Wir und die Anderen: Interview 4 PDF Drucken E-Mail

Vier Interviews mit Frauen, die in Reinigungsfirmen arbeiten, zum Thema Diskriminierung am Arbeitsmarkt und Möglichkeiten, die Situation von Migrantinnen zu verbessern. Interviewführung und Niederschrift: Sandra Wernegger

Interview 4

Das Interview findet in ihrer Wohnung. Außerdem anwesend: ihr Mann und ihre Tochter.

Sandra: Wie alt bist du?

Tochter (übersetzt): 32

Sandra: Von wo kommst du?

Z.: Kurdistan

Sandra: In der Türkei?

Tochter: Ja.

Mann: Nordkurdistan.

Sandra: Was arbeitst du jetzt zur Zeit?

Z.: In einer Putzfirma. Immer Wohnung, Büro, Baustelle. Alles machen. Ich will gerne Wohnung machen. Ich mache nicht gerne Büros. Büro ist immer am Abend. Ich arbeite nicht gerne am Abend. Meine Arbeit ist schwer. Verstehst du mich?

Sandra: Ja.

Z.: Immer gibt es Probleme. Ich habe keine Ahnung. Ich verstehe nicht Österreich. Ich sage immer zu meiner Chefin. Ich verstehe nicht Österreich. Normal mache ich meine Wohnung sauber, aber meine Wohnung mache ich in fünf Stunden. Zu mir sagen sie – in drei Stunden fertig machen. Aber das geht nicht. Ich bin kein Roboter. Immer schnell sagen sie, soll ich es machen. Ich habe keine Ahnung.

Tochter (übersetzt): Wenn irgendwas kaputt ist und das wird dann meistens so hingelegt und dann greift das irgendjemand aus der Firma an und dann ist sie schuld, damit die Versicherung von der Firma das bezahlt. Das ist meistens so, weil es Ausländer sind, weil andere Österreicher würden vor allem ersteinmal diese Arbeit nicht machen, und zweitens würden sie sich das nicht gefallen lassen. Bei ihrer Firma ist das halt dann so, dass die Firma dann das Geld bezahlt und da nichts mehr machen kann. Zum Beispiel war es einmal so, dass so eine ganz kleine Statue schon kaputt war und das wurde einfach so aufeinander gelegt und beim Putzen haben sie es einfach hoch gehoben und dann war es kaputt, obwohl sie gar nichts gemacht hat. Aber das hat trotzdem die Firma bezahlen müssen und das war dann ihre Schuld trotzdem.

Sandra: Wie viele Jahre bist du in Österreich?

Z.: Siebeneinhalb Jahre, aber ich arbeite sieben Jahr in dieser Firma. Immer habe ich Wohnung geputzt, immer. Sieben Jahre, aber viel Stress, viel Arbeit. Deutsch ist bei mir ein großes Problem. Österreicher verstehen mein Deutsch nicht. Immer Probleme, immer. Immer sagen sie, du hast das kaputt gemacht, aber ich mache nichts kaputt. Immer sagen sie ich. Warum? Ja ich kann nicht Deutsch.

Mann: Wenn du eine Frage gefragt hast, dann muss sie diese Frage antworten.

Sandra: Nein, das ist egal.

Mann: Das hat sie im Bundesasylamt auch so gemacht.

Sandra: Bei diesem Interview ist das egal.

Mann: Du hast sie gefragt, wie lange sie da ist, aber sie hat etwas anderes erklärt.

Sandra: Sieben ein halb Jahre …Aber es ist gut, wenn du etwas sagst, was dir einfällt.
Hast du vorher auch einen Beruf gehabt, bevor du nach Österreich gekommen bist?

Z.: Nein.

Tochter: Nein, sie ist nicht in die Schule gegangen und kann auch nicht lesen und schreiben.

Sandra: Also noch einmal zur Arbeit. Fühlst du dich diskriminiert am Arbeitsplatz?

Z.: Ja.

Sandra: War es schwer für dich eine Arbeit zu finden am Anfang?

Z.: Nein.

Sandra: Würdest du gerne einmal einen anderen Beruf machen? Und glaubst du, würdest du eine Chance dazu haben?

Tochter (übersetzt): Es ist schon so, dass sie schon gerne einen anderen Beruf machen würde, aber sie denkt, dass sie dazu keine Chance hat.

Sandra: Und warum?

Tochter(ü): Sie sagt, weil sie nicht lesen und schreiben kann.

Sandra: Wie siehst du das Thema Integration in Österreich? Wie wird man aufgenommen?

Tochter (ü): Es ist manchmal gut und manchmal kommt es ihr auch schlecht vor.

Sandra: Was zum Beispiel ist gut und was schlecht?

Tochter (ü): Sie sagt, es gibt manche, die so freundlich zu einem sind und einen mit einem Lächeln aufnehmen, und es gibt manche, die nicht einmal Hallo sagen können, weil man eben Ausländer ist.

Sandra: Hast du irgendeine Vorstellung, wie man die Situation verbessern könnte? Für dich, dass es einfacher wäre...

Tochter (ü): Da kann sie sich nichts vorstellen, weil manche eben egoistisch sind. Es ist sogar eher so, dass sie egoistisch sind, wenn es um ihre Kinder geht, und wie sollen sie da zu Ausländern nicht so sein?

Sandra: Sind da alle Menschen gemeint auf der Straße oder wer?

Tochter(ü): Nein, manche, denen sie begegnet ist.

Sandra: Und was glaubst du, könnte der Staat Österreich machen. Was könnte man verändern? Als Beispiel, dass man zum Beispiel Deutschkurse bezahlt kriegt oder so...

Tochter (ü): Sie sagt, wenn man zum Deutschkurs geht und dann meistens nicht zur Arbeit kann, dass es einem finanziell so schlecht geht. Da sollte etwas gemacht werden, weil es einfach mit der Arbeit und dem Kurs gleichzeitig nicht geht.

Sandra: Bekommst du etwas von der österreichischen Politik mit. Die Parteien, wie die FPÖ. Und wie ist das für dich?

Mann: Sie kennt nicht FPÖ. Wenn du sagst Partei, sie kennt nur PKK. FPÖ ist gegen Ausländer?

Sandra: Ja genau.

Mann: FPÖ oder SPÖ? Ich habe das auch nicht gehört.

Tochter(ü): Sie meint, dass sie das nicht gut findet, dass es da so etwas gibt, dass die gegen Ausländer sind, weil sie sagt, sie ist hier und putzt ihre Wohnungen und dann sollen sie auch noch hier weggehen, und dass die da gar nicht wissen, wie schlimm es ist, in einem Land mit Krieg und so zu leben.

Sandra: Fällt dir noch etwas ein? Möchtest du noch etwas von deiner Arbeit erzählen?

Z.: Nein.

Tochter(ü): Das hat sie schon alles am Anfang gesagt.

Tochter übersetzt für den Mann: Meine Mama war im Arbeitsamt wegen einem Deutschkurs und das erste Mal durfte sie zum Deutschkurs gehen und dann musste sie nicht mehr arbeiten, und beim zweiten Mal haben wir mit mehr Druck sie da hinschicken können, weil das Arbeitsamt eigentlich gar nicht wollte. Und das Arbeitsamt hat gemeint, sie kann jetzt keinen Deutschkurs mehr machen, sie muss jetzt arbeiten gehen, und beim zweiten Deutschkurs ist sie schon mehr zum Lesen und Schreiben gekommen, so Buchstaben schreiben und Wörter verbinden und sie auch auszusprechen, und dann hat das Arbeitsamt gesagt, dass sie das nicht mehr akzeptieren und dass sie einfach arbeiten soll und da hat sie auch keine Kurse mehr bekommen und deswegen konnte sie auch mit dem Kurs nicht weitermachen. Also das Arbeitsamt war dagegen, dass sie zum Deutschkurs geht und es wird ja auch meistens so gesagt, in den Medien oder wenn man so Plakate sieht und so: dass alle eine gute Chance haben und alle Deutsch lernen sollten, aber wie soll man da Deutsch lernen, wenn das Arbeitsamt da so etwas macht und sagt, nein, du musst jetzt arbeiten gehen und du kannst nicht mehr zum Deutschkurs.

Sandra: Und der Grund, warum sie nicht mehr konnte war, weil sie zu der Zeit einfach arbeiten musste?

Tochter: Ja, Arbeitsamt hat das eben nicht akzeptiert, dass sie zum Deutschkurs geht und nicht arbeitet. Und dann hat das Arbeitsamt gesagt, du kannst nicht mehr zum Deutschkurs. Du musst jetzt arbeiten gehen. Oder du zahlst es selber, aber das ist auch richtig teuer.

Sandra: Da kriegt man nichts bezahlt?

Tochter: Nein.

Sandra: Dann ist es aber sehr schwer, dass man Deutsch überhaupt gut lernen kann...

Tochter: Ja.

Mann: Ungefähr zwei Monate ist sie zum Kurs gegangen.

Z.: Vier Stunden. Ein Monat – vier Stunden.

Mann: In der Woche vielleicht vier Stunden. Sie hat so schnell gelernt. Alphabet und ein bisschen lesen, bisschen schreiben. Und dann sagen sie, nein, wir können sie nicht weiter in den Kurs schicken. Wenn sie möchte, kann sie selber zahlen. Ich habe das auch nicht verstanden... Gibt es eine Integration in Österreich oder nicht?

Sandra: Geben schon, aber es funktioniert nicht immer alles gut....

Mann: Ãœber vier Monate habe ich Deutschkurs gemacht. B1 Deutschkurs und ich habe meine Unterlagen alle zum Integratinsfonds gebracht und ich habe noch nicht das Geld bekommen. Jedes Mal sagt er, ich soll das und das bringen. Ich bringe und dann kommt wieder ein Brief. Das ist ein faules Personal. Das kann ich nicht verstehen. Da gibt es eine Rechnung. Bringe ich hin und dann sagen sie brauchst du noch das und das und wieder bringst du zu uns.

Tochter: Ja, da kommt so ein Brief und da steht drauf, was du mitnehmen musst. Und das bringst du dann hin. Und dann kommt wieder ein Brief und dann wollen sie noch mehr Zettel und das geht so weiter. Und es geht halt nur darum, dass er das Geld, das er für B1 Kurs bezahlt hat, wieder zurück kriegt. Das geht halt dann nicht irgendwie so schnell.

Mann: Solche Probleme hatten wir auch beim Staatsbürgerschaftsantrag. Da brauchten wir eine Bestätigung von der Krankenkasse. Den Versicherungsauszug oder Datenauszug. Sie hat ihn mir nicht gegeben. Ich war dort und habe gewartet. Wir haben in der Ferdinand-Raimund-Straße gewohnt und die Wohnung ist voll mit Schimmel. Sehr schlimm, ungesund.

Tochter: Wir hatten auch keine Heizung.

Mann: Dann haben wir beim Mieterschutz Meldung gemacht. Brief geschrieben zu Heimat Österreich. Jeden Tag sagen sie, ja wir suchen, ja wir finden.

Tochter: Ja, wir haben denen E-mails geschrieben und die haben immer gemeint, es ist keine Wohnung frei, haben immer das gleiche gesagt. Es gibt Menschen, die vorne sind in der Liste und wir haben einfach gerade keine Wohnung frei. Wir hatten da eine Zweizimmer-Wohnung. Und dann haben wir Email mit denen geschrieben. Wir haben immer versucht und haben nie eine Wohnung bekommen und dann ging es einfach zu weit. Der Winter hat sich genähert und es war immer eiskalt da drinnen. Keine Heizung und schimmlig. Es war einfach ungesund, die Wohnung. Und dann haben wir geschrieben, dass wenn wir in zwei Wochen keine Wohnung kriegen, dass wir dann gegenüber der Heimat Österreich, da bei der Kirche, ein Zelt aufmachen, weil es ist viel besser in einem Zelt zu wohnen, als in dieser schimmligen Wohnung, und einen Tage später haben wir dann eine Email bekommen, dass sie zu der Idee, dass wir gegenüber der Heimat Österreich ein Zelt aufmachen wollen, dass sie dazu gar keinen Kommentar abgeben wollen, und dass sie so schnell wie möglich eine Wohnung für uns schon finden werden, und drei Tage später haben wir eine Email bekommen, mit eben dieser Wohnung. Das ging dann eben, wenn man mit Medien droht. Das muss man, dass die überhaupt etwas machen. Ich kenne das auch so aus eigener Erfahrung, mein Vater hat gesagt ich sollte bei irgendwem anrufen und fragen, wie das so ist, dass man irgendwie nach Österreich kommt und dann von einem anderen Land in Österreich arbeitet. Da hab ich dort angerufen, die haben mich dort hingeschickt. Dann habe ich einfach in Wien angerufen, habe das gesagt. Und dann haben sie gesagt, du musst da und da anrufen. In Salzburg da kennt sich echt niemand mit seiner eigenen Arbeit aus. Die wissen echt alle nicht, was die da machen. Die sitzen da einfach und leiten dich zu irgendwem weiter, mit der Hoffnung, dass der sich damit auskennt. Dann habe ich gesagt, bitte geben sie mir einfach die Nummer von der Person, die dafür zuständig ist, mir reicht es. Ich bin schon seit zwei Stunden am Handy und telefoniere und keiner versteht da, was ich meine, und da hab ich die Nummer bekommen, habe die Person angerufen und habe ihr alles erzählt. Und sie kannte sich eben aus. Wieso können es nicht einfach die Leute, die in Salzburg arbeiten, mich nicht auch gleich zu der Person leiten, sondern zu der anderen und der anderen, weil sie sich eben nicht auskennen. Es ist meistens so. Wir haben schon als Familie so viele Erfahrungen mit solchen Sachen gemacht, dass die eben mit ihrer Arbeit überhaupt gar nicht klar kommen. Dass sie überhaupt nicht verstehen, was wir damit meinen und so.

Das Projekt wurde gefördert vom Integrationsbüro der Stadt Salzburg (2012)

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