Sie blieben, als die anderen davon liefen
Ghanaische UN-Soldaten retteten 1994 in Ruanda Tausende, meist ohne Waffeneinsatz
Einige Wochen nachdem das Morden in Ruanda begonnen hatte, organisierte der Ghanaische Offizier Colonel Clayton Yaache einen Konvoi, um eine Gruppe Verfolgter, die Zuflucht in einem Hotel gesucht hatte, zu evakuieren. Er lud an die 80 Personen in einen LKW, den er mit Planen bedeckte, damit niemand die Insassen sehen konnte. Die meisten von ihnen waren Tutsi, aber auch Hutu, die sich nicht am Pogrom beteiligten oder ihre Nachbarn beschützen wollten, waren dabei. Nach einigen Straßensperren wurde das Auto von Milizen aufgehalten, die entschlossen waren, diese Menschen zu töten.
Als UN-Beobachter war Yaache unbewaffnet und die zehn Soldaten, die ihn begleiteten, waren gegen die 100 Interhamwe Milizionäre völlig chancenlos. Als diese begannen, die Reifen des Autos aufzustechen, wusste Yaache, dass er nichts anderes mehr tun konnte, als zu verhandeln. Nachdem Yaache zwölf Stunden später fast seine Stimme verloren hatte, intervenierte schließlich ein Anführer der Milizionäre und erlaubte den Flüchtlingen, in ein bewachtes Fahrzeug einzusteigen, das sie zurück ins Hotel brachte.
Seit der Unabhängigkeit des Landes 1957 haben Ghanaische Truppen an vielen Friedensmissionen teilgenommen, u.a. im Nahen Osten oder im Kongo, wo sie in den Monaten nach der Unabhängigkeit das Haus des ersten Premierministers Lumumba bewachten. Als General Anyidoho und seine Soldaten in Ruanda ankamen, war das Land von ethnischen Spannungen zerrissen. Anyidoho: „Uns war klar, dass wir auf einem Pulverfass sitzen, wir wussten nur nicht, wann es explodieren würde“.
Der Funke zur Explosion wurde am 6. April 1994 gezündet, als ein Flugzeug, in dem Präsident Habyarimana und sein burundischer Amtskollege Ntaryamira saßen, abgeschossen und beide getötet wurden. Eine Gruppe belgischer und ghanaischer UN-Soldaten, die geschickt wurde, um die Premierministerin zu retten, wurde von Milizen aus dem Hinterhalt überfallen. Die Belgier wurden getötet, während sie die Ghanaer gehen ließen. Die Milizionäre wussten, dass die Europäer nicht bereit sein würden, Tote in Afrika zu riskieren. Nachdem alle Europäer aus dem Land gebracht worden waren, beschloss der UN-Sicherheitsrat, die Truppengröße auf 270 Mann zu reduzieren. Nicht nur die Truppen aus Bangladesch, sondern auch die gut ausgerüsteten belgischen Soldaten nach Hause geschickt.
Während die Welt dem Töten in Ruanda tatenlos zusah, widersetzten sich General Anyidoho und seine 454 UNO-Soldaten aus Ghana dem Befehl des UN-Sicherheitsrates, sich aus Ruanda zurückzuziehen. „Ich habe nicht zu Hause um Erlaubnis gefragt“, sagte Anyidoho. „Wir hatten keine Alternative. Wir konnten die Menschen nicht im Stich lassen.“ Obwohl sie nur wenige und schlecht ausgerüstet waren, taten sie ihr Bestes, um in diesen 100 Tagen des Grauens die Verfolgten in Sicherheit zu bringen. Die Ghanaer haben Tausenden das Leben gerettet, sagte der kanadische General Romeo Dallaire, Kommandant der UNO-Friedensmission in Ruanda: „Sie haben Mut bewiesen, während die anderen es nicht ertragen konnten, der Katastrophe ins Auge zu blicken. Die anderen liefen davon, aber die Ghanaer blieben. Sie waren das Rückgrat des ganzen Einsatzes. Ohne General Anyidoho und seine Leute hätte ich nichts ausrichten können.“
Quelle: Chris Stein: 06.04.2014: Ghana peacekeepers remember Rwanda's genocide, Al Jazeera: http://aje.me/1lIsXxd
veröffentlicht in Talktogether Nr. 48/2014
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