Wir und die Anderen: Interview 1 PDF Drucken E-Mail

Vier Interviews mit Frauen, die in Reinigungsfirmen arbeiten, zum Thema Diskriminierung am Arbeitsmarkt und Möglichkeiten, die Situation von Migrantinnen zu verbessern. Interviewführung und Niederschrift: Sandra Wernegger


 

 

Interview  1:

Sandra: H., da es ja im Interview auch um deine Arbeit geht möchte ich einmal fragen, wo du arbeitest?

H.: Im Krankenhaus, als Reinigungskraft.

Sandra: Dann frag ich dich am besten auch kurz über dich. Woher kommst du denn?

H.: Aus Somalia

Sandra: Wie lange bist du schon hier in Österreich?

H.: Ja, seit acht Jahren.

Sandra: War es für dich schwer eine Arbeit zu finden am Anfang?

H.: Ja am Anfang war es ganz schwer.

Sandra: Und warum? Was war das Problem?

H.: Ich weiß es nicht, aber ich glaube, das Krankenhaus. Da ist viel Platz. Es gab Probleme mit der Vorarbeiterin oder mit dem Chef. Es gibt zum Beispiel türkische Leute und ich weiß nicht aus Serbien oder Jugo. Wenn sie sehen, man hat eine andere Farbe, dann sagen sie, leider keine Arbeit. Das ist das Problem.

Sandra: Also direkt, wenn du kommst und fragst wegen der Arbeit. Bei einem Bewerbungsgespräch oder so?

H.: Bewerbung. Da wird man vom Arbeitsamt geschickt, um eine Arbeit zu suchen. Aber wenn man hingeht, ist das ein Problem, weil alle sagen: “Keine Arbeit, keine Arbeit, keine Arbeit.“ Man braucht aber Geld. Weil fragen nichts kostet [oder: weil man fürs fragen nichts bekommt?] Aber man bekommt keine gute Antwort, wenn sie sagen, leider keine Arbeit. Wenn sie die Bewerbung und die Telefonnummer und alles [nehmen würden]. Und sagen dann:“Schau‘ma“. Das wäre schon besser. Aber wenn sie nur sagen einfach: Keine Arbeit. Das ist dann glaube ich ganz schwer, ganz schlecht. Es gibt verschiedene Firmen, nicht alle. Wenn man zum Beispiel zu einer anderen Firma geht. Es gibt ja viele Firmen in Salzburg. Wenn man nach einer Arbeit fragt, gibt es manchmal Respekt und manchmal keinen Respekt. Aber das wichtige ist Respekt. Ob man eine Arbeit findet oder nicht, ist kein Problem. Man ist glücklich, weil das Gespräch gut war. Sie hatten zwar keine Arbeit, aber haben gesagt: Bitte schreiben sie ihre Telefonnummer und ihren Namen und ihre Adresse auf und dann schauen wir mal später, was sich ergibt.

Sandra: Also, wenn sie gleich nein sagen, ist es schlimmer. Hast du dich bei vielen Firmen beworben bis du eine Arbeit gefunden hast?

H.: Ja, das hat lange gedauert. Beim Putzen oder bei einer Reinigungsfirma braucht man nicht fix arbeiten. Man kann auch kurz arbeiten. Wenn man gut arbeitet, gut putzt. Dann brauchen sie dich halt für ein Monat oder zwei Wochen. Ich weiß nicht. Das ist nicht bei jeder Firma das gleiche.

Sandra: Und dann ist es wieder vorbei?

H.: Ja. Besser ist erst einmal – ein Schlüssel – eine gute Sprache. Dann sagen sie eher: bitteschön, schau'ma. Wenn sie eine Arbeit gefunden haben, dann rufen sie einen sofort an, die Firma. Das ist gut. Aber es ist sehr schwer als Ausländer. Aber Ausländer sind nicht alle gleich. Es gibt türkische Leute, die sofort eine Arbeit finden. Auch wegen der Sprache, wenn auch der Vorarbeiter oder Chef sie spricht.

Sandra: Also türkische Leute haben es leichter?

H.: Leichter, ja. Und die Jugo auch leichter. Aber andere, Afrikanische oder Indische, da gibt es keine Vorarbeiter, keine Chefs. Das ist das Problem.

Sandra: Und die Sprache ist auch das Problem?

H.: Ja, die Sprache.

Sandra: Hast du in Somalia eine Schule oder Ausbildung gemacht?

H.: Ja, ich war als Kleine in der Volksschule und Hauptschule und dann habe ich einen Kurs für den Beruf gemacht. Für die Bäckerei in Somalia.

Sandra: Aber hier kannst du nicht als Bäckerin arbeiten, oder?

H.: Nein, da braucht man erst nochmal eine Schule und richtiges Deutsch. Man muss eine Prüfung machen. Drei Jahre dauert das ungefähr.

Sandra: Dann müsstest du wieder von Vorne anfangen?

H.: Ja, für die Reinigung braucht man nicht in die Schule gehen.

Sandra: Möchtest du gerne eine andere Arbeit machen außer Reinigung? Und wenn ja, siehst du eine Möglichkeit dafür?

H.: Ja. Ich würde gerne eine Ausbildung für die Altenpflege machen. Da muss ich vorher aber noch besser Deutsch lernen. Ich glaube, dann geht es schon. Man muss deutsch schreiben und lesen können. Und sprechen.

Sandra: Und glaubst du, du wirst das einmal machen können?

H.: Ja, ich hoffe das.

Sandra: Das hoffe ich auch. Wie denkst du ist die Situation für Migranten in Österreich? Wird man gut aufgenommen hier in Österreich oder nicht. Was sagst du? Es gibt ja auch verschiedene politische Parteien, wie die FPÖ, kennst du die?

H.: Ja ja, die Grünen.

Sandra: Solche Parteien, die nicht wollen, dass Leute aus dem Ausland nach Österreich kommen. Wie siehst du das? Kriegst du das mit?

H.: Ja, das interessiert mich nicht. Aber, die Grünen.
Später: das ist mir eigentlich alles egal. Wer kommt wer geht weg, interessiert mich nicht, weil ich brauche nur eine Arbeit und meine Papiere. Fertig. Das Problem ist aber [gegen Ausländer oder] Rassisten mit Farbe. Das ist das Problem. Zum Beispiel Rassisten. Das sind alles alte Leute. In jedem Land gibt es jeden. Die gibt es. In meinem Land auch so viel. Alte Frauen zum Beispiel. Es sind immer Frauen. Frauen haben keine Geduld. Aber alte Männer sagen nichts. Die reden nicht schlecht, aber Frauen, wenn sie alt sind, vergessen. Vielleicht bist du, wenn du alt bist, gut oder schlecht. Jede Frau hat weniger Geduld. Das ist ein Problem von der Frau, nicht politisch. Aber Mann fällt mir jetzt keiner ein. Seit acht Jahren bin ich Österreich und ich habe nicht einen Mann gesehen, der schlecht redet. Frauen schon, aber alte.

Sandra: Also die Grünen sind deine Partei?

H.: Ja.

Sandra: Und wie ist es mit den Leuten auf der Straße. Spürst du, dass manche feindlich sind? Wie findest du nehmen die Leute dich auf? Sind alle Leute immer freundlich?

H.: Ja, immer freundlich. Aber in jedem Land gibt es verschiedene. Nicht nur in Österreich. Auch in meinem Land. Ich glaube aber, die Leute machen das nicht selber. Ich glaube es ist von Gott. Manche sind freundlich, manche nicht. Das ist verschieden. Aber ich habe zum Beispiel einen Bruder und eine Schwester. Die sind nicht gleich. Sie haben die gleiche Mama, den gleichen Vater, aber sie sind trotzdem anders. Aber ich glaube, wenn ich in ein anderes Land gehe, ist auch einer freundlich, einer nicht freundlich. Das glaube ich ist in jedem Land das Gleiche.

Sandra: Glaubst du kann man etwas machen für Migranten/Migrantinnen, dass man die Situation verbessert?

H.: Wenn die Leute hierherkommen. Wenn es zum Beispiel so viel Arbeit in Österreich gibt. So viele Leute sind in Pension gegangen, viele alte Leute. Da braucht man junge Leute von wo anders. Zum Beispiel für die Krankenpflege oder putzen, egal. Arbeit ist Arbeit. Auch Chefarbeit. Ich glaube das braucht man in Österreich.

Sandra: Es geht aber nicht so leicht, dass jemand sagt: ich komme nach Österreich und mache Krankenpflege?

H.: Nein, das ist nicht leicht. Da muss man zuerst einmal richtig Deutsch lernen, wie Muttersprache. Und dann Prüfung machen drei Jahre. Das dauert lange.

Sandra: Wie lange hast du als Bäckerin gearbeitet. In der Bäckerei?

H.: Schon lange. 92 habe ich angefangen bis 99. 7 Jahre

Sandra: Du kannst das ja dann sicher gut. Du kannst aber hier gar nichts damit anfangen.

H.: Ja, Brot und Kuchen; Kekse. Die Bäckerei gehört meinem Vater. Das ist meine eigene Arbeit. Mein Bruder ist auch ein großer Chef mit Bäckerei. [Die schulen auch Leute?]

Sandra: Als du gesagt hast, es war sehr schwer eine Arbeit zu finden. Was glaubst du kann man ändern, dass das nicht so schwer ist. Was könnte man besser machen. Weil du auch gesagt hast es ist für dich noch schwerer als für andere wie zum Beispiel türkische Frauen...

H.: Ja, ich weiß auch nicht warum. türkische Leute und Jugos haben es nicht schlecht. Aber die brauchen eigene Leute. Die brauchen nicht andere Leute, die aus einem anderen Land gekommen sind. Denen gibt man dann keine Arbeit. Da sagt man: Keine Arbeit. Und zum Beispiel, wenn eine andere türkische Frau kommt, die findet einen Fixplatz und eine gute Arbeit. Das ist schlecht.

Sandra: Was könnten die Leute da anders machen, dass es für dich besser wäre?

H.: Wenn ich gut Deutsch könnte, würde ich einen Beruf machen. Zum Beispiel Altenpflege oder so etwas.

Sandra: Ja, das kannst du machen, aber was können die anderen machen? Was können die machen, dass alle gleich behandelt werden?

H.: Wenn in die Firma Ausländer kommen. Diese Firma ist ein Haus. Und das ist so, man kommt durch die Türe, andere Leute finden schwer eine Arbeit. Aber wenn die eigenen Leute kommen, die sofort eine Arbeit finden und einen guten Platz bekommen. Aber für mich ist es ganz schwer, weil wenn die schauen Kopftuch oder etwas, denken die, die könnte nicht gut arbeiten. Schlecht arbeiten: nicht schauen; nicht kontrollieren.

Sandra: Hast du jetzt einen fixen Arbeitsplatz?

H.: Ich habe Samstag, Sonntag, aber schwer gefunden. Samstag, Sonntag habe ich einen guten Platz; Fixplatz. Den hab ich aber schwer gefunden. Die anderen Tage bin ich Springerin. Zum Beispiel beim Magistrat gibt es Arbeit. Aber zuerst nehmen sie österreichische Leute und als zweite Ausländer. Bei die Firmen ist das auch das gleiche. Zuerst kommt das eigene Land und die Ausländer kommen später. Es gibt aber auch Probleme mit den Arbeitern oder der Vorarbeiterin. Es gibt welche, die keinen Respekt haben, weil wenn ich arbeite als Springerin, da weiß ich nicht, ob ich heute oder morgen arbeiten muss. „Schau’ma, schau‘ma!“ Zum Beispiel muss ich auch öfter nicht durcharbeiten, sondern zweimal. Früher hab ich es schwer gehabt [vor?] vier Monaten. Zwei Monate habe ich einen guten Platz und eine gute Vorarbeiterin. Das ist gut. Aber vor vier Monaten habe ich einen ganz schlechten Platz gehabt. Ich habe in der Früh zu Arbeiten angefangen für drei, vier oder fünf Stunden und dann bin ich wieder nach Hause gekommen und dann „schau‘ma“. Und dann bin ich nach Hause gekommen und habe gewartet und gewartet und habe drei oder viermal gefragt, wann ich kommen soll in die Arbeit und wo ich Arbeiten soll. Und sie sagen „schau‘ma“ Und dann später sagen sie:“bleibst du zuhause heute und morgen schau‘ma“. Und dann wieder das gleiche Problem. Das ist auch Stress. Weil man den ganzen Tag wartet und nicht weiß wann man anfangt und wann man fertig ist. Jeden Tag ist es anders. Aber einmal arbeitet man die ganze Woche, manchmal zwei Tage, das ist auch kein Problem. Aber am Tag ist es schwierig, weil das Problem ist, wenn man in der Früh anfängt und drei Stunden arbeitet und dann kommt man wieder nach Hause und dann warte ich, wo ich arbeiten werde [am gleichen Tag]. Ich weiß es nicht. Wenn ich nach Hause komme, weiß ich nicht, wo ich arbeite am Nachmittag. Das ist schlecht. Für andere Leute ist das einfach; die ganze Woche oder zwei Tage. Andere Springerinnen können zum Beispiel durcharbeiten oder die ganze Woche. Bei mir war es so, ich arbeite heute; ich weiß nicht wo ich morgen arbeite oder am Nachmittag. Man braucht auch Zeit; man hat Termine, geht einkaufen. Du weißt nicht wo du später hingehst. Du musst warten und wenn einer nicht kommt oder krank ist, musst du sofort kommen, aber das ist nicht einfach. Man kann nicht fliegen. Da muss man Busfahren und anziehen, dann muss man in die Arbeit gehen.

Das Projekt wurde gefördert vom Integrationsbüro der Stadt Salzburg (2012)

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