Solidarität über Grenzen hinweg
Asylwerber arbeiten in der Notschlafstelle
Javed, Ali und Isa bei ihrer Arbeit in der "Arche Süd"
Flüchtlinge und Notreisenden haben eines gemeinsam: Man sieht sie als Belastung an, als Menschen, die nur nehmen aber nichts zurückgeben, und man beurteilt sie oft als unnütz. Wir haben immer gewusst und können beweisen, dass diese Vorurteile nicht stimmen, und diese Menschen nur etwas Zeit und eine Chance brauchen.
Im Jänner erreichte uns ein Aufruf, dass dringend freiwillige Helfer und Helferinnen für die Notschlafstelle für notreisende Frauen in Herrnau gesucht werden, da diese sonst nicht aufsperren könne. Wir fragten bei Besucher und Besucherinnen des Cafe der Kulturen nach, wer an dieser Arbeit Interesse hätte, und daraufhin meldeten sich gleich vier Asylwerber, Ali aus Somalia, Javed und Isa aus Afghanistan und Alaa aus dem Irak.
Die jungen Männer haben im Februar ihre Arbeit in der Notschlafstelle begonnen und dort regelmäßig Abenddienst gemacht. Das war eine große Erleichterung für Organisatoren und Organisatorinnen, eine große Hilfe für Notreisenden und für die Flüchtlinge eine Selbstbehauptung, dass sie doch helfen und etwas zurückgeben können, wenn man ihnen nur die Möglichkeit dazu gibt. Von anderen Freiwilligen haben sie für ihre Arbeit und ihr Engagement viel Lob und Anerkennung bekommen. Sie sagen, dass die jungen Männer freundlich und fleißig sind und sich sehr respektvoll den notreisenden Frauen gegenüber verhalten. Sie halten es für eine sehr gute Idee, dass die Flüchtlinge dort engagiert sind.
Dass die Flüchtlinge selbst Hilfe benötigen, weiß jeder/jede, aber dass sie selbst sich nicht gern in der Rolle als Hilfsbedürftige sehen wollen, nehmen nur wenige wahr. Die Wahrheit ist, dass sie durch Gesetze in die Abhängigkeit gedrängt werden, die ihnen verbieten, zu arbeiten und aus eigener Kraft zu leben. Ganz im Gegensatz zur Ansicht mancher, die meinen, Flüchtlinge kämen nur nach Europa um das Sozialsystem auszunützen, wollen sich viele nicht mit der erzwungenen Untätigkeit abfinden. Sie möchten nicht am Rande stehen und nur auf ihr Taschengeld warten, sondern sich in die Gesellschaft einbringen, etwas Nützliches beitragen und andere Menschen unterstützen.
Alaa aus dem Irak meint: „Ich arbeite nicht, nur damit ich dafür eine Bestätigung bekomme. Wenn ich sehe, dass Menschen in Not sind, ist es mir ein Bedürfnis zu helfen. Auch in meinem Land gibt es viel Armut, aber dort kann ich leider nichts tun. Ich will nicht untätig sein und nur darauf warten, dass mir der Staat Geld gibt. Ich möchte aus eigener Kraft leben. Zurück in den Irak kann ich nicht. Nun ist nun Österreich mein Land und es gefällt mir hier sehr gut. Ich habe viele nette Menschen getroffen, die mich unterstützt haben. Es gibt hier vieles, was es in meinem Land nicht gibt, zum Beispiel, dass ich versichert bin und zum Arzt gehen kann, wenn ich krank bin. Dafür möchte ich auch etwas zurückgeben. Es macht mich traurig, dass ich nicht wie andere Menschen arbeiten darf. Denn ich möchte hier bleiben, mir hier ein Leben aufbauen und meiner Familie im Irak helfen können.“
Javed aus Afghanistan sagt: „Ich möchte den Menschen helfen, denen es schlechter geht als mir. Außerdem ist mir der Kontakt mit österreichischen Menschen sehr wichtig. Wenn ich hier mit Österreichern und Österreicherinnen zusammenarbeite, kann ich meine Deutschkenntnisse verbessern und die Kultur kennenlernen“. Ali aus Somalia ergänzt: „Es macht Spaß, mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten, dadurch habe ich viele Freunde gefunden. Die Regierung will, dass wir nur essen und schlafen. Arbeit ist für mich aber sehr wichtig, auch wenn ich dafür kein Geld bekomme. Wenn ich nicht arbeiten kann, kann ich nicht gut schlafen und das Essen schmeckt mir nicht.“
Armut ist den Flüchtlingen nicht neu. Viele von ihnen haben in Flüchtlingslagern gelebt und Not am eigenen Leib erfahren. „Meine Schwester hat mir erzählt, dass jetzt in Bagdad viele Menschen auf den Straßen betteln“, erzählt Alaa. „Sie sind aus Mossul und anderen Städten vor dem IS geflohen“. Dass es jedoch auch in Europa Armut gibt, haben sie sich nicht vorstellen können. „Als ich in Afrika war, hätte ich nie gedacht, dass es auch in Europa Menschen gibt, die betteln müssen und kein Dach über dem haben“, sagt Ali. Manche versuchen, Flüchtlinge und Notreisende gegeneinander auszuspielen. Wir denken, dass die vier jungen Männer ein sehr schönes Beispiel für Solidarität über gesellschaftliche Gruppen und Grenzen hinweg geliefert haben.
veröffentlicht in Talktogether Nr. 52/2015
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