kaffeehaus.

Rooble: Hast du gehört, dass Obama den Friedennobelpreis bekommen hat?

Willi: Was!?! Das soll wohl ein Scherz sein?

Rooble: Ja, du hast richtig gehört! Der Präsident hat den Preis er halten. Ich frage mich, ob er ihn verdient hat!

Willi: Von verdienen kann keine Rede sein. Aber wer von den Leuten, die bisher den Friedensnobelpreis bekommen haben, hat ihn schon verdient? Wem hättest du denn den Preis gegeben, Bush etwa?

Rooble: Die Bush-Ära ist Vergangenheit und darüber müssen wir uns nicht mehr die Köpfe zerbrechen. Aber warum haben sie den Preis ausgerechnet Obama gegeben? Gibt es denn keine Menschen, die diesen Preis verdienen würden?

Willi: Bestimmt gibt es die, aber im Moment fällt mir auch keiner ein. Und wem hättest du ihn gegeben?

In diesem Moment ruft Franz Rooble an. Nach kurzem Telefonat.

Rooble: Franz kommt auch!  

Willi: Das ist gut, wir könnten uns eigentlich jeden Montag hier treffen und einen Stammtisch gründen, was sagst du dazu?

Rooble: Gute Idee, ich bin auch dafür! Aber wenn unsere Frauen mit ihrer Arbeit beginnen, weiß ich nicht, ob es möglich sein wird, jeden Montag hierher zu kommen.

Willi: Hat Sahra dir nicht erzählt, dass es noch gar nicht fix ist, dass sie die Stelle kriegen?

Rooble: Ich habe Sahra heute noch nicht gesehen, sondern nur mit ihr telefoniert. Sie hat mir nur gesagt, dass sie mir heute Abend zu Hause sagen wird, wie es gelaufen ist! Was ist denn los, erzähl!

Willi: Anscheinend hat der Personalchef gesagt, dass er noch einmal mit seinen Mitarbeiterinnen über Sahra und Hua reden muss.

Rooble: Was heißt das?

Willi: Das weiß ich auch nicht so genau. Meine Frau hat es mir auch noch nicht genauer erklärt, aber heute Abend wissen wir bestimmt mehr!

Rooble versteht die Welt nicht mehr. Er schaut Willi genau an, schüttelt den Kopf und atmet langsam aus: Das finde ich nicht in Ordnung! Sie haben doch einen Bescheid bekommen mit der Mitteilung, dass sie aufgenommen sind. Und heute fahren sie hin und man teilt ihnen mit, dass sie die Stelle doch nicht bekommen oder so etwas Ähnliches?

Willi: Ob sie die Stelle bekommen werden oder nicht, wissen sie bis jetzt noch nicht, warten wir doch ab!

 

Franz betritt das Lokal, schaut links und rechts, dann bemerkt er seine Freunde. Er geht zu ihrem Tisch, begrüßt sie, setzt sich zu ihnen und bestellt sofort ein Bier.

Rooble: Du musst aber durstig sein!

Franz: Das bin ich! Was gibt’s Neues?

Rooble und Willi schweigen eine Weile.

Rooble: Es gibt schon eine Neuigkeit, Obama hat den Friedensnobelpreis bekommen.

Franz: Der Obama, der ist nicht mehr zu bremsen. Er ist erst zehn Monate im Amt und bekommt sofort den Nobelpreis. Wofür denn? Für etwas, was er vielleicht einmal tut, oder was sich viele von ihm wünschen?

Willi: Wer hätte ihn deiner Meinung nach verdient? Wem hättest du denn diesen Preis gegeben?

Franz: Wer ihn verdient hätte, weiß ich auch nicht, ich weiß nur, Mister Obama auf keinen Fall.

Willi: Warum denn nicht?

Rooble: Was hat Obama mit Frieden zu tun? Er bedroht den Iran mit Krieg und seine Töne sind alles andere als friedlich. Es hat sich nicht so viel geändert. Obama sagt: Wenn ihr nicht tut, was ich euch sage, dann gibt es Konsequenzen, das ist doch das Gleiche, was Bush immer gesagt hat. Wenn es nach mir ginge, hätte ich den Preis an Michael Moore verliehen!

Willi: Mich beschäftigt momentan mehr die Niederlage der Sozialdemokraten - bei jeder Wahl verlieren sie.

Franz: Kein Wunder, sie haben ja nichts mehr anzubieten.

Willi: Das ist richtig. Früher war die SPÖ die Partei der Arbeiter. Jetzt ist die Partei orientierungslos, weder links noch rechts. Schaut einmal, wie es in Vorarlberg war. Die FPÖ ist für ihren Antisemitismus bekannt. Die ÖVP hat klar dagegen reagiert. Beide Parteien haben gewonnen. Die SPÖ hat meiner Meinung nach verloren, weil sie meinungslos war. Die SPÖ sollte mehr Mut zeigen und klar Stellung beziehen, wenn es um Antisemitismus oder Rassismus geht, lauter als die ÖVP und doppelt so laut wie die FPÖ und sich nicht verstecken.

Rooble: Naja, ich würde die Partei nicht so abwerten. Den Spruch von Häupl, gleiche Rechte - gleiche Pflichten, finde ich schon richtig und gut.

Willi: Das finde ich eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wir dürfen mehr erwarten.

 

Hua und Sahra erreichen Brigittes Wohnung und läuten bei ihr an. Doch keiner meldet sich, Brigitte ist nicht zu Hause.

Sahra: Schade, wir hätten sie vorher anrufen sollen

Hua: Ja, stimmt, aber das ist ein Zeichen dafür, dass wir nicht in guter Verfassung sind. Ich hoffe, dass sich unsere Stimmung verbessert.

Hua ruft Brigitte von ihrem Handy aus an.

Hua: Sie war beim Arzt und ist unterwegs, sie kommt gleich. Warten wir auf sie.

Sahra: Was? Beim Arzt? Gestern habe ich noch mit ihr telefoniert und sie hat nichts erwähnt!

Hua: Ich weiß auch nichts.

Brigitte: Warum seid ihr hier? Ich dachte, ihr hättet schon heute mit eurer Arbeit angefangen?

Sahra:  Nein, sie haben uns nach Haus geschickt…

Hua: …wir wissen nicht einmal, ob wir die Stelle überhaupt kriegen.

Birgitte: Was? Das verstehe nicht. Ihr habt doch eine Zusage bekommen, was soll das heißen?

Hua: Keine Ahnung, aber sag erst einmal, wie geht es dir? Was hast du denn beim Arzt gemacht? 

Brigitte: Ich war beim Arzt und, stellt euch vor, er  hat festgestellt, dass ich schwanger bin.

Sahra, Hua: Wirklich? Das ist aber eine Überraschung!

Die beiden umarmen Brigitte, gratulieren und wünschen ihr alles Gute.

Brigitte: Danke. Ihr könnt euch vorstellen, dass das auch für mich eine Überraschung ist, und ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Aber trotzdem, ich möchte mehr über diese Geschichte wissen, denkt ihr, dass hier Rassismus im Spiel ist?

Sahra: Das können wir nicht beurteilen, dafür ist es noch zu früh.

Hua: Alles kann man auch nicht einfach auf Rassismus zurückführen, warten wir doch einfach einmal ab.

Brigitte: Ich bin sicher, wenn ihr hier geboren worden wäret, hätte er euch nicht einfach so nach Hause geschickt. Darüber sollte man in der Zeitung schreiben.

Sahra: Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich um Diskriminierung handelt.

Brigitte: Ich bin aber froh, dass ihr beide so positiv denkt. Rassismus und Diskriminierung sind Krankheiten unserer Gesellschaft, daher bin ich sehr empfindlich, wenn es darum geht.

Im Krankenhaus

Dr. Mayr: Wie Sie gesehen haben, werden zwei neue Schwestern bei uns anfangen. Alle beide sind ausgebildete Krankschwestern, und wir brauchen sie dringend bei uns. Trotzdem möchte ich sie um Ihre Meinung fragen: Wie  finden Sie die neuen Kolleginnen?

Die Stationsschwestern schauen sich an und zeigen sich überrascht.

Schwester Monika: Und ich habe gedacht, sie wären Putzfrauen. Woher kommen sie?

Dr. Mayr:  Sie sind aus Afrika und Asien.

Schwester Martina: Sprechen sie unsere Sprache? Sind sie diplomierte Krankenschwestern?

Dr. Mayer: Sie sind österreichische Staatbürgerinnen und sprechen ausgezeichnet Deutsch. Sie haben eine Krankenpflegeschule in ihren Heimatländern besucht. Ich habe selbstverständlich ihre Zeugnisse überprüfen lassen und es ist alles in Ordnung

Schwester Monika: Aber Afrika ist groß und Asien auch, wo kommen sie genau her?

Schwester Maria: Warum ist es für uns überhaupt wichtig, woher sie kommen?

Schwester Monika: Es gibt genügend Asylanten, die über ihre Herkunft nicht die Wahrheit sagen.

Dr. Mayr und Maria verziehen den Mund.

Maria zu Monika: Aber wir sind doch keine Asylbehörde! Ich verstehe nicht, woher Sie solche Gedanken haben.

Mayr: Werte Kolleginnen! Ich möchte wissen, was sie darüber denken, wenn die beiden bei uns anfangen. Wir brauchen dringend ausgebildete Krankschwestern. Ich möchte aber weder Sie als zukünftige Arbeitskolleginnen, noch unsere Patientinnen vor den Kopf stoßen, deswegen halte ich es für richtig, dass wir vorher gemeinsam darüber reden.

Maria: Wie Sie schon gesagt haben, wir brauchen ausgebildete Kräfte, egal welche Hautfarbe sie haben. Wenn sie Ihnen Ihre Diplome vorgelegt haben, dann gibt es nichts zu diskutieren 

Monika: Da bin ich anderer Meinung. Wer weiß, ob ihre Ausbildung dasselbe Niveau hat, wie eine österreichische Ausbildung? Man weiß doch, in manchen Ländern kann man Diplome auf dem Schwarzmarkt kaufen. Außerdem, gibt es denn nicht genügend einheimische Schwestern, warum stellen Sie nicht „unsrige“ ein?

Dr. Mayr: Zweifeln Sie an meiner Kompetenz, ihre Ausbildung zu beurteilen? Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, ihre Zeugnisse sind in Österreich anerkannt und wir haben sie überprüfen lassen. Das können sie ruhig mir überlassen. Was einheimisches Krankenpflegepersonal angeht, Schwester Monika, wenn Sie eine Krankenschwester kennen, die hier anfangen will, bringen Sie sie doch morgen mit, wir haben hier genug zu tun.

Maria: Ich dachte, Sie hätten gesagt, sie seien ohnehin Österreicherinnen?

Dr. Mayr: Ja, das habe ich gesagt und das ist auch so.  

Maria: Dann frage ich Sie, Monika, was heißt „unsrige“, gibt es denn zwei Klassen von Österreicherinnen? Wenn Sie mich fragen, finde ich das lächerlich. Ich bin der Meinung, dass die Kolleginnen schon morgen anfangen sollten, und damit ist die Sache für mich erledigt.

Monika: Wir werden von den Ausländern überrannt, aber Ihnen ist das egal.

Dr. Mayr: Einen Moment bitte! Ich rede hier über zwei österreichische Kolleginnen, und für mich gibt es weder Ausländerinnen noch Inländerinnen, wenn es um meine Mitarbeiterinnen geht.