Interview mit Claus Gomig vom Salzburger Friedensnetzwerk PDF Drucken E-Mail

Interview mit Claus Gomig,

Salzburger Friedensnetzwerk

„Es ist im Prinzip ganz einfach: sobald die Bevölkerung sich weigert, der Kriegsindustrie so viel Macht und Geld zukommen zu lassen, haben wir Frieden innerhalb kurzer Zeit.“

TT: Seit vielen Jahren bist Du an der Organisation der Feier zum UN-Weltfriedenstag in Salzburg beteiligt. Was war deine Motivation dazu?

Claus: Als langjähriger Friedensaktivist war ich im Jahr 2005 Mitbegründer des Friedensnetzwerkes in Salzburg. Unser Ziel war es, die zu dieser Zeit laufende „UNO-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit zugunsten der Kinder der Welt“ (2001 - 2010) in Salzburg bekannter zu machen. 2005 haben wir das Salzburger Friedensnetzwerk gegründet und gleich unserer Hauptaktivität in die Organisation einer Feier zum UNO-Weltfriedenstag gesetzt. Seitdem organisieren wir jedes Jahr diese Veranstaltung.

TT: Wer sind die Mitglieder des Salzburger Friedensnetzwerks und wie wurde es gegrĂĽndet?

Claus: Das Salzburger Friedensnetzwerk besteht derzeit aus sieben Personen, die fünf Organisationen repräsentieren, die auch international vernetzt sind, wie die Frauenföderation für Weltfrieden oder die Rudolf-Steiner-Schule. Ich war früher in der katholischen Friedensbewegung Pax Christi aktiv, die in vielen Ländern nationale Sektionen und unterschiedliche Schwerpunkte hat. Heute fühle ich mich nicht mehr so stark einer Organisation zugehörig und würde mich eher als freier Aktivist bezeichnen.

Im Zug der Ausrufung der UNO- Friedensdekade hat sich ein österreichweites Friedensnetzwerk gebildet, an dem am Anfang über 30 Organisationen aktiv waren, um die Friedensdekade mit Inhalten zu füllen. Es handelte sich vor allem um NGOS, von Seiten des Staates Österreich gab es keine Initiativen. Ziel der UNO-Friedensdekade, die von einigen Friedensnobelpreisträger_ innen initiiert wurde, war es, Bausteine für eine Kultur des Friedens zu legen. In mehreren europäischen Ländern haben sich dann Initiativen gebildet, um dieses Ziel umzusetzen. In Österreich haben wir beschlossen, regional auf Bundesländerebene Netzwerke zu etablieren.

TT: Hier in Ă–sterreich haben wir keinen Krieg. Warum ist dennoch ein Friedensnetzwerk notwendig?

Claus: Wir haben zwar vordergründig keinen Krieg. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass unser Wohlstandsmodell ständig irgendwo auf der Welt Krieg produziert. Ganz offensichtlich herrscht heute eine Kultur der Gewalt, der extremen Gewalt, Frieden hat aber damit zu tun, mit seiner Umwelt, also mit den Menschen und der Natur, in Einklang zu leben. Abgesehen davon hat Österreich ein Bundesheer, das zwar laut Verfassung außer für Friedensmissionen keine Truppen ins Ausland schicken darf, doch diese Einsätze sind schon sehr ausgeweitet worden. Weil Österreich mit dem internationalen Militär- und Wirtschaftssystem verbunden ist, nehmen wir direkt oder indirekt am Krieg um die Rohstoffe teil. Unser Alltag ist mit Kriegshintergrund durchtränkt, zum Beispiel die Handyindustrie. Wir sagen zwar, in Europa herrscht heute Frieden, wir haben aber den Krieg nur in andere Regionen ausgelagert.

TT: Kann man das so verstehen, dass jeder Mensch, der sich ein Handy kauft, den Krieg im Kongo unterstĂĽtzt?

Claus: Der Handykonsument indirekt, der Handyhersteller schon direkter. Es ist natürlich gut, dass wir hier zurzeit keinen Kriegszustand haben. Wir werden aber täglich durch die Flüchtlingsproblematik damit konfrontiert, dass in anderen Teilen der Welt Krieg herrscht. In einer gerechten und friedlichen Welt braucht es keine Frontex-Truppen, keine Gefängnisse und Schubhaftanstalten, weil die Menschen in der Lage wären, zu lernen, frei zu leben und sich zu respektieren. Ich bin davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus ein friedvolles Wesen ist, doch dieses Wesen gehört gestärkt und gefördert. Die Friedenerziehung wird aber vernachlässigt, denn unsere Kinder werden daran gehindert, sich frei zu entwickeln und in das Schulsystem, das Bildungssystem und das Wirtschaftssystem hinein gezwängt. Erziehung zu einer gewaltfreien Lebensweise bedeutet aber mehr, als nur Kinder nicht zu schlagen.

TT: Welche Möglichkeiten hat das Friedensnetzwerk, daran etwas zu verändern?

Claus: Leider sind unsere Möglichkeiten beschränkt. Im Salzburger Friedensnetzwerk geht es uns vor allem darum, den Weltfriedenstag sichtbar zu machen, mehr können wir mit unseren beschränkten Mitteln und unseren knappen Zeitressourcen nicht leisten, denn wir alle machen diese Arbeit in unserer Freizeit. Leider bekommen wir nur sehr wenig Unterstützung, gerade so viel, dass es das System nicht stört. Doch ohne unsere Initiative würde an diesem Tag in Salzburg gar nichts stattfinden, und das obwohl der Bürgermeister der Stadt Salzburg 2005 der Initiative "Mayor`s for Peace" beigetreten ist. Diese Initiative wurde 1982 von den Bürgermeistern von Hiroshima und Nagasaki ins Leben gerufen und hat sich der Friedensarbeit, insbesondere der Eliminierung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2020 verschrieben. Inzwischen ist es eine weltweite Bewegung, an der sich über 5000 Städte und Gemeinden beteiligen. Es wäre noch viel mehr Lobbyarbeit von Seiten der Zivilgesellschaft erforderlich, um auch hier in Salzburg die Friedensarbeit voranzutreiben, vor allem was politische Forderungen wie die Abschaffung der Atomwaffen angeht.

TT: Was sind die Ziele eures Netzwerkes und wie wollt ihr sie erreichen?

Claus: Längerfristiges Ziel ist, diesen Tag in Salzburg zur Institution zu machen. Grundsätzlich ist unser Fernziel natürlich der Frieden. Das klingt für viele vielleicht utopisch. Doch ich bin davon überzeugt, dass das Bewusstsein der Menschen mit der Zeit wächst und sich die Bedingungen für ein friedliches Miteinander verbessern. Es gibt immer mehr Menschen in der Zivilgesellschaft, die sich gegen Unterdrückung und Zerstörung in unterschiedlichen Bereichen wehren. Das System ächzt und krächzt ja schon, das sieht man an der Finanzkrise, und es kann ja nicht ewig so weiter gehen. Durch die Aufklärung und den erleichterten Informationszugang durch das Internet wachen immer mehr Menschen auf. Diese Umorientierung ist vordergründig noch nicht stark wahrnehmbar, weil viele Menschen sich nicht mehr im herkömmlichen Rahmen – wie in Parteien – bewegen, aber im Hintergrund entwickeln sich neue Denk- und Zusammenlebensstrukturen. Es werden auch viele technische Neuerungen entwickelt, zum Beispiel freie Energiesysteme. Es passiert viel Positives, was aber noch nicht an der Oberfläche angekommen ist, so dass es im Alltag noch nicht greifbar ist. Man sollte jedoch den Blick nicht immer nur auf negative Entwicklungen fokussieren, denn das ist lähmend und macht pessimistisch. Auch die Erkenntnisse der modernen Wissenschaften zeigen uns, dass wir Menschen alle miteinander und mit der Natur verbunden sind. Wenn wir diese Erkenntnisse einmal verinnerlicht haben, werden wir nicht mehr zulassen, dass Kriege geführt und Gewalt ausgeübt werden.

TT: Inwiefern kann eure Veranstaltung am Weltfriedenstag zum Weltfrieden beitragen?

Claus: Das kann auf mehreren Ebenen passieren. Wenn ich an der Veranstaltung teilnehme, wird mein Bewusstsein auf das Thema Frieden gelenkt. Außerdem treffe ich nette Leute, knüpfe Kontakte und bekomme Inspiration für weitere Aktivitäten. Dann werden auch jedes Jahr für ein Projekt Spenden gesammelt, dieses Jahr für das Projekt „Flucht und Kunst“ von Talktogether. 2006 gingen die Spenden an eine mobile Babyklinik in Palästina, 2007 an ein Zentrum für Konfliktlösung und Versöhnung in Palästina, 2008 an die Hauptschule „Bibi Sarwari Sangeri“ in Kabul, Afghanistan, für einen Brunnenbau, 2009 and das Projekt CES Waldorf in Bogota/Kolumbien, 2010 an das Projekt KIMM zur Integration von Flüchtlingskindern vom Verein Viele in Salzburg, 2011 an das Projekt „Männer gegen Männergewalt“ und 2012 an den Verein Aktion Leben, der werdende Mütter in schwierigen Lebenssituationen unterstützt. Das sind kleine, aber wichtige Anstrengungen. Dabei geht es um den Gedanken des Teilens, nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Ressourcen zu teilen, beim Projekt KIMM hat Elvira Göbert auch viel Zeit investiert und mit den Kindern gearbeitet. Erkenntnisse, Wissen und Erfahrungen zu teilen ist eines der wichtigsten Mittel, um Frieden zu fördern.

TT: Was erwartet die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bei der Veranstaltung?

Claus: Wir laden Gäste ein, die künstlerische Beiträge präsentieren. Im letzten Jahr haben wir Reuben Silverbird, einen Native American eingeladen, der bei der Eröffnungszeremonie mit seiner Flötenmusik eine friedvolle Stimmung erzeugt hat. Wichtig ist auch das Wissen, dass an diesem Tag an vielen verschiedenen Orten auf der Welt Veranstaltungen stattfinden. Der englische Filmemacher Jeremy Gilley hat jahrelang in der UNO darauf hingewirkt, dass der Weltfriedenstag ein fixes Datum bekommt. Er hat auch erreicht, dass weltweit koordinierte Aktionen stattfinden. Heuer werden Videos der Aktivitäten aus verschiedenen Kontinenten 24 Stunden lang in Den Haag übertragen, um die unterschiedlichen Aktivitäten sichtbar zu machen, und damit sind an diesem Tag weltweit 600 Millionen Menschen miteinander vernetzt.

TT: Es gibt nur wenige Menschen, die sich aktiv fĂĽr den Frieden engagieren. Liegt es daran, dass die Kriege weit weg sind?

Claus: Ich denke, das hängt mit unserem System zusammen. Sehr viele Menschen sind so sehr mit ihren Alltagsproblemen beschäftigt, sie werden immer mehr unter Druck gesetzt und viele bekommen dadurch Krankheiten, oder befinden sich durch den vielen Konsum in einer Scheinwelt, so dass sie gar nicht die nötige Energie haben, sich für das Leben einzusetzen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist meiner Meinung eine Herangehensweise, unsere Probleme zu meistern, denn genug Geld ist ja da. Wenn die Existenzangst weg ist, können Menschen ungehindert ihre Kreativität entfalten und sich für den Weltfrieden, für die Erhaltung der Umwelt und für ein friedliches Zusammenleben engagieren. Es ist im Prinzip ganz einfach: sobald die Bevölkerung sich weigert, der Kriegsindustrie so viel Macht und Geld zukommen zu lassen, haben wir Frieden innerhalb kurzer Zeit.

veröffentlicht in Talktogether Nr. 45/2013