Die Nachbarn Teil XIII von Abdullahi A. Osman
Franz und Rooble gehen aus dem Haus. Kurz darauf sagt Franz: Ich freue mich über unsere neue Freundschaft, aber trotzdem fühle ich mich irgendwie durch unseren Freundeskreis eingeengt. Ich möchte damit sagen, ich habe das Gefühl, ich kann nicht immer offen aussprechen, was mir durch den Kopf geht. Verstehst du das? Rooble neugierig: Nein, das verstehe ich nicht, möchtest du mir es erklären? Franz: Wenn ich mit meinen Freunden zusammen bin, kann ich alles sagen, ohne dass die anderen beleidigt sind. Aber bei euch muss ich ständig aufpassen. Euch Afrikaner nennen wir Neger und die Chinesen Schlitzaugen, aber das hat nicht mit Rassismus zu tun, sondern wir sagen es einfach nur so, ohne darüber nachzudenken! Rooble: Ich verstehe dich jetzt, du kannst vor uns nicht Worte wie Neger oder Schlitzaugen verwenden, aber bei deinem Freunden schon? Warum erzählst du mir das alles? Franz: Ich erzähle es dir nicht, sondern ich habe dich gefragt, ob du mich verstehen kannst. Damit meine ich: diese Worte sind für euch eine Beleidigung, aber für uns sind sie harmlos. Rooble: Wenn du weißt, dass es für uns Schimpfworte sind, dann solltest du sie vermeiden, es sei denn, du hast die Absicht, uns zu kränken. Franz bleibt stehen und schaut Rooble ins Gesicht: Ich will euch keineswegs beleidigen, das habt ihr auch nicht verdient. Aber ich möchte, dass du mir erklärst, warum das Wort Neger für dich ein Schimpfwort ist. Rooble: Neger heißt eigentlich nichts anderes als Schwarz. Dass meine Hautfarbe schwarz ist, ist genau so eine Tatsache, wie jene, dass deine Haut weiß ist. Jemanden als Schwarzen zu bezeichnen, kann deshalb kein Schimpfwort sein. Die Bezeichnung „Neger“ wird von uns aber als Beschimpfung und Beleidigung empfunden, weil es ein rassistischer Ausdruck ist. Im Zusammenhang mit Sklaverei und Kolonialismus hat dieses Wort einen abwertenden Beigeschmack bekommen. „Neger“ genannt zu werden, erweckt das Gefühl, als Sklave bezeichnet zu werden. Warum ist es für dich eigentlich so wichtig, „Neger“ zu sagen? Franz: Mir ist es nicht wichtig, Neger zu sagen, ob ich es mir so leicht abgewöhnen kann, weiß ich allerdings auch nicht. Mir ist aber wichtig, was du mir gerade erklärt hast, denn das habe ich nicht gewusst. Ich muss zugeben, dass ich bisher auch nicht darüber nachgedacht habe. Bei uns sagt man auch, wenn man kein Geld hat: Ich bin Neger. Das sagt wohl, dass Neger gleichbedeutend mit Armut und Nichtshaben ist. Rooble lacht: Ich bin nicht reich, bin aber auch in dieser Beziehung kein Neger. Was unsere chinesischen Freunde betrifft, finde ich, ihre Augen schön. Franz: Chinesische Augen und afrikanische Nasen finde ich, ehrlich gesagt, schon auffällig. Rooble: Das ist für dich auffällig, weil du es nicht gewohnt bist und deine Umwelt anders ist. Wärst du in Afrika oder in China, dass würdest du derjenige sein, der auffällt. Außerdem gibt es auch viele Europäer, die nicht mit ihren Augen oder ihrer Nase zufrieden sind. ….. Während seine Frau und ihre Freunde über die Ordnung der Welt diskutieren, kämpft Willi für Integration in seiner Schule. In der Schule, in der Willi unterrichtet, ist die Quote ausländischer SchülerInnen nämlich besonders hoch. Bei einem LehrerInnen-Fortbildungsseminar über das Thema Integration versucht Willi, seine KollegInnen zu überzeugen, dass man nicht nur über Integration die Schuld für Probleme bei den ZuwanderInnen suchen soll, sondern dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden sollten, um zum Zusammenwachsen der Gesellschaft beizutragen. Willi und seine Kollegin Monika schlagen vor, einen Raum für die gemeinsame Freizeitgestaltung anzubieten. Monika: Ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich habe nichts anders gekannt, als was ich in meinem Umfeld gesehen habe, bis ich meinen Mann kennen gelernt habe. Seit damals bin ich mit zwei verschiedenen Kulturen konfrontiert. Am Anfang sind uns die Unterschiede nicht aufgefallen. Erst als wir ein Kind bekamen, sind uns kulturelle Unterschiede bewusst geworden. Das war für uns der Anlass, darüber nachzudenken, wie wir das Beste aus beiden Kulturen verbinden können. Wenn wir für uns, für unsere Schüler und unsere Schule etwas tun wollen, dann müssen wir erkennen, dass jeder, der mit dieser Schule verbunden ist, ob SchülerInnen, LehreInnen oder Eltern, eine wichtige Rolle bei diesem Prozesse spielen sollte. Mag. Maier, der sich als Einziger von seinen Kollegen nur per Sie und mit seinem Titel ansprechen lässt: Das finde ich absolut sinnlos, denn die ausländischen Kinder kommen nicht, vor allem die Mädchen. Was sollen wir ihnen anfangen, wenn sie nicht einmal auf die Landschulwoche mitfahren oder im Sommer ins Schwimmbad mitgehen dürfen? Willi: Das ist das, was wir überwinden sollen, genau das, was du, Entschuldigung, Sie angesprochen haben, ist unsere Aufgabe! Monika: Ich habe 9 Mädchen in meiner Klasse, ich kann sie fragen, was sie davon halten. Auf jeden Fall warne ich vor Vorurteilen und Verallgemeinerung. Mag. Maier: Das sind keine Vorurteile, sondern es ist die Realität. Diese Leute wollen zwar hier bleiben, aber mit uns und unserer Kultur wollen sie nichts zutun haben! Monika: Da übertreiben Sie aber gewaltig! Willi: Ich habe einen Fall in einer US-amerikanischen Schule verfolgt, wo schwarze und weiße Schüler darum gestritten haben, ob Schwarze im Schatten eines Baumes im Pausenhof sitzen dürfen. Aus solchen Erfahrungen sollten wir lernen, dass es notwendig ist, früh genug zu handeln, damit es erst gar nicht so weit kommt. Lehrer: Die Verhältnisse in Amerika kann man nicht mit unseren vergleichen. In unseren Schulen haben wir doch keinen offenen Rassismus. Aber wir sollten versuchen, zu verhindern, die Entwicklung von Parallelgesellschaften einzubremsen. Mag. Maier: Die sollten lieber lernen, sich an uns anzupassen! Monika: Herr Mag. Maier, wir können die SchülerInnen nicht nach In- und AusländerInnen sortieren: Die einen müssen sich anpassen und die anderen bloß zuschauen und darauf warten, bis sie sich anpassen. Wir müssen stattdessen alle gemeinsam - Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen - ein Konzept erarbeiten! Will: Ich schließe mich der Meinung von Monika an. Gemeinsam für eine bessere Zukunft. in der sich jeder frei und wohl fühlt und das Recht hat, seine Meinung zu sagen! ….. Inzwischen haben die Frauen ihr Gespräch beendet und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie sich alle nächsten Samstag bei Hua und Willi treffen, um zu sehen, was die neue Woche mit sich gebracht hat. Brigitte hat den Auftrag bekommen, sich zu erkundigen, was für die Einrichtung eines Kindergartens benötigt wird. Sahra und Hua sollten abwarten, was aus ihrer Bewerbung geworden ist. Am Montag vormittag leert Sahra ihren Briefkasten aus. Sie bemerkt einen Brief vom Krankenhaus. Neugierig öffnet sie ihn: Es ist die Mitteilung, dass sie die Stelle antreten kann, vorher aber eine Zusatzausbildung absolvieren muss, die ein halbes Jahr dauert. Nachdem sie den Brief gelesen hat, ruft sie sofort Hua an. Hua: Hallo! Sahra (vorsichtig): Guten Morgen, hier ist die Sahra. Hua: Hallo Sahra! Gibt es was Neues bei dir? Sahra: Ich habe einen Brief vom Krankenhaus bekommen. Du auch? Hua: Ja, ich habe auch einen bekommen. Was steht bei dir drin? Sahra: Ich bekomme die Stelle, wenn ich eine Ausbildung mache… Hua: Ja, wirklich? Bei mir steht das Gleiche drin! Beide jubeln. Plötzlich hält Hua inne und sagt besorgt: Und was ist mit unserem Kindergarten? Sahra: Ich glaube, wir müssen diese Chance ergreifen. Der Kindergarten wird wohl noch ein bisschen warten müssen. Hua: Was meinst du mit warten? Ich freue mich, dass ich hier in Österreich als diplomierte Krankenschwester arbeiten kann. Aber unser Projekt ist mir auch sehr wichtig, weil immer gesagt wird, dass wir Frauen nichts zustande bringen, und ich das Gegenteil beweisen möchte. Und weil ich überzeugt bin, dass wir für eine bessere Zukunft etwas tun müssen. Sahra: Ich stimme dir zu. Aber zuerst müssen wir für uns einen stabilen Arbeitsplatz sichern. Damit wir unser Projekt aus eigener Kraft finanzieren und unabhängig bleiben können. Hua: Ich brauche die Arbeit genauso dringend wie du. Ich werde aber unser gemeinsames Projekt nicht aufgeben. Sahra: Aber wie stellst du dir das vor? Wie können wir beides verbinden? Hua schweigt eine Weile. Sahra: Ich verstehe dich. Ich bin auch davon überzeugt, wie das wichtig unser Projekt ist. Ich würde zuerst die Chance auf die Stelle mit beiden Händen ergreifen und die Prüfung machen. Wir sind keine Sekretärinnen, die am Wochenende frei haben, wir werden auch Samstag und Sonntag arbeiten müssen. Sobald wir uns daran gewöhnt haben, werde ich zu unserem Projekt zurückfinden. Das empfehle ich dir auch. Hua: Ich möchte nur eines von dir hören, dass du unser Projekt nicht aufgeben willst. Sahra: Das verspreche ich dir. Hua: Wir müssen das der Brigitte mitteilen. Wie wird sie das wohl aufnehmen? Sahra: Ich bin sicher, dass sie uns verstehen wird. Hua: was hältst du davon, wenn wir die Brigitte überraschen? Sahra: Meinst, dass wir ihr es nicht am Telefon sagen? Hua: Genau, wir laden sie auf einen Kaffee ein und zeigen wir ihr den Brief. Hua, Sahra und Brigitte treffen sich in einem Kaffeehaus. Sie zeigen ihr die Briefe, die sie vom Krankenhaus erhalten haben. Brigitte: Ja, das ist ja toll, und es freut mich wirklich sehr für euch. Nur, wie geht unser Projekt weiter? Sahra: Verschieben aber keinesfalls aufgeben. Hua: Ja, wir haben gedacht, wir sollten zuerst unsere Arbeit auf die Reihe kriegen, und dann machen wir unser Projekt weiter, was hältst du davon? Brigitte: Das ist richtig! Sahra und Hua bedanken sich bei Brigitte. Fortsetzung folgt…
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