Mohammad Ali – Der letzte Held?
von Warsame A. Amalle
Es gibt viele Menschen, die auf unterschiedliche Art und Weise auf uns Einfluss haben. Weil sie zum Beispiel gute Sportler, Politiker, Künstler oder Redner waren oder sind. Mohammad Ali war einer von diesen Menschen. Er war ein Vorbild für viele Menschen, vor allen für die Schwarzen, die glaubten, was ihnen die Kolonialherren und Sklavenhändler einredeten, nachdem sie ihnen die Menschenwürde geraubt hatten, nämlich, dass ihre Hautfarbe hässlich und schwarz zu sein etwas Schlechtes sei. Nein, eine schwarze Hautfarbe zu haben, bedeutet weder dumm noch hässlich zu sein! Weder ist die Hautfarbe ein Hindernis, noch sollte sie ein Vorteil oder Nachteil sein. Dass der Erfolg oder die Niederlage eines Menschen davon abhängig ist, welche Chance er bekommt und unter welchen Umständen er lebt, dafür gibt es genügend Beweise.
Als Mohammad Ali auf der Weltbühne erschien und sagte, dass er schön und großartig sei, half er den schwarzen Menschen, ihr Selbstbewusstsein zurückzubekommen, das sie während der Zeit der Sklaverei verloren hatten. Bestimmt war Mohammad nicht der erste, aber er war einer der lautesten. Ich fahre nicht in ein weit entferntes Land, um Menschen zu töten, die weder mir, noch meinem Land etwas angetan haben, während ihr mir hier meine Rechte verweigert, sagte er. Nein, zu eurem Krieg gehe ich nicht! Ein Nachkomme der Schwarzen, die einst nicht einmal die Plantagenarbeit ablehnen konnte, legte sich mit der mächtigen USA Armee an.
Mohammad Ali verlor deshalb seinen Weltmeistertitel, aber er gewann den Respekt vieler Menschen. Damals begannen für die schwarze Bevölkerung eine neue Zeit, neue Überlegungen und ein neues Selbstbewusstsein. „Fast alle Schwarzen, die ich kenne, haben keine Ausbildung und keinen Beruf erlernt und bekommen Sozialhilfe, warum? Ja, man weiß, wenn wir etwas lernen, werden wir nicht mehr Sklaven, nicht mehr Neger sein. Doch damit unsere Lebenssituation sich nicht verändert, verweigert uns der Staat, einen Beruf zu lernen oder eine weiterführende Ausbildung zu machen“, sagte er in einer Rede an einer Universität. Mohammad Alis Botschaft kam nicht bei allen Schwarzen gleich gut an, manche kritisierten ihn, aber so soll es auch sein.
“Nein, ich werde nicht 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden und niederzubrennen, nur um die Vorherrschaft weißer Sklavenherren über die dunkleren Völker der Welt sichern zu helfen. (…) Der wirkliche Feind der Völker ist hier. Ich werde nicht meine Religion, mein Volk oder mich verraten und als Werkzeug dienen, um diejenigen zu versklaven, die für ihre eigene Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit kämpfen. Wenn ich davon überzeugt wäre, dass der Krieg 22 Millionen meiner Leute Freiheit und Gleichheit bringen würde, müssten sie mich nicht einziehen, ich würde mich sofort freiwillig melden. Ich habe nichts zu verlieren, wenn ich für meine Überzeugungen einstehe. Wenn ich ins Gefängnis gehe, na und? Wir leben schon seit 400 Jahren in einem Gefängnis“, sagte er, als er sich 1967 weigerte, in den Krieg nach Vietnam zu ziehen. Mit dieser denkwürdigen Stellungnahme erreichte Mohammad Ali viele Menschen, die sich nicht für den Boxkampf interessierten, die aber gegen den Vietnamkrieg oder überhaupt gegen den Krieg waren. Damit überschritt er auch die Grenzen der Hautfarbe, weil er die Menschen in zwei Gruppen einteilte: in die Kriegs- und Sklaventreiber oder in Menschen, die Frieden und Gerechtigkeit suchen.
Die Courage und der Mut von Mohammad Ali erinnern mich an Erich Fried, der 1927 als Sechsjähriger in Wien aufgrund des „Blutigen Freitags“, an dem die Polizei 86 demonstrierende Arbeiter getötet hatte, den Polizeipräsidenten von einer Schulaufführung vertrieb, indem er sagte; „Meine Damen und Herren! Ich kann leider mein Weihnachtsgedicht nicht aufsagen. Ich habe gerade gehört, Herr Polizeipräsident Doktor Schober ist unter den Festgästen. Ich war am Blutigen Freitag in der Inneren Stadt und habe die Bahren mit Toten und Verletzten gesehen, und ich kann vor Herrn Doktor Schober kein Gedicht aufsagen“. Erich Fried verlor damals keine Medaille, aber seinen Mut kann man einfach nicht vergessen.
Vorbildlich war Mohammad für mich nicht nur, weil er für seine Überzeugung das Risiko einging, ins Gefängnis zu kommen und seinen Weltmeistertitel zu verlieren, sondern auch weil er die Menschen als Menschen, aber nicht wegen ihrer Hautfarbe oder seiner Religion respektiert hat. Ja, es stimmt, Mohammad Ali hat mitunter die Weißen auch als Feinde bezeichnet, aber da hat er sich immer auf die Geschichte von Sklaverei und Rassentrennung bezogen. In seinem Buch betonte er: „Es ist das Herz, das einen Menschen groß macht – seine Absichten, seine Gedanken und seine Überzeugungen.“ Und es waren auch weiße Menschen, die ihn zu ihm gestanden sind, als ihm alles weggenommen wurde, was er mit seiner Faust im Ring gewonnen hatte. Wer sein Buch liest, wird erfahren, was für ein großer und gleichzeitig einfacher Mensch Mohammad war.
Die Sklaverei als Wurzel für den Rassismus
Als Malcolm X, Mohammad Ali, Martin Luther King und Rosa Parks sich nicht mehr Diskriminierung und Erniedrigung beugten, waren viele Afro-Amerikaner*innen überrascht und begannen sich viele Fragen zu stellen: Warum darf ich im Bus nicht sitzen wo ich will? Warum, warum…? Mohammad, Martin und Malcolm war klar, dass die Afroamerikaner*innen ihre geraubte Würde nicht mit Passivität und Bitten zurückbekommen würden. Darum haben sie dem mächtigsten Staat der Welt auf unterschiedliche Weise die Stirn geboten. Malcolm X. und Martin Luther King sind nur 39 Jahre alt geworden, sie mussten für ihr Engagement mit dem Leben zahlen. Mohammad hat Glück gehabt, 74 Jahre alt werden zu dürfen.
Warum wird bis heute der Blick auf schwarze Menschen gerichtet, wenn über Sklaverei geredet wird? Sklaverei hat es ja auch in der Antike, im alten Griechenland und im Römischen Reich gegeben. Während ehemalige europäische, arabische, oder persische Sklaven mit ihren Besitzern verschmolzen und nicht mehr erkennbar sind, sind die Nachkommen der afrikanischen Sklaven bis heute sichtbar. Auch sie wollen nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden, doch ihre Hautfarbe ist ein Synonym für Sklaverei geworden.
Den Kampf gegen die Sklaverei gab es von Anfang an, und die Menschen versuchten, zu fliehen und ihre Freiheit wieder zu erlangen. Es hat aber lange gedauert, bis er siegreich war, weil die Sklavenhändler damit viel Geld verdienten. Die Plantagenbesitzer wollten nicht auf die Arbeitskraft dieser Menschen verzichten, aber sie als Menschen behandeln wollten sie sie auch nicht. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Menschen aus Afrika nicht nur nach Amerika oder Europa kamen, sondern auch über die Wüste in Arabien gebracht wurden. Deren Nachfahren haben aber das Selbstbewusstsein ihrer Brüder und Schwestern in Amerika noch nicht erlangt. Dort scheint es, als ob die Sklaverei erst gestern begonnen hätte. Bis jetzt haben wir in diesen Ländern noch nie von einer Rosa Parks oder einer Black Panther Party gehört. Jene Afrikaner, die auf die arabische Halbinsel gebracht worden sind, konnten nicht einmal daran denken geschweige denn es sich leisten, zu sagen, wir sind Afro-Araber. Oder Abdalla ist nicht mein Name, das ist der Name, den der Sklavenhalter mir gegeben hat. Wenn einer der ehemaligen Sklaven in Arabien so etwas gesagt hätte, wäre er nicht sicherlich 74 alt geworden.
Die drei Ms des Widerstands
Wenn heute über die Vorbilder der Afro-Amerikaner geredet wird, dann kommen für mich drei Ms hintereinander Martin Luther King, Malcolm X und Mohammad Ali. Jeder von ihnen hat auf seine Art und Weise gegen Rassentrennung, Diskriminierung und den ewigen Rassismus gekämpft. Ihre Kampftaktik war unterschiedlich, aber ihre Ziele und ihre Vergangenheit waren gleich. Heute sind alle drei Männer unter der Erde, doch der Rassismus ist immer noch so lebendig wie damals. Trotzdem war es wichtig und mutig von ihnen, ihrem Volk zu zeigen und zu sagen, dass Gott keinen Menschen erschaffen hat, um Sklave eines anderen zu sein. Wir sind keine Amerikaner, wir sind von Afrika gegen unseren Willen hergeschleppt worden, deshalb sind wir Afro-Amerikaner, betonte Malcom X. Malcolm suchte sich das X. als Nachnamen aus, weil er seinen Sklavennamen nicht tragen wollte und seinen richtigen Familienname nicht kannte.
Dazu schreibt Muhammad Ali in seinem Buch: In den 1960er Jahren gab es viele Möglichkeiten, sich in der Bürgerrechtsbewegung zu engagieren. Martin Luther King Jr. bevorzugte friedliche, gewaltlose Methoden wie Friedensmärsche, Sit-ins und politische Organisation. Andere griffen an der Seite von Bobby Seale, Huey Newton, Eldridge Cleaver und der Black Panther Party zu den Waffen, um – wenn nötig mit Gewalt – die Rechte der Schwarzen gegen Übergriffe zu verteidigen. Manche, wie zum Beispiel Medgar Evers, wirkten lieber durch Organisationen wie die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People), die mit legalen, politischen Mitteln die Bürgerrechtsbewegung unterstützten. Damals entschied ich mich dafür, der Nation of Islam beizutreten, die sich für schwarzen Stolz und schwarze Unabhängigkeit stark machte. Als Mitglied dieser Organisation kämpfte ich gleichzeitig für Gleichberechtigung und ein neues schwarzes Selbstbewusstsein. Es gab zwar die unterschiedlichsten Herangehensweisen, aber alle hatten ein gemeinsames Ziel: Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für die Schwarzen in Amerika.“
Martin Luther King war ein bedeutender Mann in der Bewegung für die Gleichberechtigung der Schwarzen. Er hat auf seine Art und Weise gegen Rassismus und Unterdrückung gekämpft, Malcolm X. und Mohammad Ali taten es auf die ihre. Gemeinsam hatten sie, dass Martins, Malcolms und Mohammads Vorfahren nicht von ihren Eltern in die USA zum Studieren geschickt worden waren, sondern dass man ihnen die Menschlichkeit geraubt, sie als Sklaven nach Amerika gebracht und dort gezwungen hatte, auf den Plantagen zu arbeiten. Diese drei Männer spielen eine wichtige Rolle in der Bewegung für die Rechte der schwarzen Menschen, und ungeachtet, zu welcher Religion sie sich bekannten, gehören sie zu den letzten Legenden der Schwarzen in den USA. Viele finden die Nation of Islam rassistisch oder sehen sie als Feinde der Weißen an. Aber welche Möglichkeiten hatten die Schwarzen, ihre Würde und ihr Selbstbewusstsein wieder zu erlangen? In den Kirchen waren sie getrennt von den Weißen, in der Moschee waren sie unter sich. Was würdest du tun, wenn man dich erniedrigt und versklavt hätte, oder wenn der Ku-Klux-Klan deinen Vater getötet hätte?
Auf der Beerdigung von Mohammad Ali waren viele Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Hautfarbe anwesend. Dass dort ein jüdischer Rabbi eine Rede hielt, beweist, dass Muhammad Ali ein offener Mensch war, der alle Menschen liebte. Rabbi Michael Lerner, ein Freund und Mitkämpfer gegen den Vietnamkrieg, fand meiner Meinung nach die passenden Worte: „Er nutzte seinen Ruhm, um sich dafür einzusetzen, woran er glaubte, und er ist für seine moralische Aufrichtigkeit Risiken eingegangen. Ehren wir ihn, indem wir versuchen, heute Muhammad Ali zu sein.“ Mit diesen Worten forderte er die Menschen auf, es Mohammad Ali gleichzutun und auf der Seite von Frieden und Gerechtigkeit zu stehen. Heute Muhammad Ali zu sein, bedeutet für mich, Gewalt, Terrorismus und Hass abzulehnen, genau wie Muhammad den Vietnamkrieg abgelehnt hat. Heute Muhammad Ali zu sein, heißt für mich: Glaube an dich, lehne den Rassismus ab und stehe für deine Überzeugungen ein. Rabbi Lerner meinte auch, dass für die USA die Zeit der Dominanz vorbei sei, und rief die politisch Verantwortlichen dazu auf, auf Gewalt zu verzichten. Denn, wie einst Mahatma Gandhi gesagt hat: „Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten.
George Foreman über Muhammad Ali: „Ich liebe ihn heute, er ist Teil meines Lebens. Ich bin so froh, dass mir das damals passiert ist und niemand anderem. Wann immer der Name von Muhammad Ali genannt wird, auch noch in 100 Jahren, wird auch von George Foreman gesprochen. Ich bin froh, dass Ali damals den entscheidenden Schlag landete. Er hat mich fair und anständig geschlagen. Alles, was ich danach erreicht habe, was ich jetzt bin, was ich besitze, verdanke ich dieser Niederlage. Sie machte aus mir einen anderen Menschen. Ali gewann den Fight und ich einen Freund fürs Leben.“
Quelle: Muhammad Ali/Hana Yasmeen Ali, 2004: Mit dem Herzen eines Schmetterlings. Meine Gedanken zum Leben.
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Es gibt viele Menschen, die auf unterschiedliche Art und Weise auf uns Einfluss haben. Weil sie zum Beispiel gute Sportler, Politiker, Künstler oder Redner waren oder sind. Mohammad Ali war einer von diesen Menschen. Er war ein Vorbild für viele Menschen, vor allen für die Schwarzen, die glaubten, was ihnen die Kolonialherren und Sklavenhändler einredeten, nachdem sie ihnen die Menschenwürde geraubt hatten, nämlich, dass ihre Hautfarbe hässlich und schwarz zu sein etwas Schlechtes sei. Nein, eine schwarze Hautfarbe zu haben, bedeutet weder dumm noch hässlich zu sein! Weder ist die Hautfarbe ein Hindernis, noch sollte sie ein Vorteil oder Nachteil sein. Dass der Erfolg oder die Niederlage eines Menschen davon abhängig ist, welche Chance er bekommt und unter welchen Umständen er lebt, dafür gibt es genügend Beweise.
Als Mohammad Ali auf der Weltbühne erschien und sagte, dass er schön und großartig sei, half er den schwarzen Menschen, ihr Selbstbewusstsein zurückzubekommen, das sie während der Zeit der Sklaverei verloren hatten. Bestimmt war Mohammad nicht der erste, aber er war einer der lautesten. Ich fahre nicht in ein weit entferntes Land, um Menschen zu töten, die weder mir, noch meinem Land etwas angetan haben, während ihr mir hier meine Rechte verweigert, sagte er. Nein, zu eurem Krieg gehe ich nicht! Ein Nachkomme der Schwarzen, die einst nicht einmal die Plantagenarbeit ablehnen konnte, legte sich mit der mächtigen USA Armee an.
Mohammad Ali verlor deshalb seinen Weltmeistertitel, aber er gewann den Respekt vieler Menschen. Damals begannen für die schwarze Bevölkerung eine neue Zeit, neue Überlegungen und ein neues Selbstbewusstsein. „Fast alle Schwarzen, die ich kenne, haben keine Ausbildung und keinen Beruf erlernt und bekommen Sozialhilfe, warum? Ja, man weiß, wenn wir etwas lernen, werden wir nicht mehr Sklaven, nicht mehr Neger sein. Doch damit unsere Lebenssituation sich nicht verändert, verweigert uns der Staat, einen Beruf zu lernen oder eine weiterführende Ausbildung zu machen“, sagte er in einer Rede an einer Universität. Mohammad Alis Botschaft kam nicht bei allen Schwarzen gleich gut an, manche kritisierten ihn, aber so soll es auch sein.
“Nein, ich werde nicht 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden und niederzubrennen, nur um die Vorherrschaft weißer Sklavenherren über die dunkleren Völker der Welt sichern zu helfen. (…) Der wirkliche Feind der Völker ist hier. Ich werde nicht meine Religion, mein Volk oder mich verraten und als Werkzeug dienen, um diejenigen zu versklaven, die für ihre eigene Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit kämpfen. Wenn ich davon überzeugt wäre, dass der Krieg 22 Millionen meiner Leute Freiheit und Gleichheit bringen würde, müssten sie mich nicht einziehen, ich würde mich sofort freiwillig melden. Ich habe nichts zu verlieren, wenn ich für meine Überzeugungen einstehe. Wenn ich ins Gefängnis gehe, na und? Wir leben schon seit 400 Jahren in einem Gefängnis“, sagte er, als er sich 1967 weigerte, in den Krieg nach Vietnam zu ziehen. Mit dieser denkwürdigen Stellungnahme erreichte Mohammad Ali viele Menschen, die sich nicht für den Boxkampf interessierten, die aber gegen den Vietnamkrieg oder überhaupt gegen den Krieg waren. Damit überschritt er auch die Grenzen der Hautfarbe, weil er die Menschen in zwei Gruppen einteilte: in die Kriegs- und Sklaventreiber oder in Menschen, die Frieden und Gerechtigkeit suchen.
Die Courage und der Mut von Mohammad Ali erinnern mich an Erich Fried, der 1927 als Sechsjähriger in Wien aufgrund des „Blutigen Freitags“, an dem die Polizei 86 demonstrierende Arbeiter getötet hatte, den Polizeipräsidenten von einer Schulaufführung vertrieb, indem er sagte; „Meine Damen und Herren! Ich kann leider mein Weihnachtsgedicht nicht aufsagen. Ich habe gerade gehört, Herr Polizeipräsident Doktor Schober ist unter den Festgästen. Ich war am Blutigen Freitag in der Inneren Stadt und habe die Bahren mit Toten und Verletzten gesehen, und ich kann vor Herrn Doktor Schober kein Gedicht aufsagen“. Erich Fried verlor damals keine Medaille, aber seinen Mut kann man einfach nicht vergessen.
Vorbildlich war Mohammad für mich nicht nur, weil er für seine Überzeugung das Risiko einging, ins Gefängnis zu kommen und seinen Weltmeistertitel zu verlieren, sondern auch weil er die Menschen als Menschen, aber nicht wegen ihrer Hautfarbe oder seiner Religion respektiert hat. Ja, es stimmt, Mohammad Ali hat mitunter die Weißen auch als Feinde bezeichnet, aber da hat er sich immer auf die Geschichte von Sklaverei und Rassentrennung bezogen. In seinem Buch betonte er: „Es ist das Herz, das einen Menschen groß macht – seine Absichten, seine Gedanken und seine Überzeugungen.“ Und es waren auch weiße Menschen, die ihn zu ihm gestanden sind, als ihm alles weggenommen wurde, was er mit seiner Faust im Ring gewonnen hatte. Wer sein Buch liest, wird erfahren, was für ein großer und gleichzeitig einfacher Mensch Mohammad war.
Die Sklaverei als Wurzel für den Rassismus
Als Malcolm X, Mohammad Ali, Martin Luther King und Rosa Parks sich nicht mehr Diskriminierung und Erniedrigung beugten, waren viele Afro-Amerikaner*innen überrascht und begannen sich viele Fragen zu stellen: Warum darf ich im Bus nicht sitzen wo ich will? Warum, warum…? Mohammad, Martin und Malcolm war klar, dass die Afroamerikaner*innen ihre geraubte Würde nicht mit Passivität und Bitten zurückbekommen würden. Darum haben sie dem mächtigsten Staat der Welt auf unterschiedliche Weise die Stirn geboten. Malcolm X. und Martin Luther King sind nur 39 Jahre alt geworden, sie mussten für ihr Engagement mit dem Leben zahlen. Mohammad hat Glück gehabt, 74 Jahre alt werden zu dürfen.
Warum wird bis heute der Blick auf schwarze Menschen gerichtet, wenn über Sklaverei geredet wird? Sklaverei hat es ja auch in der Antike, im alten Griechenland und im Römischen Reich gegeben. Während ehemalige europäische, arabische, oder persische Sklaven mit ihren Besitzern verschmolzen und nicht mehr erkennbar sind, sind die Nachkommen der afrikanischen Sklaven bis heute sichtbar. Auch sie wollen nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden, doch ihre Hautfarbe ist ein Synonym für Sklaverei geworden.
Den Kampf gegen die Sklaverei gab es von Anfang an, und die Menschen versuchten, zu fliehen und ihre Freiheit wieder zu erlangen. Es hat aber lange gedauert, bis er siegreich war, weil die Sklavenhändler damit viel Geld verdienten. Die Plantagenbesitzer wollten nicht auf die Arbeitskraft dieser Menschen verzichten, aber sie als Menschen behandeln wollten sie sie auch nicht. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Menschen aus Afrika nicht nur nach Amerika oder Europa kamen, sondern auch über die Wüste in Arabien gebracht wurden. Deren Nachfahren haben aber das Selbstbewusstsein ihrer Brüder und Schwestern in Amerika noch nicht erlangt. Dort scheint es, als ob die Sklaverei erst gestern begonnen hätte. Bis jetzt haben wir in diesen Ländern noch nie von einer Rosa Parks oder einer Black Panther Party gehört. Jene Afrikaner, die auf die arabische Halbinsel gebracht worden sind, konnten nicht einmal daran denken geschweige denn es sich leisten, zu sagen, wir sind Afro-Araber. Oder Abdalla ist nicht mein Name, das ist der Name, den der Sklavenhalter mir gegeben hat. Wenn einer der ehemaligen Sklaven in Arabien so etwas gesagt hätte, wäre er nicht sicherlich 74 alt geworden.
Die drei Ms des Widerstands
Wenn heute über die Vorbilder der Afro-Amerikaner geredet wird, dann kommen für mich drei Ms hintereinander Martin Luther King, Malcolm X und Mohammad Ali. Jeder von ihnen hat auf seine Art und Weise gegen Rassentrennung, Diskriminierung und den ewigen Rassismus gekämpft. Ihre Kampftaktik war unterschiedlich, aber ihre Ziele und ihre Vergangenheit waren gleich. Heute sind alle drei Männer unter der Erde, doch der Rassismus ist immer noch so lebendig wie damals. Trotzdem war es wichtig und mutig von ihnen, ihrem Volk zu zeigen und zu sagen, dass Gott keinen Menschen erschaffen hat, um Sklave eines anderen zu sein. Wir sind keine Amerikaner, wir sind von Afrika gegen unseren Willen hergeschleppt worden, deshalb sind wir Afro-Amerikaner, betonte Malcom X. Malcolm suchte sich das X. als Nachnamen aus, weil er seinen Sklavennamen nicht tragen wollte und seinen richtigen Familienname nicht kannte.
Dazu schreibt Muhammad Ali in seinem Buch: In den 1960er Jahren gab es viele Möglichkeiten, sich in der Bürgerrechtsbewegung zu engagieren. Martin Luther King Jr. bevorzugte friedliche, gewaltlose Methoden wie Friedensmärsche, Sit-ins und politische Organisation. Andere griffen an der Seite von Bobby Seale, Huey Newton, Eldridge Cleaver und der Black Panther Party zu den Waffen, um – wenn nötig mit Gewalt – die Rechte der Schwarzen gegen Übergriffe zu verteidigen. Manche, wie zum Beispiel Medgar Evers, wirkten lieber durch Organisationen wie die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People), die mit legalen, politischen Mitteln die Bürgerrechtsbewegung unterstützten. Damals entschied ich mich dafür, der Nation of Islam beizutreten, die sich für schwarzen Stolz und schwarze Unabhängigkeit stark machte. Als Mitglied dieser Organisation kämpfte ich gleichzeitig für Gleichberechtigung und ein neues schwarzes Selbstbewusstsein. Es gab zwar die unterschiedlichsten Herangehensweisen, aber alle hatten ein gemeinsames Ziel: Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung für die Schwarzen in Amerika.“
Martin Luther King war ein bedeutender Mann in der Bewegung für die Gleichberechtigung der Schwarzen. Er hat auf seine Art und Weise gegen Rassismus und Unterdrückung gekämpft, Malcolm X. und Mohammad Ali taten es auf die ihre. Gemeinsam hatten sie, dass Martins, Malcolms und Mohammads Vorfahren nicht von ihren Eltern in die USA zum Studieren geschickt worden waren, sondern dass man ihnen die Menschlichkeit geraubt, sie als Sklaven nach Amerika gebracht und dort gezwungen hatte, auf den Plantagen zu arbeiten. Diese drei Männer spielen eine wichtige Rolle in der Bewegung für die Rechte der schwarzen Menschen, und ungeachtet, zu welcher Religion sie sich bekannten, gehören sie zu den letzten Legenden der Schwarzen in den USA. Viele finden die Nation of Islam rassistisch oder sehen sie als Feinde der Weißen an. Aber welche Möglichkeiten hatten die Schwarzen, ihre Würde und ihr Selbstbewusstsein wieder zu erlangen? In den Kirchen waren sie getrennt von den Weißen, in der Moschee waren sie unter sich. Was würdest du tun, wenn man dich erniedrigt und versklavt hätte, oder wenn der Ku-Klux-Klan deinen Vater getötet hätte?
Auf der Beerdigung von Mohammad Ali waren viele Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Hautfarbe anwesend. Dass dort ein jüdischer Rabbi eine Rede hielt, beweist, dass Muhammad Ali ein offener Mensch war, der alle Menschen liebte. Rabbi Michael Lerner, ein Freund und Mitkämpfer gegen den Vietnamkrieg, fand meiner Meinung nach die passenden Worte: „Er nutzte seinen Ruhm, um sich dafür einzusetzen, woran er glaubte, und er ist für seine moralische Aufrichtigkeit Risiken eingegangen. Ehren wir ihn, indem wir versuchen, heute Muhammad Ali zu sein.“ Mit diesen Worten forderte er die Menschen auf, es Mohammad Ali gleichzutun und auf der Seite von Frieden und Gerechtigkeit zu stehen. Heute Muhammad Ali zu sein, bedeutet für mich, Gewalt, Terrorismus und Hass abzulehnen, genau wie Muhammad den Vietnamkrieg abgelehnt hat. Heute Muhammad Ali zu sein, heißt für mich: Glaube an dich, lehne den Rassismus ab und stehe für deine Überzeugungen ein. Rabbi Lerner meinte auch, dass für die USA die Zeit der Dominanz vorbei sei, und rief die politisch Verantwortlichen dazu auf, auf Gewalt zu verzichten. Denn, wie einst Mahatma Gandhi gesagt hat: „Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten.
George Foreman über Muhammad Ali: „Ich liebe ihn heute, er ist Teil meines Lebens. Ich bin so froh, dass mir das damals passiert ist und niemand anderem. Wann immer der Name von Muhammad Ali genannt wird, auch noch in 100 Jahren, wird auch von George Foreman gesprochen. Ich bin froh, dass Ali damals den entscheidenden Schlag landete. Er hat mich fair und anständig geschlagen. Alles, was ich danach erreicht habe, was ich jetzt bin, was ich besitze, verdanke ich dieser Niederlage. Sie machte aus mir einen anderen Menschen. Ali gewann den Fight und ich einen Freund fürs Leben.“
Quelle: Muhammad Ali/Hana Yasmeen Ali, 2004: Mit dem Herzen eines Schmetterlings. Meine Gedanken zum Leben.
veröffentlicht in Talktogether Nr. 57/2016
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