Kinder, Küche, Kirche – oder Lohnsklaverei? PDF Drucken E-Mail

Kinder, Küche, Kirche – oder Lohnsklaverei?


Voller Zugang zu allen Bereichen der gesellschaftlichen Arbeit, so lautet seit jeher die Forderung sozialistischer Feministinnen. Der Zugang der Frauen zur Lohnarbeit nämlich wurde als eine Voraussetzung zur Erlangung ihrer Gleichberechtigung angesehen. Heute gibt kaum eine Frau, die in ihrem Leben nicht die Erfahrung von Erwerbstätigkeit gemacht hat. Auch im Bereich der Bildung haben Frauen nachgeholt, Statistiken belegen, dass mehr Frauen als Männer ein Studium abgeschlossen haben. Die Arbeit außer Haus eröffnet den Frauen neue Möglichkeiten, einen besseren Zugang zu Ressourcen, eine bessere soziale Absicherung und Unabhängigkeit. Doch sind sie deshalb freier geworden? „Wenn sie auch nicht so viel verdienen, so kriegen sie doch Kontakte, Informationen und ein bisschen Anerkennung, wenigstens mehr als zu Hause“, schrieb Ingrid Strobl 1975, „Frauen sind ja so bescheiden! Nur deshalb können es sich die Unternehmer leisten, Frauen weniger zu zahlen als Männern, nur deshalb konnte der Teilzeitmarkt zu so einem Erfolg werden, nur deshalb gibt es kaum Frauenstreiks.“

Küche und Kinderzimmer?

Entspricht die Positionierung der Frauen in Küchen und Kinderzimmern nicht mehr der gesellschaftlichen Realität, weil der Anteil der berufstätigen Frauen gestiegen ist[1]? Es ist eine Tatsache, dass die sog. reproduktiven Tätigkeiten, also die Hausarbeit und die Kindererziehung, immer noch hauptsächlich in der Verantwortung der Frauen geblieben sind. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, stellt für viele Frauen aber eine Zerreißprobe dar. Nicht überall gibt es einen braven Papa, der die Zeit und Bereitschaft aufbringt, diese Aufgaben mit der Frau zu teilen. Immer mehr alleinerziehende Mütter sind von der Armutsfalle bedroht. Aber dass auch viele Frauen diese Verantwortung gar nicht abgeben wollen, weil sie die damit verbundene Machtposition in der Familie nicht aufgeben wollen, soll nicht verschwiegen werden.

Man sollte sich auch ansehen, in welchen Berufen Frauen arbeiten. Immer noch entscheidet sich ein großer Teil der Frauen für einen Beruf als Pflegerin, Lehrerin oder Sozialarbeiterin. Ist das wegen ihrer typisch weiblichen Tugenden, heute genannt soziale Kompetenz und Organisationstalent? Mit Waschmaschinen, Geschirrspülern und sonstigen Elektrogeräten ist es ja auch gar nicht mehr notwendig, den ganzen Tag mit der Arbeit im eigenen Haushalt zu verbringen, stattdessen wird die gleiche Arbeit außer Haus erbracht. Dafür müssen allerdings die Kosten für all diese Geräte aufgebracht werden, und dazu vielleicht auch noch für das Auto, um die Einkäufe zu erledigen und die Kinder in den Kindergarten zu bringen. Also doch wieder Küche und Kinderzimmer?

„Eine unserer wichtigsten, revolutionärsten Aufgaben ist die Aufhebung der Rollen. Wenn erst das Rollenbild der Frau zerbröckelt, zerstört wird, wird die Unterdrückung klar, eindeutig, sie steht nackt da, ohne Feigenblatt, selbst zerstörbar. Um die Unterdrückung aufzuheben, müssen wir die Rollen zerstören. Lohn für Hausarbeit würde die Rollen verfestigen. Anstatt Lohn für Hausarbeit zu fordern, sollten wir lieber dafür kämpfen, dass die Frauen sich ihrer Rollen bewusst werden und sie ablegen, und die Männer zwingen, dasselbe zu tun.“ (Ingrid Strobl 1975: Wider den Hausfrauenlohn)

Befreiung oder Lohnsklaverei?

Bedeutet Integration der Frauen in die Erwerbsarbeit eine Befreiung oder nur eine zunehmende Eingliederung der Frauen in die kapitalistische Lohnsklaverei? Meist sind nicht Verwirklichung und Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten Motive für eine Berufstätigkeit, sondern die Notwendigkeit, die Familie über die Runden zu bringen.

„Stellen Sie sich die Menschen – überwiegend Frauen – vor, die täglich um halb vier aufstehen müssen, um als Pendlerinnen ihren Arbeitsplatz oder ihre diversen Arbeitsplätzchen – nämlich Teilzeit- oder Macjobs wie das neuerdings heißt – zu erreichen. Immer häufiger mit einem Auto, dass sie sich eigentlich nicht leisten können, das sie aber gezwungenermaßen brauchen, weil der öffentliche Verkehr aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen auf ihre Bedürfnisse immer weniger Rücksicht nimmt“, forderte Johanna Dohnal auf.[2] Selbst der berufliche Aufstieg kann unter den herrschenden Verhältnissen eine Zunahme der Ausbeutung bedeuten. Die Aufhebung zwischen planender Tätigkeiten und dem bloßen Ausführen von Befehlen – eine sozialistische Forderung – kann eine Zunahme von Stress und Belastung bedeuten, wie am Beispiel einer Fabrikarbeiterin veranschaulicht[3], die statt am Fließband zu arbeiten eine verantwortungsvolle Kontrollfunktion übernimmt und so flexibel für verschiedenste Arbeitsbereiche einsetzbar ist. So richtet sich jede feministische Forderung letztlich wiederum gegen die Frauen.

Doch welche Schlüsse ziehen wir daraus? Sind Teilzeitarbeit und Kindergeld eine Alternative, weil sie die Möglichkeit eröffnen, einen geringeren Teil des eigenen Lebens der kapitalistischen Lohnarbeit zu opfern[4]? Doch haben wir Frauen wirklich die Wahl? Frauen haben häufig ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Kinder in Kinderbetreuungseinrichtungen „abgeben“, von der Schule wird Elternmitarbeit gefordert, wenn das Kind versagt, wird die Verantwortung auf das mangelnde Engagement der Eltern – und meist sind dabei die Mütter gemeint – geschoben. Dabei wird aber von einem Familienbild ausgegangen, das schon lange nicht mehr existiert. Dass die Kleinfamilie darüber hinaus nicht immer eine heile Welt, sondern auch ein Ort von Gewalt sein kann, ist auch eine nicht zu verleugnende Tatsache.

Von der Deutschen Wirtschaft wird der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen propagiert, damit die Ausbildung und „Abrichtung“ als zukünftige Arbeitskräfte optimal erfolgt, eine Aufgabe, die man den Familien offenbar nicht zutraut. Zu den erklärten Zielen der EU gehört es nämlich, Hindernisse zu beseitigen, die dazu führen, dass die Wirtschaft ihr Potenzial nicht ausschöpfen kann und wertvolle Begabungen der Frauen ungenutzt bleiben.[5] Es hat also nichts mit Chancengleichheit zu tun, sondern es geht um die bestmögliche Erschließung der "Humanressource Frau" für den Markt. Der Kapitalismus hat sich längst feministische Forderungen einverleibt und benützt sie für seine Zwecke.

Frauenpolitik in Österreich

In Österreich konnten in den 1970er- und 1980er-Jahren durch das konsequente und unbeirrbare Engagement der sozialistischen Frauenpolitikerin Johanna Dohnal viele althergebrachte Abhängigkeiten abgebaut werden, die nach ihren Worten eine „Entkolonialisierung der Frau“ bewirkten. Die Sicherung der eigenständigen Existenz war für sie das Allerwichtigste, denn davon leite sich alles andere ab. Dohnal war es immer wichtig, die Lebensbedingungen für alle Frauen zu verbessern: „Meine Politik war immer darauf ausgerichtet, wie die Lebenssituation für alle Frauen ist. Es genügt mir nicht, wenn ich weiß, es gibt eine Gruppe von zufriedenen Frauen, wie groß ihre Anzahl auch ist.“ [6]

Unter dem Motto „Wahlfreiheit“ wurde von Schwarz/Blau in Österreich das Kindergeld eingeführt. Was als „Wahlfreiheit“ bezeichnet wird, ist eine bewusste Steuerung der Entwicklung. Gerade Frauen mit niedrigem Einkommen und geringeren Qualifikationen werden so verführt, aus dem Beruf auszusteigen. Die Folgen dieser Wahlfreiheit können langfristige Auswirkungen auch im Hinblick auf die Pension haben. Interessant ist es, dass in Österreich der Gender-Gap, der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, mit über 30 Prozent im europäischen Vergleich extrem hoch ist. Gleichzeitig zählen die Transferleistungen für die Familien zu den höchsten in Europa. Ist die Vermutung hier nicht naheliegend, dass mit einer solchen Politik Niedriglöhne geradezu subventioniert werden?

Schließlich sollten wir unsere Überlegungen nicht auf die Alternativen beschränken, unsere Kinder in eine Betreuungseinrichtung abzugeben oder sie zu Hause zu erziehen. Die Sicht der Kinder als eigenverantwortliche Wesen, die Autonomie brauchen, um sich zu entwickeln, wird hier außer acht gelassen. In Afrika gibt es ein Sprichwort: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Wie eng und begrenzt



[1] Diese Frage wird im Artikel „Feministische Fragen neu denken“ von Vogt/Streckeisen zur Diskussion gestellt (Emanzipation Nr. 2, 2011, www.emanzipation.org)

[2] Johanna Dohnal 2008: Innenansichten österreichischer Frauenpolitiken (S. 39)

[3] Vogt/Streckeisen 2011

[4] Vogt/Streckeisen 2011

[5] http://eur-lex.europa.eu

[6] Dohnal 2008 S. 73

erschienen in Talktogether Nr. 39/2012