Der Spiegel hinter Gittern
Brief von Jamila, einer Frau aus Afghanistan
„Heute ist der 8. März, der internationale Frauentag, und ich schreibe dir diesen Brief aus einem kriegsgeprüften patriarchalischen Land. Ich gratuliere zu diesem Tag und hoffen, dass Ihr die Stimme der vergessenen Frauen Afghanistans hört, und dass ihr wisst, was mit den Frauen in Afghanistan geschieht.“
Oh, meine Schwester, ich habe deinen schmerzvollen Brief in einem Land empfangen, in dem ich heimatlos bin. Meinem Schmerz wurde noch größerer Schmerz hinzugefügt. Plötzlich flossen Tränen aus meinen Augen, über mein Gesicht.
Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll – mit dem Patriarchat, in dem dich die Männer zu Hause einsperren und dich wie eine Sklavin behandeln, oder damit, dass du gezwungen wirst, den Schleier zu tragen? Dieser Schleier bedeckt dein Gesicht, damit du nicht mit der Außenwelt kommunizieren kannst.
Oder wie sie dich zwingen zu heiraten, Männer, die oftmals viel älter sind als du? Ohne deine Rechte und deine Menschlichkeit zu akzeptieren, kaufen und verkaufen sie dich.
Du hast geschrieben: „Die Kälte des Winters ist unerträglich, aber nicht nur das, die Liebe, die internationale Sprache der Menschlichkeit, ist zu einem fernen Traum verkommen und lebt nur mehr in unserer Erinnerung weiter. Liebe ist nicht mehr real. Der Schmerz ist allgegenwärtig. Die geschlossenen Türen der Schule, das Fehlen der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, das verweigerte Recht auf Arbeit, und das zu Hause Sitzen wie eine Gefangene im Gefängnis hinter Gittern. Das sind nur einige der vielen Probleme, die ich hier jetzt nicht alle aufzählen kann.“
Das feudalistische System und das imperialistische System in Afghanistan ermöglicht den Männern eine bessere Ausgangssituation für die Männer, Geld zu verdienen, um damit dann wieder die Frauen zu missbrauchen und auszunutzen. Und Tag für Tag werden sie noch mehr ausgenutzt.
Nach dem Sturz des Taliban Regimes und der Invasion der amerikanischen Truppen, hat sich die Situation nicht verbessert, sondern ist nur schlimmer geworden. Die Russen zerstörten unser Land und trieben unzählige Menschen in die Flucht, bemächtigten sich des Landes und töteten unzählige Menschen. Das selbe machten die Taliban auch mit dem Land. Die aktuelle neue Regierung Afghanistans, Präsident Karsai und die amerikanischen Besetzer, verschlechterten die Situation der Frauen noch mehr.
Die Taliban mit ihrer unbarmherzigen Brutalität und ihrer allgegenwärtigen Unterdrückung der Frauen hatten eine neue dunkle Seite in der patriarchalischen Geschichte Afghanistans geöffnet. Jedoch gibt es leider kaum Unterschiede zwischen der grausamen Taliban Regierung und der neuen Regierung. Die bringen euch um, so wie es einst die Taliban gemacht hatten. In den Medien wurde gezeigt, wie die Taliban die Menschen auf der Straße misshandelten, die Frauen schlugen und auch töteten. Die Frauen wurden wegen Nichtigkeiten mit Kalaschnikows im Fußballstadion hingerichtet. Jetzt gibt es keine Medien, die berichten, was auf den Straßen vor sich geht. Niemand berichtet über die Hungersnöte, die Krankheiten und die Armut, die die Menschen bedrohen.
Sind die amerikanische Regierung und ihre Helfer in Afghanistan in der Lage deine Wünsche zu erfüllen?
Die bewaffneten Männer der Ex-Taliban arbeiten noch immer für die neue Regierung. Ein sehr deutliches Beispiel dafür ist der Exbodyguard des Talibanministers Amribamarov Wah Nahje As Munkar, der jetzt Bodyguard für den Innenminister General Fahim ist. Die ISAF, das ist eine internationale „Friedens“-Mission, die Afghanistan ausspioniert, verwendet Millionen Dollar dazu, um Drogen in Afghanistan anzupflanzen. Wenn sie eine attraktive Frau auf der Straße sehen, folgen sie ihr, entführen sie, um dann später zu vergewaltigen und sie zu töten.
Und wo sind die Journalisten, die die Vorgänge in Afghanistan wirklich aufzeigen?
Ich ersehne den Tag, an dem die Flagge der Taliban, auch die von Präsident Karsai und seinen Besetzern, Afghanistan verlassen werden. Dann kann ich dir über eine bessere Situation der Frauen in Afghanistan berichten.“
Abschließend möchte ich Euch nochmals allen, besonders den Frauen, zu diesem einmaligen Tag gratulieren!
Naser, Khadem, 8. März 2003
erschienen in: Talktogether Nr. 2/2003
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