Frauen an der Front gestern und heute PDF Drucken E-Mail

Bewundert, verteufelt, vergessen
Frauen an der Front gestern und heute

Heute begegnen uns in vielen Medien die Bilder der mutigen Frauen in Kurdistan, die die IS-Terroristen in Angst und Schrecken versetzen. Die Reaktionen schwanken zwischen Bewunderung und Diffamierung. Das Bild von bewaffneten Frauen ist für viele verstörend, passt es doch nicht in die Vorstellung der von Natur aus friedliebenden Frauen. Populärwissenschaftliche Darstellungen behaupten ja, dass es das Testosteron sei, das die Männer kriegerisch mache. Die Hintergründe, warum und wofür Menschen kämpfen, werden bei so einer Sichtweise jedoch völlig ausgeblendet.

Wir führen dieses harte Leben nicht ohne Grund

„Die ganze Welt redet über uns, die kurdischen Frauen, warum haben sie uns erst so spät entdeckt“, fragen kurdische Kämpferinnen zu Recht. Denn obwohl Frauen bereits seit drei Generationen in den kurdischen Freiheitskampf involviert sind, wurden Mainstream-Medien erst vor einigen Monaten auf sie aufmerksam. Die Darstellungen sind unterschiedlich. Während staatsnahe Medien in der Türkei und im Iran die Frauen als familienhassende oder irregeleitete Sexspielzeuge der männlichen Kämpfer diffamieren, werden sie von westlichen Medien häufig als unterdrückte Opfer dargestellt, die einer rückständigen Kultur entfliehen wollen. „Diese Frauen kämpfen aktiv gegen das Patriarchat, wie kann man das als Flucht bezeichnen?“ kritisiert die Soziologin Dilar Dirik. Andere wiederum vermarkten die Frauen als exotische Amazonen und wählen die attraktivsten Kämpferinnen für ihre Interviews aus, so Dirik. „Sogar Modezeitschriften eignen sich den Überlebenskampf kurdischer Frauen für ihre Zwecke an und banalisieren und entpolitisieren dabei die Hintergründe dieses Widerstandes.“ (1)

Während der Kampf der kurdischen Frauen gegen die IS-Terroristen von vielen bewundert und sogar idealisiert wird, finden die Kämpfer und Kämpferinnen in den Wäldern Indiens hierzulande wenig Beachtung. Heute zieht sich ein sog. Roter Korridor von Nordosten bis Südwesten durch den Subkontinent, wo sie einen erbitterten Krieg gegen Enteignung, Vertreibung von ihrem Land und die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen führen, der sich durch den vermehrten Rohstoffabbau sowie den Bau von Megastaudämmen und Industriekomplexen in den vergangenen drei Jahrzehnten weiter zugespitzt hat. Diesen maoistischen Rebellengruppen haben sich auch viele Frauen, vor allem Angehörige der indigenen Bevölkerung, angeschlossen. Als Frauen sind auch sie mit medialer Diffamierung konfrontiert. Dem in den Medien verbreitetem Bild von den unterdrückten und ausgebeuteten Sexsklavinnen widerspricht jedoch die Tatsache, dass der Frauenanteil nicht nur in den Kampfeinheiten, sondern auch in den Parteikadern bei über 40 Prozent liegt. Oft haben diese Frauen miterlebt, wie paramilitärische Gruppen ihr Dorf verwüstet und die Frauen vergewaltigt haben. „Wir führen dieses harte Leben nicht ohne Grund. Ich hatte gar keine andere Wahl, als mich der Revolution anzuschließen“, sagt eine junge Kämpferin.

Lieber tot als in den Händen der Unterdrücker

In den Lobgesängen der Griots, den Chronisten der westafrikanischen Geschichte, wird der mutige Widerstand der Frauen des Dorfs Ndar gegen die Sklavenhändler besungen. Diese Frauen kämpften mit Lanzen, Gewehren und Messern gegen die maurischen Sklavenhändler und sollen mehr als 300 von ihnen getötet haben. Als sie jedoch erkannten, dass sie gegen die Übermacht keine Chance hatten, beschlossen sie, lieber gemeinsam zu sterben, als sich der Sklaverei zu ergeben. Sie zogen sich in eine Hütte zurück und steckten sie in Brand.

Auch in den Reihen der slowenischen Partisanen, die während des Zweiten Weltkriegs in Südkärnten und Teilen der Steiermark Widerstand gegen das NS-Regime leisteten, waren Frauen nicht nur als Botinnen, sondern auch als ebenbürtige Mitkämpferinnen aktiv. “Das Ziel war halt, den Faschismus von unserer Heimat auszutreiben“, erzählt die ehemalige Partisanin Johanna Sadolschek-Zala, die immer eine letzte Kugel für sich selbst mit sich trug, da die Befürchtung, unter unmenschlicher Folter jemanden verraten zu können, schwerer wog als die Angst vor dem eigenen Tod. Von ihren Gegnern jedoch wurden die Partisaninnen durch sexualisierende und entmenschlichende Stereotypen entwürdigt, die sich oft in ritualisierten Gewaltakten von auffallender Brutalität manifestierten. Auch nach dem Krieg erhielten die Frauen wenig Anerkennung: Sie wurden kriminalisiert, bei der Vergabe von Opferrenten benachteiligt und mussten ihre Aktivitäten aus Angst vor Diskriminierung verschweigen. (2)

Diese Beispiele zeigen, dass es in unterschiedlichen Zeiten und Regionen Frauen gegeben hat, die mit der Waffe in der Hand in den Kampf gezogen sind. Manchmal haben sie für die Mächtigen gekämpft, viel öfter jedoch gegen sie und gegen ein System, dass ihnen nur Unterdrückung und Fesseln bot. PazifistInnen meinen, dass man Gewalt nicht mit Gewalt begegnen solle. Ist es aber Gewalt, sich gegen einen Gegner zu wehren, der den Menschen keinen Überlebensraum lässt? Meist standen diese Frauen vor der Wahl, sich entweder wehrlos ihrem Schicksal zu ergeben, oder sich mit den Mitteln zur Wehr zu setzen, die sie als geeignet erachteten. Es hilft den Frauen nicht, ihren Widerstand zu romantizieren. Genauso sollten wir uns hüten, über ihren Kampf mit Überheblichkeit zu urteilen, denn diese mutigen Frauen verdienen unsere Achtung und unsere Solidarität.

(1) vgl. http://civaka-azad.org/zwei-gegensaetzliche-systeme-kobane
(2) vgl. Christian Konrad, 2010: Im Kampf, da warst du gleichberechtigt. Der bewaffnete Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Kärnten und der Steiermark aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive

veröffentlicht in Talktogether Nr. 51/2015

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