Bleiberecht. Ãœber Menschenrechte in Salzburg PDF Drucken E-Mail

Bleiberecht. Ãœber Menschenrechte in Salzburg

Es geht um Menschen, die hier in Salzburg ein Zuhause gefunden haben. Die hier ihren Lebenspartner gefunden haben, sich einen Freundeskreis aufgebaut und manchmal sogar eine Existenz geschaffen haben. Aus ihrer Heimat sind sie geflohen, weil sie Angst um ihr Leben hatten und die Hoffnung auf eine Zukunft in Freiheit und mit Perspektiven. Doch ihre Fluchtgründe wurden von den Behörden nicht als Asylgründe anerkannt, weil sie ihren Aussagen nicht glaubten, diese nicht als bedrohlich genug empfanden, oder weil die Asylsuchenden sie nicht drastisch genug geschildert haben. Trotzdem leben diese Menschen seit vielen Jahren hier, haben die Sprache gelernt – sind integriert, wie man so sagt. Ihre Kinder wachsen hier auf, gehen hier in die Schule und beherrschen die deutsche Sprache längst besser als ihre Muttersprache.

In vielen österreichischen Gemeinden haben sich Menschen zusammengetan, oft mit dem Bürgermeister an der Spitze, um Widerstand gegen die unmenschliche Abschiebepolitik zu leisten. Auch in Salzburg haben sich Flüchtlinge und ihre Freunde am 29. März am Salzburg Mirabellplatz zusammengefunden, um für eine menschenrechtskonforme Bleiberechtsregelung einzutreten. Denn wie die Lage jetzt ist, werden diese Menschen im Kreis herumgeschickt und mit unerfüllbaren Bedingungen konfrontiert (als integriert zählt nur, wer eine fixe Arbeitsstelle hat, was für AsylwerberInnen aber verboten ist) und sind letztlich auf einen Gnadenakt angewiesen, um einer Abschiebung in ein Land zu entgehen, in dem sie verfolgt wurden und dem sie sich entfremdet haben.

Wenn es um das Bleiberecht geht, reden sich die verantwortlichen Landes- und StadtpolitikerInnen gerne heraus und sagen: Wir folgen nur den Gesetzen. Aber was ist, wenn diese Gesetze unmenschlich sind? Sind sie wirklich so machtlos, wie sie sagen? Salzburg präsentiert sich doch so gern als Menschenrechtsstadt. Es gibt dazu schön gestaltete Broschüren und seit Neuestem zieren zahlreiche Plakate(*) die Festspielstadt.

Im Vorfeld gab es in Facebook heftige Diskussionen über die Art der Forderungen und darüber, ob es überhaupt Sinn macht, von der Politik etwas zu verlangen. Aber können diese Menschen auf eine Welt ohne Grenzen warten, so wunderbar diese Vorstellung auch ist?

Unter den TeilnehmerInnen an der Aktion war eine junge Frau aus Kurdistan, die seit vielen Jahren hier lebt, an der Universität studiert und sich die Studiengebühr vom Mund abgespart hat. Sie hat hier ihren Mann kennengelernt hat, der ebenfalls ein abgewiesener Asylwerber ist. Sie heirateten und bekamen einen Sohn. Ihr Mann arbeitet auf selbständiger Basis als Paketzusteller, weil das eben die einzige Möglichkeit für Asylwerber ist, legal zu arbeiten. Er muss eine hohe Miete für sein Fahrzeug bezahlen und arbeitet jeden Tag 12 bis 14 Stunden, damit er und seine Familie über die Runden kommen. Obwohl er immer seine Steuern bezahlt hat, bekommt er für seinen Sohn keine Familienbeihilfe. Außerdem ist er vom Entzug seiner Gewerbeberechtigung und so in seiner Existenzgrundlage bedroht und die Familie wird aufgrund ihres „Aufenthaltsstatus“ mit Verwaltungstrafen überhäuft. Für wen sind diese Menschen eine Belastung oder Bedrohung?

Bei der Aktion war auch der Schwiegervater einer jungen Frau dabei, die kurz vor der Geburt ihres Kindes steht. Obwohl ihr Mann Österreicher ist und für sie und ihr Kind sorgen kann, erhielt sie einen Bescheid, dass sie nach der Geburt ihres Kindes abgeschoben und von ihrem Mann getrennt würde. Obwohl sonst so gerne die Familie als Idealbild und wichtigste Stütze der Gesellschaft präsentiert wird! Ihrem Mann sei es zuzumuten, zu ihr in die Türkei ziehen, heißt es. Gibt es auch für Österreicher kein Bleiberecht?

Die Presse kam zahlreich, was ungewöhnlich ist bei solchen Aktionen und damit eigentlich schon verdächtig gewesen wäre. Gleichzeitig hatten wir die Hoffnung, dass unser Anliegen so in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erhalten würde. Umso größer waren die Enttäuschung und Wut über den Bericht in „Salzburg heute“, der am Tag danach ausgestrahlt wurde. Die Flüchtlinge wurden als U-Boote bezeichnet und die UnterstützerInnen der Bleiberechtsaktion als „naive Menschenrechtler“ dargestellt, die sich für Kriminelle einsetzen. Weil sie auch einem Familienvater helfen – sie haben gut recherchiert –, der anscheinend einmal etwas in einem Supermarkt geklaut hat und mit einem Drogensubstitutionsmittel erwischt wurde. Aber selbst wenn jemand einmal Drogenprobleme gehabt haben sollte, gelten die Menschenrechte nicht für Menschen mit Problemen? Am ärgerlichsten war, dass der Moderator gleich bei der Ankündigung des Beitrags vorgab, wie die ZuschauerInnen die Sache zu interpretieren hätten. Damit sie nur ja nicht auf die Idee kommen, sich ein eigenes Urteil zu bilden!

Haben die KritikerInnen recht gehabt? Haben wir von dieser Gesellschaft wirklich nicht viel zu erwarten? Doch Aufgeben ist keine Option. Diese Menschen müssen hier in Sicherheit und Würde leben können und brauchen eine Chance. Deshalb haben wir keine andere Wahl als zu weiterhin alles versuchen, um eine Lösung für diese Menschen zu erreichen.

* Aktion Runder Tisch-Menschenrechte

Kontakt: www.bleiberecht.webnode.at

veröffentlicht in Talktogether Nr. 40/2012

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