Die Nachbarn Teil XVI von Abdullahi Osman Brigitte: Wie kommen wir zu den Webers? Franz: Ruf bitte die Abdis an und frag, ob wir gemeinsam mit einem Auto fahren. Brigitte: Okay, ich rufe sie an. Brigitte ruft die Abdis an, Rooble ist am Apparat: Rooble: Hallo Brigitte! Brigitte: Hallo Rooble, ist die Sahra zu sprechen? Rooble: Sahra, Telefon für dich! Sahra: Hallo? Brigitte: Sahra, grüß dich! Sahra: Hallo Brigitte, grüß dich! Was gibt’s Neues? Brigitte: Ich wollte fragen, ob wir gemeinsam mit einem Auto fahren können? Sahra: Ja natürlich, wir können entweder euer Auto nehmen oder unseres, wie ihr wollt… Brigitte: Aber sollten wir Frauen uns nicht vorher noch für die Diskussion besprechen? Sahra: Stimmt, aber was schlägst du vor? Brigitte: Ich schlage vor, dass wir Frauen zusammen ein Auto nehmen und die Männer das andere, dann haben wir noch genügend Zeit, um unseren Plan noch einmal durchzugehen. Sahra: Das finde ich gut. Nur, wie informieren wir Hua, und wie erklären wir das den Männern? Brigitte: Den Männern sagen wir einfach, dass wir unbedingt noch etwas erledigen müssen, und die Hua rufen wir an, dass wir ein bisschen später kommen. Sahra: Das ist perfekt, so machen wir’s. Rede du mit deinem Mann und inzwischen rede ich mit meinen, dann rufen wir uns wieder zusamman. Bis gleich! Brigitte: Du Franz, Sahra und ich wollen inzwischen etwas erledigen und dafür brauchen wir unser Auto. Könntest du bitte mit Rooble zu den Webers fahren? Franz: Verstehe. Ihr Frauen wollt wieder einmal unter euch sein, wie immer. Ihr habt wohl wieder etwas zu verheimlichen. Brigitte, um eine weitere Diskussion zu vermeiden: Wir haben gedacht, ihr wollt auch einmal unter euch sein. Franz: Weiß Rooble Bescheid? Brigitte: Die Sahra sagt es ihm und ruft uns an. Doch schon kurz danach läutet die Türglocke. Brigitte öffnet und Rooble steht vor der Tür. Rooble: Ist der Franz fertig? Brigitte: Nein, er ist noch nicht fertig, aber komm doch herein! Rooble tritt ein und Brigitte führt ihn ins Wohnzimmer. Kurz darauf kommt Franz aus dem Badezimmer und sagt: Man hat mir früher erzählt, dass die Afrikaner immer zu spät kommen und nichts mit Terminen am Hut haben. Du bist anders, nehme ich an? Brigitte: Rooble, was hat man dir über uns Europäer erzählt? Rooble: Was man mir als Kind über die Europäer gesagt hat, will ich heute nicht kommentieren, denn ich bin hier und kann mir selbst ein Bild über die Menschen machen, wie ich sie sehe und erlebe. Es gibt doch überall Legenden, die keine wahren Hintergründe haben. Ich bin ein pünktlicher Mensch, aber ich habe Freunde, sowohl aus Afrika als auch aus Europa, manche davon sind pünktlich und manche kommen immer spät. Das hat doch nichts mit der Herkunft zu tun, sondern ist eine Frage der Zeitplanung. Franz: Ich darf doch bei dir bzw. bei euch aussprechen, was ich denke? Und ich hoffe, dass ihr nicht beleidigt seid. Aber ihr könnt mich jederzeit korrigieren. Rooble: Dass wir von einander lernen, ist doch die Grundlage unserer Freundschaft. Ein bisschen nachzudenken, könnte aber nicht schaden. Brigitte: Männer, ich lasse euch allein, damit ihr weiter voneinander lernen könnt, wir sehen uns bei den Webers, bis dann! Franz: Ich bin auch schon fast fertig, wir fahren gleich los. Brigitte geht schnell hinauf, Sahra wartet schon auf sie. Sahra: Sollten wir nicht lieber zuerst die Hua anrufen und ihr sagen, dass wir ein bisschen später kommen? Brigitte: Okay, ruf du sie an! Sahra: Nein, du rufst sie an. Ich möchte inzwischen das Geschirr fertig waschen! Brigitte: Warum, willst du sie nicht anrufen? Denkst du, dass sie uns missverstehen könnte? Wegen der letzten Auseinandersetzung haben beide ein bisschen schlechtes Gewissen und fürchten, dass sich Hua ausgeschlossen fühlen könnte. Sahra: Geh, ruf sie doch an, dann werden wir sehen, was sie denkt! Brigitte: Irgendwie habe ich schon ein ungutes Gefühl. Nach einigem Zögern greift sie endlich zum Hörer. Hua: Hallo? Brigitte: Hallo Hua, wie geht es dir? Hua: Mir geht es gut, aber ich möchte wirklich wissen, was mit euch los ist, denn eure Männer sind schon da! Wo bleibt ihr denn? Brigitte: Wir sind bei Sahra und wir kommen eh gleich, aber wir haben uns gedacht, wir sollten uns noch für die Diskussion richtig vorbereiten! Hua: Ihr diskutiert über das Projekt ohne mich? Wie soll ich das verstehen? Brigitte: Nein, ohne dich können und wollen wir gar nichts unternehmen, aber wir haben gedacht, du bist wahrscheinlich mit Kochen beschäftigt. Daher haben wir uns überlegt, dass wir erst einmal hier diskutieren und dir dann alles erzählen, sobald wir bei dir sind. Hua: Wenn ich keine Zeit habe, dann kann ich es selbst sagen, warum habt ihr mich nicht einmal gefragt? Sahra nimmt Brigitte den Hörer aus der Hand: Hua, du hast doch gesagt, dass wir uns gut überlegen sollten, was wir den Männern sagen, bevor das Gespräch stattfindet, und genau das machen wir. Bitte, denk nicht, dass wir dich übergehen wollen. Es geht doch um unser gemeinsames Projekt, und wie die Brigitte dir bereits gesagt hat, ohne dich geht überhaupt nichts. Hua: Früher habe ich das auch gedacht. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Vielleicht habe ich mir zu viel erwartet. Ich sollte mich wohl besser auf meine Arbeit und meine Familie konzentrieren und das Projekt euch überlassen. Aber eines müsst ihr wissen, nämlich, dass mein Mann und ich für euch gekocht haben und das Essen fertig ist, alles andre ist mir jetzt nicht mehr so wichtig. Sahra: Wenn du jetzt aussteigst und bei unserem Projekt nicht mehr mitmachst, dann bin ich auch nicht dabei, und bestimmt ist Brigitte der gleichen Meinung! Also musst du entscheiden, ob wir unseren Traum weiter verfolgen oder ob wir aufgeben. Brigitte: Ja, mir geht genau so. Ich habe eine Idee. Wir fahren gleich zu dir und reden dann gemeinsam über alles. Was haltet ihr davon? Sahra: Das ist eine gute Idee. Hua: Na gut, ich warte auf euch. Bis gleich!! Brigitte und Sahra läuten bei den Webers und Willi macht die Türe auf. Nach einem kurzen „Hallo“ gehen beide sofort in die Küche, wo Hua das Essen vorbereitet. Sahra umarmt Hua und Brigitte schließt sich an: Wir wollen ohne dich überhaupt nichts unternehmen, jede von uns ist wichtig, und wir brauchen uns gegenseitig. Brigitte: Wir sollten uns auf keinen Fall spalten! Hua: Vielleicht bin ich naiv und leichtgläubig, aber eure Umarmung ist für mich ein Beweis dafür, dass ihr mich gern habt, und ich habe euch auch sehr gern. Ihr habt mir gezeigt, wie wichtig wir uns gegenseitig sind! Aber was wäre unsere Freundschaft ohne Offenheit und Ehrlichkeit? Sahra: Nur wenn wir miteinander sprechen, können wir Konflikte und Misstrauen vermeiden oder zumindest reduzieren. Brigitte: Hua, du bist weder naiv noch leichtgläubig, sondern ein offener und ehrlicher Mensch, und das schätzen wir an dir. Darum wollen wir auf dich keinesfalls verzichten! Hua: Ich habe seit unserem letzten Gespräch nachgedacht und habe mich entschlossen, dass ich gemeinsam mit euch einen Kindergarten aufbauen möchte. Denn ihr habt Recht, ein Restaurant braucht viel Geld und vor allem sehr viel Zeit. Sahra: Ich bin froh und erleichtert, dass wir uns einig sind! Hua sagt etwas auf Chinesisch und übersetzt es dann: Das heißt, drei Frauen - ein Projekt. Während die Frauen sich in der Küche die Tränen abwischen, sind die Männer, denen offenbar der Gesprächsstoff ausgegangen ist, inzwischen hungrig und ungeduldig geworden. Willi betritt die Küche: Wenn wir jetzt alle vollzählig sind, worauf warten wir noch? Warum essen wir nicht? Hua: Das Essen ist fertig, nimm bitte den Salat mit. Wir kommen gleich. Die Projektvorstellung Nach dem Essen sagt Hua: Soll ich den Nachtisch gleich servieren, oder wollen wir uns vorher noch ein bisschen unterhalten? Franz: Wenn ihr eine interessante Geschichte erzählen oder eure Geheimnisse enthüllen wollt, kann der Nachtisch meinetwegen noch ein bisschen warten. Brigitte: Wir werden euch keine Klatschgeschichten erzählen, sondern wir wollen ein ernsthaftes Gespräch mit euch führen. Hua, bitte, könntest du anfangen? Hua: Heute und hier wollen wir euch unser Vorhaben vorstellen. Wir haben euch schon mitgeteilt, dass wir ein Projekt geplant haben. Konkret haben wir über einen Kindergarten oder ein Restaurant nachgedacht. Es ist uns jedoch klar geworden, dass wir nur die Kapazitäten für ein Projekt haben. Sie übergibt das Wort an Sahra. Sahra: Willi und Hua, ich möchte mich für das köstliche Essen und die gute Atmosphäre bedanken. Wir haben euch Männern versprochen, dass wir euch unser Projekt vorstellen, und nun ist die Zeit gekommen. Hua, Brigitte und ich haben uns vorgenommen, mit unserem Projekt Missstände in der Gesellschaft wie Rassismus und Vorurteile an der Wurzel zu bekämpfen. Was wir unserer Meinung nach dazu beitragen können ist, dass wir einen Kindergarten eröffnen. Rooble: Warum gerade einen Kindergarten? Sahra: Weil wir der Überzeugung sind, dass die Erziehung der Kinder eine Frage für unsere Zukunft ist. Viele Eltern haben wenig Zeit für die Kindererziehung, weil sie beide arbeiten müssen. Und weil auch die KindergärtnerInnen mit den Problemen oft überfordert sind, haben wir gedacht, wir können so zur Verbesserung der Gemeinschaft und zur Völkerverständigung etwas beitragen. Franz: Es gibt doch schon genug Kindergärten, was sollte bei euch anders sein? Brigitte: Bei uns sollte anders sein, dass wir die Kinder mehr über andere Kulturen oder fairen Handel informieren und sie zur Menschlichkeit und Umweltfreundlichkeit erziehen. Hua: Wie schon gesagt, wir wollen nicht nur darüber reden, sondern, dass unseren Reden auch Taten folgen. Franz: Wie wollt ihr mit einem Kindergarten die Welt verändern? Alle Verbrecher hatten Mutter, Frau und Kindergartentante, wollt ihr mehr erreichen als diese Frauen? Oder denkt ihr, dass ihr besser seid als die anderen? Rooble: Wenn ich euch zuhöre, dann denke ich, ihr seid nur gelangweilte Hausfrauen, wenn ihr mit euer neuen Stelle anfangt, werdet ihr sowieso keine Zeit mehr haben und das Projekt schnell fallen lassen. Brigitte: Alles, was ihr wollt, ist, dass ihr nach der Arbeit ein warmes Essen bekommt und ihr denkt an nichts anderes als an euer Gehalt und eure Bäuche. Wille: Liebe Freunde, lasst unsere Frauen doch arbeiten und ihre Ziele verfolgen und wartet ab, ob es ihnen gelingt. Fortsetzung folgt…
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