Â
Die Nachbarn
Teil XI
von Abdullahi A. Osman
Brigitte beobachtet, wie die Männer diskutieren.
Brigitte zu den Freundinnen: Wisst ihr, wenn wir von Männern Frieden erwarten, dann wird es lang dauern, bis alle Völker auf dieser Erde ungestört und unbeschwert im Frieden zusammenleben.
Sahra: Warum?
Brigitte: Während wir uns gemütlich in Ruhe unterhielten, habe ich unsere Männer beobachtet, und bin pessimistischer geworden als ich früher war. Denn sie wollen nur ihre Meinungen durchsetzen.
Hua: Ja, das ist typisch Männer, denn sie kennen es ja auch nicht anders.
Brigitte ärgerlich: Und wir Frauen unterstützen sie dabei auch noch, das finde ich absurd...
Sahra: Ich bin deiner Meinung. Denn jeder Verbrecher hatte eine Mutter und hat eine oder mehrere Geliebte. Wenn jede Mutter ihren Sohn richtig erzogen hätte, dann hätten wir eine friedlichere Welt, als wir sie jetzt haben.
Die Männer stoppen ihre Diskussionen und hören zu, wie die Frauen sich über sie unterhalten.
Willi: Bevor ihr über uns schimpft, dürft ihr bitte nicht vergessen, dass wir auf den versprochenen Nachtisch warten.
Brigitte will an den Männern keine Kritik sparen und sagt: Ihr sollt in die Küche gehen und den Nachtisch selbst holen!
Franz: Was ist mit dir los?. Du bist nicht bei dir zu Hause, wir sind hier auf Besuch, schon vergessen?
Bevor Brigitte ein Wort sagen kann, übernimmt Hua das Wort: Nein, sie darf auch hier ihre Meinung sagen, und ich bin ihrer Meinung. Deswegen sage ich auch, ihr sollt in die Küche gehen und den Nachtisch vorbereiten!
Hua bleibt demonstrativ sitzen.
Sahra: Ich freue mich sehr über die Solidarität der Frauen. Ich rate euch, dass ihr den Nachtisch vorbereitet!
Willi: Okay, wir machen das schon, aber bitte keine weiteren Probleme!
Rooble: Jetzt haben wir eine harte Diskussion geführt und beendet. Da sollen wir nicht gleich einen neuen Konflikt anfangen!
Willi steht auf und geht in die Küche!
Rooble: Brauchst du Hilfe?
Willi: Ja, bitte!
Rooble folgt Willi in die Küche.
Franz: Warum seid ihr plötzlich so rebellisch? Wir haben ja nichts getan!
Brigitte: Es geht nicht darum, was ihr getan oder gesagt habt, sondern es geht darum, dass ihr Männer immer alles mit Gewalt lösen wollt. Ich habe gedacht, nur die Politiker sind so stur. Aber ihr seid auch nicht anders. Jeder von euch will den anderen in der Diskussion besiegen und zwar um jeden Preis. Warum können die Männer nicht versuchen, etwas ohne Gewalt zu erreichen?
Sahra: Ich stimme dir zu und möchte noch hinzufügen, dass alle Kriegswerkzeuge von Männern erfunden wurden. Das zeigt doch die Gewaltbereitschaft der Männer!
Willi kommt aus der Küche und sagt: Das ist „Naturgesetz“ und läuft schnell wieder in die Küche zurück.
Franz: Man muss aber dazu sagen, dass die Frauen starke und mächtige Männer mögen. Denn wir wissen, dass alle mächtigen und reichen Männer bei den Frauen sehr beliebt sind und waren.
Rooble: Die Frauen wollen von ihren Männern beschützt werden, darum möchten sie bei starken Männern sein, nicht wahr?
Sahra: Wenn ihr mit der Gewalt aufhört, dann gibt es keinen Grund mehr, weder uns noch euch selbst beschützen zu müssen!
Rooble und Willi bringen Kaffee, Tee, Kuchen und andere leckere Sachen.
Hua: Wir reden über Dinge, gegen die wir nichts tun können! Was können wir gegen so genannte Kulturkriege tun?
Rooble: Diese Kriege würde ich nicht Kulturkriege nennen, sondern Gierkriege, Egoismuskriege. Die Menschen haben auch trotz unterschiedlicher Kulturen immer zusammengelebt. Es hat immer Kriege und Gewalt gegeben, die hatten aber weniger mit Kultur als mit Macht und Gier zu tun. Heute ist es auch nicht anders. Aber so eine globale Spaltung ist meiner Meinung nach neu. Es gibt Kriege in bestimmten Gebieten, aber die Probleme dehnen sich auch auf andere Regionen und Kontinente aus.
Franz: Eins ist richtig, die Demokratie wird immer schwächer und schwächer, aber was tun?
Willi: Wir können nur den Völkern, die unter diesen Kriegen leiden, zeigen, dass auch wir nicht einverstanden sind mit den gewinngierigen Politikern und ihrer "Gewalt-Demokratie".
Brigitte: Wir wissen, dass Demokratie die Macht des Volkes bedeutet. Wo aber haben wir gesehen, dass die Stimme der Bevölkerung mehr Gewicht hat, als die Gier der Politiker? Freunde, wir haben noch keine richtige Demokratie erlebt und die Völker der "Dritten Welt" haben noch weniger als wir davon mitbekommen. Was wir hier erleben ist eine missbrauchte Demokratie. Eine Demokratie, die von bestimmten Männern gelenkt wird wie ein PKW. Eine Demokratie für alle Menschen gibt es nirgendwo!
Hua: Genau. Was haben denn die Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner von dieser Demokratie?
Willi: Wir haben auch nicht so viel davon, aber wir haben mehr Spielraum als die Menschen in anderen Kontinenten.
Sahra: Aber hier wird doch gewählt, was wollt ihr denn mehr! Meinst du, das ist zu wenig?
Willi: Wir können wählen, es bleibt aber die Frage, haben wir überhaupt eine Wahl? Was kann passieren, wenn wir nicht wählen? Die Politiker lügen und gehen über Leichen. Sie brauchen zwar unsere Stimmen, aber denkst du, dass sie uns um Erlaubnis fragen, wenn sie Mordwerkzeuge kaufen oder Kriege in der "Dritten Welt" führen?
Brigitte: In meinen Augen sind die regierenden Klassen nur Kriegstifter, die selbst in friedlichen Ländern sitzen.
Rooble: Sie wollen keinen Krieg bei sich haben, aber sie wollen ihre Waffen verkaufen.
Franz: Sie transportieren nicht nur Waffen, sondern schicken auch Menschen auf die Schlachtbank. Diese jungen Männer (Soldaten) töten unschuldige Menschen oder werden selbst getötet. Da kann man nicht sagen, dass wir Europäer nicht betroffen sind. Dass man immer sagt, die die dritte Welt sei das Opfer, verstehe ich auch nicht. Auch wenn wir keine richtige Demokratie haben, sind doch viele zu uns geflüchtet und leben hier bei uns. Ich gehe davon aus, dass ihr eine gewisse Demokratie bei uns erlebt. Da kann man doch nicht sagen, es gäbe keine Freiheit!
Sahra: Nun, es ist wahr, dass wir hier eine gewisse Demokratie haben, aber wir würden auch gerne diese Freiheit in unseren Ländern haben. Dass wir aus dem Süden alle Opfer sind und ihr aus dem Westen alle Täter seid, ist meiner Meinung nach falsch. Aber es ist eine Tatsache, dass viele der Probleme und Konflikte, unter denen wir im Süden leiden, aus dem Westen importiert sind. Wegen dieser Kriege fliehen wir in den Westen. Wir sitzen alle in einem Boot, und wir sollten gemeinsam diese „Scheindemokratie“ und ihre Gewalt stoppen.
Hua: Es muss eine Bewegung stattfinden oder ein Widerstand, an dem viele Menschen in allen Kontinenten teilnehmen. Ich stelle mir das so vor: wir als eine Gruppe mit einem großem Plakat: "Wir wollen Demokratie ohne Gewalt!" In allen Sprachen der Welt!!
Alle lachen und begeistern sich für ihren Vorschlag.
Sahra: Applaus für Hua!!
Brigitte: Genau, es muss eine breite gewaltfreie Bewegung für den Frieden entstehen, wie in den 60er Jahren. Für mich ist es wichtig, dass wir darüber reden, denn wenn wir darüber nicht reden, wenn wir nicht demonstrieren, dann sieht es so aus, als ob wir einverstanden wären, es sieht so aus, als ob es uns egal wäre, was im Irak, in Afghanistan, in Kongo und Somalia passiert.
Rooble: Die Idee mit dem Plakat von Hua gefällt mir sehr gut. Ich werde vielleicht sogar so ein Plakat entwerfen und in meinem Schlafzimmer aufhängen
Sahra: In unserem Schlafzimmer!
Rooble schaut Sahra ins Gesicht und sagt: Ja genau, in unserem Schlafzimmer!
Sahra: Warum eigentlich im Schlafzimmer? Hängen wir es doch lieber aus den Balkon!
Rooble: Das ist eine noch bessere Idee!
Hua: Die Sahra und ich haben eine andere Sorge.
Will: Welche?
Hua: Die Stelle!
Sahra: Ja, genau, ich bin überhaupt davon abgelenkt worden. Aber wir müssen abwarten, mehr können wir ja doch nicht tun!
Willi: Wir reden über Demokratie für die Welt und ihr redet über eine Arbeitsstelle!
Hua: Ich bin für die Demokratie, aber momentan geht mir die Bewerbung nicht aus dem Kopf!
Alle lachen.
Sahra: Mir auch nicht!
Hua: Es tut mir leid, aber wenn ich nicht arbeiten kann, wenn ich für mich nichts tun kann, wie kann ich für andere etwas tun?
Sahara: Stimmt, man soll erstmal für sich selbst was tun, aber ohne andere zu vergessen.
Rooble: Jeder für sich und jeder für alle, das besagt ein nomadisches Sprichwort!
Brigitte: Das ist ein sozialistisches Grundprinzip!
Sahra: Die Nomaden sind richtige Sozialisten, wenn du ihre Solidarität und ihren Zusammenhalt siehst.
Franz: Wie lange sollt ihr auf das Ergebnis der Bewerbung warten?
Hua: Es wurde uns gesagt, dass wir ab Dienstag eine Antwort bekommen.
Sahra: Wir sollen uns auch nicht ständig darauf konzentrieren, sonst kriegen wir noch graue Haare!
Brigitte: Bestimmt bekommt ihr die Stelle, und ich werde mir auch eine Ganztagsstelle suchen, damit ich für uns und für die anderen etwas tun kann!
Franz: Wozu brauchst du eine Ganztagsarbeit?
Brigitte: Willst du, dass ich zu Hause sitze und für dich koche und putze? Das ist für mich zu wenig. Ich denke, ihr Männer sollt euch auch an der Haushaltsarbeit beteiligen. Hua, Sahra, ich glaube, wir müssen unsere Männer umerziehen.
Sahra: Wie ist das möglich?
Franz: Das geht nicht, ihr Frauen habt keine Chance, uns umzuerziehen.
Rooble: Ihr könnt nur die Kinder erziehen, aber sogar dafür braucht ihr die Hilfe der Männer.
Sahra: Wir brauchen euch nicht, heutzutage können die Frauen Kinder bekommen und sie alleine aufziehen, ohne Hilfe der Männer. Aber wenn wir Frauen zusammenhalten und uns solidarisieren, können wir die Männer in eine vernünftige Richtung lenken.
Hua: Die Frauen der Welt müssen sich einigen und gegenseitig solidarisch sein! Dann sollen sie ihre Söhne anders erziehen, als sie es bis jetzt getan haben! Wir Frauen sollen keine gewalttätigen und machtgierigen Männer mehr heiraten. Falls eine von uns schon mit einem solchen verheiratet ist, dann soll sie sich scheiden lassen. Wir Frauen sollen nie wieder für einen Kriegsverbrecher kochen, putzen und waschen und mit ihm in einem Bett schlafen!
Brigitte und Sahra umarmen ihre Freundin - die Diskussion ist emotionaler geworden!
Willi zu seiner Frau: Ich weiß, dir liegen Frieden und Gleichberechtigung am Herzen, deinen Freundinnen und uns allen auch. Ich verspreche dir, dass ich dich unterstütze, wenn du etwas für die Menschlichkeit tust.
Franz: Hua, was du gesagt hast, hat mich auch berührt, und wie Willi gesagt hat, werde ich euch auch unterstützen. Ich möchte euch aber auch kritisieren, denn ich bin nicht sicher, ob ihr Frauen so harmlos seid, wie ihr euch darstellt!
Brigitte: Wir Frauen machen auch Fehler, aber die Frauen sind nicht solche Verbrecher wie die Männer!
Sahra: Aber alle Männer sind doch auch keine Verbrecher!
Rooble: Ich denke, es ist Zeit, nach Hause zugehen. Es war eine schöne Zeit mit euch. Wir haben auch wichtige Gespräche geführt.
Sahra: Bevor wir gehen, sollten wir Hua beim Aufräumen helfen
Brigitte, Sahra und Hua gehen in die Küche. In der Küche schmieden die Frauen neue Pläne…
Fortsetzung folgt...
|