Hommage an Rosa Luxemburg PDF Drucken E-Mail

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"Zu sagen was ist,

bleibt die revolutionärste Tat.“

Portrait-Theater als Hommage an Rosa Luxemburg

Viele Menschen kennen ihren Namen, doch die meisten wissen wenig über das Leben der Revolutionärin. Das zu ändern. hatte sich das Stück „Geheimsache Rosa Luxemburg“ zum Ziel gesetzt, welches an ihrem Todestag, am 15. Jänner 2017, an der Universität Salzburg aufgeführt wurde. „Ich warne Sie, jetzt haben Sie noch Zeit, das Theater zu verlassen! Orte sind gefährlich, an denen Dinge benannt werden, wie sie sind.“ Mit diesem abgewandelten Zitat von Rosa Luxemburg wird die Vorstellung eröffnet.

Am 15. Januar 1919 kurz vor Mitternacht wird Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht von rechten Freikorps-Soldaten durch einen Nebeneingang des "Hotel Eden" auf die Straße gebracht, mit einem Gewehrkolben niedergeschlagen und in einen Wagen geschleppt. Die Gefangenen werden ver-hört, schwer misshandelt und danach erschossen, ihre Leichen in den Landwehrkanal geworfen. Das Stück beginnt mit dem Ende, ihrem gewaltsamen Tod. Wer war die Frau, die von der herrschenden Klasse und führenden Politikern als derartige Bedrohung für Deutschland angesehen wurde, dass man sie so grausam ermordete?

Anhand ausgewählter Zitate aus theoretischen Werken, politischen Agitationsreden aber auch persönlichen Briefen stellt das Stück die verschiedenen Facetten der Persönlichkeit dieser außergewöhnlichen Frau vor, die von vielen bewundert, von ihren Gegnern aber mit Spott und bitterstem Hass verfolgt wurde. Als anstrengend hat man sie bezeichnet, als streitsüchtiges und hysterisches Frauenzimmer. Lenin, den zu kritisieren sie sich nie gescheut hat, nannte sie einen „Adler der Revolution“.

„Nieder mit dem Krieg! Krieg dem Kriege!“

„Soll man sich den Krieg gefallen lassen?“ fragte sie, um gleich darauf selbst zu antworten: „Nein, das tun wir nicht.“ Die Arbeiter und Arbeiterinnen haben keinen Nutzen, wenn Staaten erobert werden, sondern nur die Kapitalistenklasse. Deshalb sei die ganze Welt das Vaterland der Arbeiterklasse. „Du sollst nicht töten!“ rief sie. „Wenn euch befohlen wird zu schießen, schießt nicht!“ Dieser Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung machte Rosa Luxemburg für die Machthaber und Kriegstreiber gefährlich. So gefährlich, dass man sie ins Gefängnis sperrte.

„Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“

„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für die Mit-glieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Für dieses Zitat ist sie bis heute berühmt. Rosa Luxemburg hat die Oktoberrevolution enthusiastisch unterstützt. Doch trotz ihres Verständnisses für deren schwierige Lage kritisierte sie Lenin, Trotzki und die bolschewistische Partei scharf und machte sie für die Einschränkung und Aushöhlung der Arbeiterdemokratie verantwortlich. Sie bestand darauf, dass das Ziel der Revolution die Verwirklichung der Demokratie sein müsse und nicht deren Abschaffung. „Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt“, warnte sie.

„Mein innerstes ich gehört mehr meinen Kohlmeisen als den Genossen.“

„Ich habe verdammte Lust, glücklich zu sein“, schrieb Rosa Luxemburg einmal an ihren Geliebten Leo Jogiches. Während sie sich der Öffentlichkeit als streitbare Kämpferin und Agitatorin präsentierte, zeigen ihre privaten Briefe eine andere Seite ihrer Persönlichkeit. Über tausend Briefe von hohem literarischem Wert sind erhalten. Rosa liebte die Natur, hielt sich lieber im Garten auf als auf Parteikongressen, betrieb Studien in der Pflanzen- und Tiergeographie, schrieb über das Verschwinden der Singvögel durch die Landwirtschaft und bedauerte den „Untergang der kleinen wehrlosen Geschöpfe“.

In einer Zeit voller Probleme zu leben, hat Rosa Luxemburg immer als „herrlich anspornend“ empfunden. Probleme hatte sie aber mit der oft kleinkarierten und bürokratischen Denkweise in der SPD: „Ich bin unzufrieden mit der Art und Weise, wie man in der Partei meist die Artikel schreibt. Es ist alles so konventionell, so hölzern, so schablonenhaft“, schrieb sie in einem Brief. „Andere Zeiten wollen andere Lieder haben. Aber eben Lieder, unser Geschreibsel ist ja meistens kein Lied, sondern ein farbloses und klangloses Gesurr, wie der Ton eines Maschinenrades. Ich glaube die Ursache liegt darin, dass die Leute beim Schreiben meistens vergessen, in sich tiefer zu greifen und die ganze Wichtigkeit und Wahrheit des Geschriebenen zu empfinden. Ich glaube, dass man jedes Mal, jeden Tag, bei jedem Artikel die Sache wieder durchleben, durchfühlen muss, dann würden sich auch frische vom Herzen und zu Herzen gehende Worte für die alte, bekannte Sache finden.“

„Sieh, dass du Mensch bleibst. Mensch sein ist vor allem die Hauptsache.“

Das Einpersonen-Theater, in dem die Schauspielerin Anita Zieher im Dialog mit der Percussionistin Ingrid Oberkanins auf der Bühne agiert, gewährt auf eindrucksvolle und berührende Weise Einblick in das Leben und Wirken dieser außergewöhnlichen Frau. Jenseits von Romantik oder Verklärung gelingt es dem Stück, dem Publikum den herausragenden Intellekt, den kritischen Geist, die Leidenschaftlichkeit und tiefe Menschlichkeit dieser eindrucksvollen Persönlichkeit näher zu bringen. Auch wenn sich Rosa Luxemburg in manchen Punkten geirrt haben mag, sind viele ihrer Aussagen heute noch genauso gültig wie vor hundert Jahren. Ihre Mahnung „sieh, dass du Mensch bleibst“ ist aktuell wie eh und je und kann nicht laut genug in die Welt hinaus gerufen werden.

Biographie und Theorie

Rosa Luxemburg wurde 1871 als Tochter einer polnisch-jüdischen Kaufmannsfamilie in Zamosc im russischen Teil Polens geboren. Als Fünfjährige erkrankte sie an einem Hüftleiden, zeitlebens blieb davon ein Hinken zurück. Sie musste damals ein Jahr lang das Bett hüten, während dieser Zeit hat sie sich angewöhnt, Briefe zu schreiben. Ihr politisches Interesse wurde auf dem Mädchengymnasium in Warschau geweckt, wo sie sich in illegalen politischen Zirkeln engagierte. Nach der Schule wurde Rosa in der sozialistischen Bewegung in War-schau aktiv.

Vor einer drohenden Verhaftung floh sie in die Schweiz, wo sie an der Philosophischen Fakultät der Züricher Universität ihr Studium begann. In Zürich – damals Sammelpunkt für politische Emigranten und Intellektuelle aus Osteuropa und Deutschland – kam sie in Kontakt mit führenden Marxisten und Führern der Arbeiterbewegung. Dort traf sie auch Leo Jogiches, der ihr Geliebter und Mentor werden sollte.

Doch sie wollte nach Berlin, ins Zentrum der deutschen Arbei-terbewegung. Durch eine Scheinehe erhielt sie die deutsche StaatsbĂĽrgerschaft und konnte so ihre einzigartige Karriere in der sozialdemokratischen Partei beginnen. Als Frau, als polni-sche JĂĽdin und durch ihr Hinken leicht behindert, war sie mehr-fach benachteiligt. Als brillante Rednerin und Journalistin gelang es ihr trotzdem, sich Respekt zu verschaffen.

In ihrem Artikel „Frauenwahlrecht und Klassenkampf“ zum zweiten Sozialdemokratischen Frauentag 1912 rief Rosa Luxemburg zur Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechtes für Frauen in Deutschland auf. Damit festigte sie ihren Ruf, eine der treibenden Kräfte im Kampf um die Gleichberechtigung von Frau und Mann zu sein. Und doch hat sie sich immer dagegen gewehrt, auf Frauenthemen beschränkt zu werden, die Forderung nach dem Frauenwahlrecht hat sie vor allem unter dem Aspekt des Klassenkampfes betrachtet.

Ihr politisches Engagement brachte ihr mehrere Verurteilungen und Gefängnisaufenthalte ein. Nachdem sie bei einer Kundgebung 1914 in Frankfurt am Main zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen hatte, wurde sie als „Vaterlandsverräterin“ wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit“ angeklagt und zu einem Jahr Ge-fängnis verurteilt. Doch weder Gefängnis, Isolation noch Krankheit konnten ihren Geist brechen.

Luxemburgs Hoffnungen auf ein friedliches und staatenübergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl wurde von den Sozi-aldemokraten bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit deren Zustimmung zu den Kriegskrediten zunichte gemacht. Zunehmend kam sie in Konflikt mit der Partei, in der der Nationalismus stärker war als die internationale Solidarität. Verbündete fand sie in Clara Zetkin und Karl Liebknecht, dem einzigen Reichstagsabgeordneten, der 1914 gegen die Kriegskredite stimmte. Aus der Partei auszutreten war jedoch für sie keine Lösung, denn wer mit der Sache der Arbeiterklasse verbunden sei, so Luxemburg, könne sich nicht einfach durch einen Austritt befreien.

Nach dem Kriegsende und der Novemberrevolution 1918 wurde die Republik ausgerufen. Rosa Luxemburg wurde aus der Haft entlassen und beteiligte sich Anfang 1919 an der Gründung der Kommunistischen Partei. Im Jänner 1919 kam es zum Aufstand, den Rosa als mangelhaft vorbereitet und verfrüht ablehnte. Trotzdem musste sie wegen Verhaftungsgefahr ständig ihre Wohnung wechseln. Schließlich wurde sie am 15. Jänner von einer durch die deutsche Wirtschaft und die Deutsche Bank unterstützten antikommunistischen Miliz gefasst. Erst zwei Monate später wurde ihre Leiche gefunden. Die Hintergründe des Mordes wurden vertuscht und seine Auftraggeber nie zur Verantwortung gezogen. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, bis die Umstände endlich aufgeklärt wurden.

„Unpolitisch zu sein heißt politisch zu sein ohne es zu merken.“

Wer liest, was sie vor hundert Jahren zu Themen wie Kapitalismus und Demokratie geschrieben hatte, ist überrascht, wie aktuell viele ihrer Aussagen heute noch sind. Besonders mit ihrem Versuch, den Imperialismus ökonomisch zu erklären, erlangte Rosa Luxemburgs theoretische Arbeit Bedeutung. Den Kapitalismus bezeichnete sie als propagandistische Wirtschaftsform, die sich ausbreiten und alles Andere verdrängen will, aber gleichzeitig nicht ohne dieses Andere existieren kann. Die Pro-duktion findet nicht statt, um die Menschen zu versorgen, son-dern um des Profites willen, weshalb auch die Arbeit von Frauen und Müttern als unproduktiv angesehen wird. Ihrer Auffassung nach wird Kapitalismus so lange weiter bestehen, solange es noch rückständige Gebiete gibt, die er für sich erschließen und ausbeuten kann.

In der Einführung in die Nationalökonomie schrieb sie: „Im Innern jedes europäischen industriellen Landes verdrängt die kapitalistische Produktion unaufhörlich die kleingewerbliche, handwerksmäßige und die kleine bäuerliche. Gleichzeitig zieht sie alle rückständigen europäischen Länder und alle Länder in Amerika, Asien, Afrika, Australien in die Weltwirtschaft herein. Das geht auf zwei Wegen vor sich: durch den Welthandel und durch die Kolonialeroberungen. (…) Durch die Gründung der kolonialen Handelsgesellschaften auf fremdem Boden oder durch direkte Eroberung kommen der Grund und Boden, die wichtigste Grundlage der Produktion, sowie auch die Viehher-den, wo solche vorhanden sind, in die Hände europäischer Staaten oder der Handelsgesellschaften. (…)

In erster Linie bedeutet dies eine ungeheure Ausdehnung des Herrschaftsbereichs des Kapitals, eine Ausbildung des Weltmarkts und der Weltwirtschaft, in der sämtliche bewohnten Länder der Erdkugel gegenseitig füreinander Produzenten und Abnehmer von Produkten sind, einander in die Hand arbeiten, Beteiligte einer und derselben erdumspannenden Wirtschaft sind.“


veröffentlicht in Talktogether Nr. 59/2017

 

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