Die Nachbarn Teil XII von Abdullahi A. Osman Brigitte: Vielleicht ist es besser, wenn ihr die Stelle bekommt und ich weiter meine Halbtagsarbeit behalte. Dann haben wir weniger Stress, als wenn wir ein Vereinslokal oder einen Kindergarten gründen. Sahra: Warum das? Hua: Da fragst du noch? Du hast doch selbst gesagt, dir wäre es lieber, wenn du die Stelle bekommst. Jetzt denkt die Brigitte auch so, dann schlage ich vor, lassen wir die Sache weg! Wir sind auch nicht anders wie die, die nur schlafen, essen und spazieren gehen wollen. Sahra: Ist es denn ein Verbrechen, wenn ich für mich eine Stelle suche? Das hat doch nichts mit unserem Projekt zu tun. Ich verstehe nicht, warum du so hysterisch bist! Hua: Es ärgert mich, dass ihr so schnell aufgebt. Das sollte nicht sein! Wir sollen unser Projekt weiter machen und nicht aufgeben, ich will nicht ein Teil der bequemen Konsumgesellschaft sein! Brigitte: Du hast schon Recht, wir dürfen nicht so schnell aufgeben. Aber es ist trotzdem wichtig, dass wir realistisch bleiben und an Alternativen denken! Sahra zu Hua: Ich finde es auch schön, dass du so denkst, und nehme das Wort hysterisch zurück und entschuldige mich dafür. Wie schon die Brigitte erwähnt hat, ich habe damit nur gemeint, wenn unsere Pläne nicht funktionieren, was dann? Hua: Wenn wir uns gut informieren und davon überzeugt sind, wie wichtig unser Projekt für die Menschen aus unserer Sicht ist, dann müssen die Pläne funktionieren. Sahra: Ich muss zugeben, dass ich irgendwie gespalten bin: Auf einer Seite ist mir klar, wenn es keine Menschen gibt, die sich um die Gemeinschaft kümmern, dann werden die Probleme immer größer. Wie ihr wisst, geht es uns doch darum, die Menschen zu informieren, und einen Grundstein für das Zusammenkommen der Menschen zu legen. Wir haben uns vorgenommen, durch unser Projekt Vorurteile und blinden Hass zu verhindern. Auf der anderen Seite ist es eine Tatsache, dass wir uns fragen sollten, ob wir überhaupt genug Kapazitäten haben! Hua: Wir haben uns nicht zu viel vorgenommen, sondern nur eine ganz kleine symbolische Sache, aber du sprichst so, als ob wir uns ein riesiges Projekt vorgenommen hätten! Was ist los mit dir? Du bis so pessimistisch geworden, so kenne ich dich gar nicht! Sahra: Vielleicht gehöre ich doch zu dieser bequemen Gesellschaft (sie schmunzelt dabei). Brigitte: Ich gehöre auch dazu und wir sind alle mittendrin, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht. Darum verstehe ich deine Zweifel, denn wir leben in einer Ego-Gesellschaft, wo jeder nur an sich selbst denkt. Wenn ich ehrlich bin, bin ich stolz darauf, dass wir gegen die Strom schwimmen wollen. Brigitte wendet sich an Hua: Bitte Hua, ärgere dich nicht, wenn wir uns fragen, ob wir die Kapazität haben. Hua: Ich lebe auch auf diesem Planeten und verstehe euch. Gleichzeitig haben wir von Anfang an gewusst, dass unser Vorhaben nicht leicht sein wird, aber wir wollen ja mit einem ganz kleinen Projekt anfangen. Sahra: Stimmt, ich will unser Projekt auch gar nicht aufgeben, bestimmt die Brigitte auch nicht. Ich denke, wir sollten gleichzeitig eine Arbeit suchen, damit wir uns und unser Projekt finanzieren können und keine fremde Hhilfe brauchen, denn wir werden wahrscheinlich von dem Kindergarten oder dem Lokal nicht leben können, mindestens nicht das erste Jahr. Während die Frauen im Wohnzimmer über die Pläne der Zukunft diskutieren, debattieren die Männer über die Weltpolitik. Der Auslöser für ihre Diskussion war ein Bericht im Radio. Ö1 berichtet, dass in Bagdad wieder einmal viele Menschen durch Bombenanschläge umgekommen sind. Da ergreift Franz das Wort: Die Muslime kennen nichts anderes, als zu töten. Er fährt fort und sagt: Sie hoffen, dass sie durch Terror in den Himmel kommen, aber das ich finde ich Schwachsinn und absurd! Rooble: Ich bin auch Muslim, und ich glaube nicht, dass ich durch ein Bombenattentat in den Himmel oder ins Paradies kommen würde. Terror ist ein Verbrechen, und es gibt keine Religion, die solche grausamen Taten erlaubt, diese Menschen missbrauchen die Religionen. Franz: Jeder sagt, die Religionen verbieten solche Taten, trotzdem wird jeden Tag terrorisiert und getötet. Ich frage mich, woher lernen die das? Es muss schon Gründe und Quellen geben, dass sie auf eine solche Idee kommen. Rooble: Wenn du mich fragst, meine ich, dass es weder religiöse noch moralische Rechtfertigungen dafür gibt. Meiner Meinung nach fühlen sich die Menschen ausgenützt und machtlos, und dieses Gefühl treibt sie in die Arme von fanatischen Hetzern. Wenn man die Ursache dieser Probleme erkennen und die Konflikte lösen will, muss man die Wurzeln dafür suchen, aber nicht gleich eine Gruppe von Menschen im Vorhinein verurteilen. Franz: Ich verurteile beides, dass die USA den Irak besetzen und dass unschuldige Menschen in die Luft gejagt werden. Rooble: Ich kenne keine Legitimität dafür, aber heute sind wir unter dem Hammer der Extremisten, und die finden immer einen Vorwand für Gewalt, ob es sich nun um Religion oder eine andere Ideologie handelt. Während die Weltpolitik den Terror unter die Lupe nimmt, wächst gleichzeitig der Rassismus. Und bis jetzt habe ich aber leider nicht viel über Maßnahmen gegen den Rassismus gehört. Franz: Rassismus ist zwar gefährlich, aber die Islamisten sind gefährlicher, denn die sind unberechenbar und verstecken sich überall, man kann gegen sie nicht kämpfen, das ist meine Meinung. Rooble: Ich habe keine Sympathie für Extremisten, weder für die einen, noch für die anderen. Aber die Nazis sind leicht zu sehen, gegen sie wird aber nichts unternommen. Wenn ich heute in die Stadt gehe, könnte ich leicht das Opfer von beiden werden, aber vielleicht du nicht, darum sind die Terroristen für dich gefährlicher als die Nazis! Franz: Nein, ich habe nicht gemeint, dass die Nazis harmlos sind! Wir sollten keine Abstufungen machen, sondern lieber etwas gegen dieses Gesindel tun. Rooble: Gestern habe ich eine Sendung im Fernsehen gesehen, die berichtete, dass in Deutschland eine ausländische Schülerin im Bus von Neonazis zusammengeschlagen wurde. Der Busfahrer hat die Polizei gerufen. Die ist zwar gekommen, hat aber die Täter laufen lassen. Die mächtigsten Länder der Welt schicken Soldaten nach Afghanistan und in den Irak, angeblich um dort die Demokratie zu sichern, und dann sind sie nicht einmal in der Lage, mit den Problemen im eigenen Land fertig zu werden. Aus meiner Sicht brauchen sie mehr Sicherheitskräfte in ihren Ländern, damit sie ihre Mitbürger vor den Gewallt schützen können. Franz: Ich habe sogar gehört, dass es z.B. in Deutschland und in der Schweiz „ausländerfreie“ Stadtviertel gibt. So etwas finde ich in der heutigen Zeit unakzeptabel. Ich verstehe deine Sorge, weil ihr wegen eurer Hautfarbe mehr Probleme habt als Leute wie ich. Es stimmt auch, dass die Gewalt der Nazis zunimmt, aber nichts dagegen unternommen wird. Plötzlich sind Kaffee und Gesprächsstoff zu Ende gegangen und die beiden Freunde schweigen einstweilen. Franz: Möchtest noch einen Kaffee? Rooble: Nein danke, lass uns nachschauen, worüber die Frauen diskutieren! Franz: Wir können kurz nachschauen und danach könnten wir ein bisschen nach draußen gehen. Franz und Rooble schleichen langsam ins Wohnzimmer und beobachten, wie die drei Freuen diskutieren. Franz: Ihr verhandelt aber hart, lasst uns mitdiskutieren über eure Pläne! Hua unterbricht die Diskussion, aber Brigitte und Sahra signalisieren, dass sie weiter sprechen soll Hua: Wir wollten eigentlich, dass unser Plan bis zu einer bestimmten Zeit Frauensache bleibt! Alle drei schweigen und schauen sich gegenseitig an. Sahra: Wir könnten euch die Sache erzählen, aber nur unter der Bedingung, dass wir unser Projekt mit unseren eigenen Ideen und Mitteln durchführen. Hua und Sahra sehen Brigitte an und fordern sie auf, den Männern über das Projekt zu erzählen. Brigitte: Die Idee ist noch roh und wir müssen sie erst weiter entwickeln. Allerdings, wenn ihr mit machen wollt, sollt ihr wissen, dass, wie Hua und Sahra gesagt haben, der Kern des Konzepts Frauensache bleiben sollte. Aber wir hören gern eure Meinung. Rooble: Habt ihr schon etwas Konkretes geplant? Brigitte: Ja, wir haben entweder ein Lokal oder einen Kindergarten geplant… Sahra unterbricht Brigitte: Aber wenn wir jetzt darüber diskutieren und ins Details gehen wollen, dann fehlt uns jemand! Alle schauen sich an und sagen: Der Willi! Sahra spricht weiter: Deswegen warten wir lieber, bis wir alle da sind. Rooble: Wo ist der Willi? Hua: Er ist in einer Sitzung. Deshalb möchte ich euch gleich - auch im Namen meines Mannes - zu uns einladen, damit wir bei uns gemeinsam diskutieren können. Bevor jemand etwas einwenden kann, sagt Franz: Was, Lokal und Kinder? Was haben Lokal und Kindergarten miteinander zutun? Sahra: Entweder Lokal oder Kindergarten. Rooble nachdenklich: Verstehe, Lokal und Kindergarten, das sind gute Stichworte. Franz: Ich sehe, dass ihr euch viel vorgenommen habt, aber eines möchte ich euch jetzt schon sagen, es gibt genügend chinesische Restaurants hier und in der Umgebung. Brigitte: Wie kommst du auf ein chinesisches Restaurant? Franz: Ich habe gedacht, da die Hua gut kochen kann, wollt ihr ein bunt gefärbtes China-Restaurant eröffnen! Hua: Keiner außer dir hat hier über ein chinesisches Restaurant gesprochen! Sahra: Wir haben ein gemeinsames Vereinslokal gemeint. Weder ein chinesisches noch ein afrikanisches Restaurant könnten wir uns leisten! Hua: Wenn wir uns auf ein Lokal einigen, dann werden afrikanische, asiatische und auch europäische Gerichte gekocht, wo ist das Problem? Franz: So ein Lokal braucht keiner, denn davon haben wir ja genug! Ums Eck ist ein Chinese, warum sollte man zu eurem Misch-Masch-Restaurant gehen, wo man in ein rein chinesisches Restaurant gehen kann? Hua: Du sagst immer Chinesisch-Mischmasch, was meinst du damit überhaupt? Brigitte: Du schuldest uns allen eine Antwort? Franz: Ich schulde euch überhaupt nichts, und, wisst ihr was, bei euch kann man nicht einmal seine Meinung sagen. Rooble: Ich glaube, es geht um deine Ausdrucksweise und nichts weiter! Hua: Die Meinung sagen, heißt auch, die Meinung erklären zu können. Brigitte: Pass mal auf, mein lieber Mann! Wir wollen hören, was du damit gemeint hast! Franz: Ich stelle mir das so vor, dass ihr drei ein chinesisches Restaurant eröffnet und keiner kommt herein außer uns drei! Darum habe ich gedacht, ich sollte euch warnen! Brigitte: Wir haben doch über ein Vereinslokal und kein Restaurant gesprochen… Rooble: Ein chinesisches oder ein anderes Restaurant, das kann ich mir schon vorstellen, denn ihr könnt gut kochen, aber ich frage mich, wie ihr auf einen Kindergarten gekommen seid? Franz: Ihr habt nicht einmal selbst Kinder. Wollt ihr denn lieber fremde Kinder erziehen? Brigitte: Stimmt, wir haben keine Kinder, aber wir könnten Kinder haben. Außerdem, um einen Kindergarten zu gründen, braucht man doch keine eigenen Kinder! Hua: Ich glaube, wir haben ihnen zu früh über unsere Pläne erzählt. Sahra: Kritik ist schon wichtig, aber sie sollte konstruktiv sein! Franz und Rooble stehen plötzlich auf und verabschieden sich. Brigitte: Warum haut ihr so schnell ab? Franz: Damit ihr euch in Ruhe unterhalten könnt. Rooble: Wir haben auch unsere Pläne! Fortsetzung folgt…
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