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LeiharbeiterInnen im AKH Wien wehren sich gegen Kündigung und Lohnkürzung
360 ArbeiterInnen im AKH Wien stehen in den nächsten Monaten vor der Kündigung, da die Gemeinde Wien den Vertrag mit der Leiharbeitsfirma AGO nicht verlängert. Als Begründung wird in den Medien ein Skandal um die Vergabe angegeben. Der wahre Grund könnte aber sein, dass die AGO einen Vertrag mit dem AKH hatte, nach dem die Beschäftigten unter das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz fallen und daher nicht schlechtergestellt werden dürfen als die Gemeindebediensteten. Nun wurde der Reinigungsbereich nicht mehr als Leiharbeit, sondern als Dienstleistung ausgeschrieben, womit der Reinigungskollektivvertrag zur Geltung kommt, unter welchem mit bis zu 30 Prozent Gehaltseinbußen zu rechnen ist.
Doch einige der Betroffenen wollen nicht dazu schweigen und haben sich zu einer Initiative zusammengeschlossen, um sich gegen die Kündigungen zu wehren. Außerdem treten sie auf gegen die Spaltung der ArbeiterInnen in besser und schlechter Gestellte und fordern die Ãœbernahme für alle von der Kündigung betroffenen Kolleginnen in ein fixes Arbeitsverhältnis. Ãœber 4000 Unterschriften zur Unterstützung ihres Anliegens haben sie gesammelt und der Gemeinde Wien vorgelegt. Diese ist aber nicht bereit, ihre Pläne zu ändern. Auch die Gewerkschaft sieht sich nicht in der Lage, die ArbeiterInnen zu unterstützen. Ein Funktionär der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten hat zu verstehen gegeben, dass er die LeiharbeiÂterInnen nicht unterstützen könne, da er gleichzeitig im Gemeinderat sitzt, wo die Kündigung des AGO-Vertrags beschlossen wurde.
Talk Together hat mit zwei von der Kündigung betroffenen Kolleginnen gesprochen.
TT: Wie ist eure Initiative entstanden?
X: Die Kollegen haben gesagt, sie möchten einen Betriebsrat gründen, und sind dafür gekündigt worden. Sie waren ein Jahr lang arbeitslos, und es hat bis heuer im April gedauert, bis sie wieder eingestellt worden sind. Sie waren bei derselben Leihfirma beschäftigt wie wir, haben aber nicht im AKH gearbeitet, sondern im Lager eines Internetversands.
TT: Wann habt ihr erfahren, dass ihr eure Arbeit verlieren werdet?
X: Das haben wir schon relativ früh erfahren. Schon lange ist das Gerücht herumgegangen, dass der Vertrag mit der Firma AGO wegen Korruption nicht verlängert wird und Mitarbeiterinnen gekündigt werden. Für den Reinigungsbereich wurde bereits eine europaweite Ausschreibung durchgeführt, und vier neue Firmen haben den Auftrag bekommen. Insgesamt 360 Leute sind von der Kündigung betroffen, das heißt, ab Jänner 2014 werden wir langsam umgestellt.
TT: Was sagt die Gewerkschaft dazu?
X: Sie regen sich zwar fürchterlich auf, können uns aber nicht helfen, weil es leider Gottes die gleiche Partei ist. Ein Parteigenosse will ja den anderen kein faules Ei ins Nest legen, auf gut Deutsch gesagt. Ja, so ist das leider …
Am Ersten Mai haben wir einen SPÖ-Funktionär gefragt, wie er sich das vorstellt, wenn die Kolleginnen in Zukunft nur mehr mit 800 bis 1000 Euro im Monat auskommen müssen. Er hat nur gemeint, das würde sich doch leicht ausgehen. Aber auch die anderen Parteien sind nicht besser, sie reden nur, tun aber nichts.
TT: Was habt ihr bisher unternommen, um die Kündigungen zu verhindern?
X: Wir haben Unterschriften gesammelt und Protestbriefe an alle geschrieben, denen wir schreiben konnten, aber wir haben keine Reaktion erhalten.
TT: Wie sind deine Erfahrungen mit der Leihfirma?
X: Wir haben unser Geld immer korrekt ausbezahlt bekommen. Wenn die Firma die nächsten zehn Jahre im AKH bleiben könnte, wäre ich zufrieden damit. Wir sind nicht gegen die Firma, sondern gegen ein System, in dem man Menschen einfach austauscht und wegschickt, nur um Geld zu sparen. Ich möchte von meiner Arbeit leben können. Mit der Hälfte meines jetzigen Gehalts kann ich das aber nicht. Was mich am meisten ärgert, ist, dass alles versteckt passiert. Die Menschen ignoriert man.
TT: Haben sie euch Jobs in den neuen Firmen angeboten?
X: Die neuen Firmen kennen wir. Vier Firmen statt einer. Wir könnten theoretisch dort anfangen, aber da bekommen wir über einen Euro weniger Stundenlohn. Es gibt keine Nachtdienste mehr, nur ab und zu kann man Sonn- oder Feiertagsdienst machen und hat so weniger Zulagen. Wahrscheinlich gibt es auch zwei Arbeitsschichten, in der Früh und am Nachmittag.
TT: Ihr sagt, die Leute, die nach euch kommen, verdienen weniger? Wisst ihr darüber näher Bescheid?
X: Ganz genau nicht, aber sie arbeiten zwei Stunden weniger. Sie müssen in sechs Stunden die gleiche Arbeit erledigen wie wir in acht. Das heißt, schneller arbeiten oder länger bleiben.
TT: Wer bezahlt die zusätzlichen Stunden?
X: Keiner.
Y: Wir haben eine Frau gehabt, sie ist um fünf heimgegangen statt um drei. Diese Stunden zahlt niemand.
X: Ich habe auch gehört, dass demnächst auch pro Station eine Abteilungshelferin eingespart werden soll. Abteilungshelferinnen sind die Frauen, die die Oberflächen reinigen und das Essen austeilen. Also weniger Personal und weniger Stunden.
Y: Wie kann eine Abteilungshelferin zwei Ebenen machen? Manche Patienten können sich nicht bewegen, und man muss ihnen beim Essen behilflich sein!
TT: Habt ihr euch bei den neuen Firmen beworben?
X: Die Reinigungsfirmen haben uns zu verstehen gegeben, dass sie uns gerne übernehmen würden, aber nicht mit den Rechten, die wir jetzt haben, und nicht mit unserem jetzigen Stundenlohn. Ich könnte sofort einen Platz bekommen, aber nur für weniger Geld. Mit meinem jetzigen Einkommen komme ich aber gerade über die Runden, mit weniger kann ich nicht auskommen. Und es gibt einige Kolleginnen, die Alleinerzieherinnen sind und die auch noch ihre Kinder mitversorgen müssen.
TT: Eine eurer Forderungen ist, dass ihr fix vom AKH übernommen werdet …
X: In ganz seltenen Fällen passiert das. Wenn wir weg sind, müssen die Kolleginnen, die fix von der Gemeinde angestellt sind, den OP-Bereich übernehmen. Wenn eine von ihnen das ablehnt, hat eine von uns die Chance, übernommen zu werden. Ich habe gehört, dass viele alles andere als begeistert davon sind. Sie sind gewohnt, täglich von 7 bis 15 Uhr zu arbeiten, und müssen dann 12-Stunden-Dienste und Nachtdienste machen. Vor allem für Frauen mit Kindern ist das schwierig.
Y: Viele arbeiten seit 15 oder 20 Jahren in derselben Station, manche stehen kurz vor der Pension. Sie sind zwar nicht im gleichen Ausmaß betroffen wie wir, weil sie nicht die Arbeit verlieren, aber auch sie stehen unter großem Druck.
TT: Wie schwierig ist es, die Kolleginnen davon zu überzeugen, dass es Sinn macht, sich gemeinsam zu wehren?
X: Es gibt einige, die sich zwar wehren wollen, aber Angst davor haben, gekündigt zu werden.
Y: Viele verstehen nicht gut Deutsch und kennen die Gesetze nicht. Einige sagen: Nein, wir machen nicht mit. Andere sagen: Wenn ihr was machen wollt, informiert uns, wir machen mit.
TT: Wovor haben sie Angst? Wenn sie schon wissen, dass sie gekündigt werden, was haben sie noch zu verlieren?
X: Dass sie nicht bis zum Schluss dableiben können. Alle wissen, das Gehalt, das wir jetzt haben, bekommen wir nie wieder. Manche haben auch die Hoffnung, vielleicht doch übernommen zu werden, und möchten nicht auffallen. Es ist zurzeit eine ziemlich schwierige Stimmung im AKH.
TT: Wie funktioniert das mit den Zurückstellungen?
Y: Sie rufen in der Frühstücks- oder Mittagspause an und sagen, dass du ins Büro kommen sollst. Dann sagen sie, dass du die einvernehmliche Kündigung unterschreiben sollst. Aber so geht das nicht! Sie können mich kündigen, aber ich unterschreibe dieses Papier bestimmt nicht.
X: Das AKH und die Gemeinde als Träger des AKH haben das lange geplant. Alle zwei, drei Wochen werden zwischen 14 und 30 Kolleginnen von uns zurückgestellt. Das bedeutet, statt uns kommen die neuen Kolleginnen, und wir müssen sie einschulen.
Y: Es beginnt am 27. Jänner, und ich bin im Februar dran. Ich habe mich bei der Gemeinde für eine Stelle beworben, aber schon drei Absagen bekommen. Das verstehe ich nicht. Ich habe meine Arbeit immer gut gemacht! Wo gibt es hier Gerechtigkeit? Ich bin Alleinerzieherin von drei Kindern und bin auch schon über vierzig Jahre alt. Was soll ich nun tun? Seit 28 Jahren lebe ich in Wien. Außer in der Zeit, als meine Kinder auf die Welt gekommen sind, habe ich immer gearbeitet, ich war nie arbeitslos. So etwas wie jetzt habe ich noch nie erlebt.
X: Dafür wird das Krankenhaus Nord gebaut, ein neues, großes Spital in Floridsdorf. Das wird noch größer als das AKH. Es ist schon in der Zeitung gestanden, dass bei den Gehältern eingespart wird, um Ressourcen für den Bau zu haben.
TT: Die Arbeiterinnen sind aus unterschiedlichen Nationen. Wie ist der Zusammenhalt unter den Kolleginnen?
Y: Bis jetzt haben wir keine Probleme deshalb gehabt. Aber nicht alle sind so wie ich. Ich bin immer dabei, ich habe keine Angst. Andere jedoch lassen sich einschüchtern. Wenn die Vorarbeiterin sagt, geht dort nicht hin, weil ihr sonst die Kündigung kriegt, trauen sie sich nicht. Wir haben Sitzungen gehabt, da sind nur zehn Leute gekommen. Aber am 17. Oktober haben wir eine große Versammlung gehabt, da war der Saal voll. Wir haben auch über Streik gesprochen. Leider haben aber viele Leute die Versammlung vorzeitig verlassen
Vielen KollegInnen war vom AKH gesagt worden, dass sie erst gar nicht zur Versammlung gehen dürfen, rund 300 sind trotzdem gekommen. Ungefähr 80 von ihnen wollten unbedingt streiken. Um diese KollegInnen aber keiner Gefahr auszusetzen, haben wir beschlossen, keinen Protest zu setzen, denn 80 Leute kann man einfacher kündigen als 300.
TT: Unterstützt euch das Pflegepersonal?
Y: Das dürfen sie nicht. Ich habe die Stationsschwester gefragt, ob sie unterschreibt, damit wir dableiben können. Da hat sie gesagt: Wir dürfen nicht. Sie habe eine E-Mail von der Pflegedirektion bekommen, dass sie nichts unterschreiben dürfe. Die Gemeindebediensteten haben sogar mit dem Lohnzettel eine Mitteilung bekommen, dass sie uns nicht unterstützen dürfen. Manche haben sogar bereits unterschriebene Listen wieder eingesammelt und in den Müll geworfen! Ich frage mich, ob das überhaupt erlaubt ist.
X: Das Problem ist, dass alle Angst um ihre Jobs haben. Auch bei den Gemeindebediensteten wird über Einsparungen geredet. Früher gab es 500 Gemeindereinigungskräfte, jetzt haben sie nur noch 50 und der Rest arbeitet über Fremdfirmen.
Y: Es ist kein Wunder, wenn viele Frauen unter Depressionen leiden. Unsere Arbeit im Krankenhaus ist nicht einfach. Sie ist sehr verantwortungsvoll und manchmal sogar gefährlich, zum Beispiel in der Psychiatrie. Was wir leisten, muss geschätzt werden! Aber es geht immer nur um Geld und Zahlen. Was würden sie tun, wenn wir nur einen Tag nicht zur Arbeit kommen? Ich sehe auch, wie viel die Krankenschwestern arbeiten. Auch bei ihnen gibt es immer weniger Personal. Das ist doch auch für die Patienten schlecht. Man muss ein bisschen nett zu ihnen sein können und Zeit haben, um mit ihnen zu reden.
TT: Wie fühlst du dich, wenn du jetzt in die Arbeit gehst?
Y: Früher bin ich immer gerne in die Arbeit gegangen. Jetzt aber gibt es ständig Kontrollen von allen Seiten. Weil so ein Druck herrscht, gehe ich nicht mehr gern in die Arbeit. Trotzdem werde ich bis zum letzten Tag kämpfen. Wir halten zusammen, weil wir wissen, dass wir alle im selben Boot sitzen.
TT: Wie kann man euch unterstützen?
X: Indem ihr schreibt: Es ist eine Frechheit, dass Menschen einfach entsorgt werden, ohne Rücksicht darauf, wie es ihnen geht. Uns ist wichtig, dass die Öffentlichkeit erfährt, was hier im größten Spital Österreichs passiert.
veröffentlicht in Talktogether Nr. 47/2014
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